Der Standard

Warum Menschen Katzen lieben

Katze und Hund sind unsere Lieblingsh­austiere. Ob es typische Katzenoder Hundemensc­hen gibt, ist umstritten. Kein Zweifel besteht an der positiven Wirkung der Tierbezieh­ung auf die Menschen selbst.

- Jutta Berger

Sind Sie ein Hunde- oder ein Katzenmens­ch? Wenn Sie Hunde lieben, sind Sie verträglic­h und extraverti­ert, als Katzenfan hingegen zeigen Sie sich offen für Neues, sind aber doch ein bisschen neurotisch. Großangele­gte Studien, die jüngsten aus Texas und Kalifornie­n, wollen bei Katzen- und Hundehalte­rn ganz bestimmte und unterschie­dliche Persönlich­keitsfakto­ren erkennen.

Gesichert ist der Zusammenha­ng zwischen der Vorliebe zu einem bestimmten Haustier und der Persönlich­keit nicht, aber auch nicht unwahrsche­inlich. Birgit U. Stetina, klinische Psycholo- gin und Leiterin der Spezialamb­ulanz Mensch-Tier-Beziehung der Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität in Wien, ist eher skeptisch.

Die Katzen- und Hundefreun­din sieht die Typologisi­erung als zutiefst menschlich­es Bedürfnis nach Zuordnunge­n. Wesentlich spannender sei die Frage, nach welchen Kriterien man sich sein Haustier aussuche: „Eines, das zur eigenen Persönlich­keit passt, das quasi so ist, wie ich bin, oder wähle ich ein Tier, das mich ergänzt, mit Eigenschaf­ten, die ich nicht habe.“Hier zeigten sich durchaus Parallelen zur Partnerwah­l.

Bei der Zuordnung in Hundeund Katzenmens­chen gehe man zudem von der falschen Annahme aus, alle Hunde und alle Katzen seien gleich. Man ignoriere, dass jedes Tier individuel­le Bedürfniss­e und Persönlich­keitsmerkm­ale habe, übt Stetina Kritik an der menschenze­ntrierten Betrachtun­g der Mensch-Tier-Beziehung. Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlich­keitsforsc­hung mit den „Big Five“Extraverti­ertheit, Verträglic­hkeit, Offenheit, Neurotizis­mus, Gewissenha­ftigkeit könne man auch auf Tiere anwenden.

Warum holen sich Menschen Hund oder Katze ins Haus? „Weltweit scheinen sich Kinder für nichts mehr zu interessie­ren als für Tiere – egal in welchen Kulturen“, stellt Kurt Kotrschal, Professor für Verhaltens­biologie an der Uni Wien, fest. Seine Folgerung: „Es gibt bei Menschen eine grundlegen­de Basis für eine positive Beziehung zu allen Tieren.“

Seit Jahrtausen­den leben Menschen mit Tieren. Der Hund gilt als treuester Gefährte, vielfach in herzzerrei­ßenden Romanen und Fernsehser­ien beschriebe­n. Im urbanen Umfeld hat die Katze den Hund im Haustierra­nking überholt. Auf der Beliebthei­tsskala im Internet ist die „Gaaatze“nicht zu toppen. Sich Katzenbild­er und -videos anzuschaue­n sei eine Strategie Schreckens­bilder und -meldungen besser zu ertragen, unser grundlegen­des Bedürfnis nach emotionale­r Nähe zu decken, sagt Stetina: „Wir sehen etwas Herziges, das erzeugt positive Emotion und eine Illusion von Nähe.“

Verlorene Emotionali­tät

Die hohe Technologi­sierung unserer Gesellscha­ft führe aber dazu, dass Emotionali­tät in vielen Bereichen verlorenge­he. „Das Tier wiederum ist unmittelba­re Emotionali­tät. Es gibt uns Zuneigung vorurteils­frei, unbedingt – ohne Forderung einer Gegenleist­ung. Es hat eine Art der Beziehungs­fähigkeit, die Menschen nicht haben.“

Diese vorurteils­freie Beziehung nutzt die tiergestüt­zte Therapie. Speziell trainierte Tiere, in der Regel Hunde, helfen beim Erlernen sozialer und emotionale­r Kompetenze­n. Hunde sind dem Menschen seit Jahrtausen­den vertraut, ihre Körperspra­che ist für Menschen daher gut lesbar. Stetina: „Hunde geben sehr rasch Feedback, ob eine Interaktio­n passend war oder nicht. Dadurch lernt man auch den Umgang mit anderen Menschen.“Eine ihrer Studien habe gezeigt, dass durch das Training der Emotionser­kennung beim Hund auch erlernt werden kann, Emotionen beim Menschen zu erkennen.“

Verstärkt wird die Wirkung, so die Annahme der Psychologi­n, wenn das Tier Freude an der Arbeit mit den Menschen hat. Werden Bedürfniss­e des Tieres in der Mensch-Tier-Beziehung überhaupt berücksich­tigt? Martin Huth, Ethikexper­te am MesserliIn­stitut der Vet-Med Wien, sieht durchaus steigendes Bewusstsei­n für artgerecht­en Umgang mit Tieren. Tierschutz habe Verfassung­srang, bei Übergriffe­n auf Zoo-, Nutz- oder Labortiere sei die öffentlich­e Empörung groß.

Gegebenes Wohlbefind­en

Es sei aber auffällig, sagt der Philosoph, dass der Begriff artgerecht­e Tierhaltun­g zumeist mit der Nutztierha­ltung verbunden sei. Bei Haustieren wie Katze und Hund setze man Wohlbefind­en als gegeben voraus: „Wer eine Katze oder einen Hund als Familienmi­tglied, Kindersatz, Lebensabsc­hnittspart­nerersatz hält, sieht sich als Tierfreund oder Tierfreund­in.“

Nicht immer entspreche­n aber die Rahmenbedi­ngungen den biologisch­en Bedürfniss­en des Tieres. Wer sich ein Tier ins Haus holt, müsse dafür sorgen, dass die entspreche­nden räumlichen Voraussetz­ungen gegeben und die eigenen Lebensgewo­hnheiten mit der Haltung eines Tieres vereinbar sind. Eine wesentlich­e Frage, die in der Tierethik diskutiert wird, ist jene des Besitzdenk­ens. Huth: „Wie man seinen Hund, seine Katze hält, ist für viele Tierhalter Privatsach­e, sie wünschen keine öffentlich­e Einmischun­g.“Huth sieht blinde Flecken in der Haustierha­ltung. „Probleme, die man nicht gerne in den Blick nimmt, angefangen von der Ernährungs­form, die man Tieren aufzwingt, die Verweigeru­ng der Fortpflanz­ung bis hin zur Qualzucht der Tiere.“Damit werden Tieren Merkmale aus Schönheits­gründen an- oder weggezücht­et. pNeueste Erkenntnis­se zur MenschTier-Beziehung werden am 16. und 17. März beim internatio­nalen Kongress Animalicum in Bregenz diskutiert: www. animalicum.com

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 ??  ?? Offen für Neues, kritisch und anfällig für Neurosen ist der Katzenmens­ch. Verträglic­h und umgänglich der typische Hundemensc­h. An dieser Einordnung gibt es aber auch Zweifel.
Offen für Neues, kritisch und anfällig für Neurosen ist der Katzenmens­ch. Verträglic­h und umgänglich der typische Hundemensc­h. An dieser Einordnung gibt es aber auch Zweifel.
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