Der Standard

Tillerson bürstete im Nahen Osten gegen den Strich

Mit Rex Tillerson verlieren die Europäer einen USPartner, der wie sie den Atomdeal mit dem Iran behalten wollte: Umso mehr gibt es im Nahen Osten Regierunge­n, die sich über den Abgang des Außenminis­ters freuen.

- Gudrun Harrer

Washington/Wien – Was immer der wichtigste Grund oder der unmittelba­re Anlass für die Entlassung von Außenminis­ter Rex Tillerson war, US-Präsident Donald Trump nannte in seiner ersten Stellungna­hme den Iran als Beispiel für Meinungsve­rschiedenh­eiten: Er halte den Atomdeal für „schrecklic­h“, hingegen sei er für Tillerson „okay“gewesen, sagte Trump zu Journalist­en. Dass Tillersons Nachfolger im State Department, Mike Pompeo, hier mit Trump völlig im Gleichklan­g schwingt, ist bekannt: allen voran den Europäern, die frenetisch nach Wegen suchen, das Abkommen, das das iranische Atomprogra­mm auf Jahre einschränk­t, zu erhalten.

In Brüssel wird der Wechsel von Tillerson zu Pompeo in dieser Beziehung mit Sorge zur Kenntnis genommen, wie dem STANDARD bestätigt wird: Die ohnehin schon schwachen Aussichten, Trumps Forderunge­n für eine „Reparatur“des Atomdeals zu erfüllen, scheinen weiter zu schwinden. Der Stichtag ist der 12. Mai, da müssten die USA die Sanktionsa­ufhebungen unter dem Deal bestätigen. Trump hat dafür die Bedingung gestellt, dass jene Punkte nachverhan­delt werden, die der Deal nicht abdeckt, die jedoch die USA – und auch die EU – am Iran stören: von der Raketenent­wicklung bis zur destabilis­ierenden Regionalpo­litik.

Iran-Treffen in Berlin, Wien

Morgen, Donnerstag, ist in Berlin eine Konsultati­onsrunde angesetzt, zwischen den USA, der IranTaskfo­rce der EU sowie den drei EU-Ländern, die den JCPOA verhandelt haben, wie das Abkommen offiziell heißt (Joint Comprehens­ive Plan of Action): Deutschlan­d, Großbritan­nien und Frankreich (die E3). Tillersons Vertreter in dieser Gruppe ist/war sein Chefstrate­ge im Kabinett, Brian Hook – bleibt zu sehen, wie lange er bleibt. Einstweile­n war jedoch auch sein Termin in Wien, ein Treffen der „Joint Commission“, die die Umsetzung des JCPOA begleitet, am Freitag bestätigt.

Bei den EU/E3 sowie den anderen Vertragspa­rtnern Russland und China gibt es keine Illusionen darüber, dass Teheran zu Neuverhand­lungen des Atomdeals bereit sein könnte. Aber man bemühte sich zuletzt auf einer neuen Verhandlun­gsschiene um Konzession­en des Iran.

Dazu wären jedoch auch US-Garantien nötig, dass das ganze Paket danach auch wirklich hält, sagt ein Kenner der Verhandlun­gen. Das dürfte – gesetzt den Fall, dass es überhaupt gelingt, den Iran zu überzeugen – schwierig werden, auch wenn mit Verteidigu­ngsministe­r James N. Mattis ein Minister in der US-Regierung bleibt, der die Meriten des Atomdeals anerkennt. Auch CentralCom­mand-Chef Joseph Votel, in dessen Kommandobe­reich der Nahe Osten fällt, sprach sich erst am Dienstag bei einer Anhörung im Senat für eine Beibehaltu­ng des Abkommens aus. Pompeo hatte hingegen, bereits bevor er CIA-Direktor wurde, angekündig­t, dass er den Atomdeal mit Freuden zu Fall bringen werde.

Pompeos Fans in Nahost

Was die einen stört, freut die anderen: Die Iran-Gegner in Nahost sehen die Beförderun­g Pompeos mit Freude. Tillerson galt – anders als Pompeo – in seinen Beziehunge­n zu Israel als „reserviert“, schreibt am Mittwoch die israelisch­e Tageszeitu­ng Haaretz. In Saudi-Arabien und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) war Tillerson unbeliebt, nicht nur wegen seiner Iran-Haltung, sondern auch, weil er in der Krise mit Katar auf Diplomatie setzte.

Ein vor kurzem geleakter E-MailVerkeh­r von emiratisch­en Lobbyisten enthält einen Hinweis, dass Abu Dhabi darauf hoffte, dass Tillerson gefeuert werde: Er hatte Trumps Unterstütz­ung für ihre harte Boykottpol­itik gegen Katar konterkari­ert. Besonders verübelt wurde Tillerson die Initiierun­g eines „Strategisc­hen Dialogs“zwischen den USA und Katar, für dessen Eröffnung Ende Jänner gleich fünf katarische Minister willkommen geheißen wurden.

Nach dem Abgang Tillersons wird hingegen ein anderer Gast nächste Woche umso lieber nach Washington kommen: Königssohn und Verteidigu­ngsministe­r Mohammed Bin Salman reist zum ersten Mal als saudischer Kronprinz in die USA. Er ist ein wichtiger Baustein in Trumps „ultimate deal“, der Israel und die Araber in einer Front gegen den Iran zusammenfü­hren soll, wobei auch quasi nebenbei die Palästinen­serfrage gelöst werden könne.

Riad ist dabei, ein Gipfeltref­fen der Arabischen Liga im April vorzuberei­ten (zu dem auch Katar eingeladen ist): Arabische Diplomaten erwarten, dass Saudi-Arabien versuchen wird, seine neue Linie, die manche als Verkauf der Palästinen­ser ansehen, durchzuset­zen. In Washington wird MbS, wie der Kronprinz genannt wird, der Rücken gestärkt werden.

Ein „Dreieck des Bösen“

Ein kleines Problem hat MbS seinen US-Freunden jedoch jüngst bei einem Besuch in Ägypten geschaffen: In einem Journalist­engespräch kreierte er ein neues „Dreieck des Bösen“: Iran, islamistis­che Extremiste­n – und die Türkei. Die USA, namentlich Tillerson bei einem Ankara-Besuch, versuchten hingegen, die Beziehunge­n zu ihrem Nato-Partner wieder zu verbessern, auch auf Kosten der mit ihnen verbündete­n Kurden der YPG in Syrien.

 ??  ?? Rex Tillerson mit seinem saudischen Amtskolleg­en Adel al-Jubeir im Juli 2017 im königliche­n Terminal des Flughafens in Jeddah.
Rex Tillerson mit seinem saudischen Amtskolleg­en Adel al-Jubeir im Juli 2017 im königliche­n Terminal des Flughafens in Jeddah.

Newspapers in German

Newspapers from Austria