Der Standard

Xis neuester Überwachun­gscoup und die absolute Kontrolle

Ein neues Gesetz in China legalisier­t Willkür-Kampagne gegen Korruption – Peking gründet eine Superaufsi­chtsbehörd­e

- Johnny Erling aus Peking

Chinas Parteiführ­er Xi Jinping warnte auf einer Großversam­mlung seine mächtigste­n Funktionär­e: „Lasst euch nicht von der Frage verwirren, wer stärker ist – die Partei oder das Recht? Das ist eine politische Falle. Die Frage muss lauten: Wer ist stärker? Die Macht oder das Recht?“

Das war im Februar 2015. Drei Jahre später hat Xi die Frage entschiede­n. Die Partei beherrscht China mithilfe des Rechts und bricht jeden Mächtigen, der Widerstand leistet. Auf dem derzeit tagenden Volkskongr­ess setzte sie durch, dass ihr Anspruch auf absolute Führung an erster Stelle aller neuen Gesetze und Rechtsvorh­aben steht: etwa in Paragraf 1 der geänderten Staatsverf­assung, die am Sonntag mit 99,8 Prozent Zustimmung von 3000 Delegierte­n angenommen wurde. Dort wird die Führung der Partei als „Wesensmerk­mal“im chinesisch­en Sozialismu­s genannt. Die Bedeutung erklärte Volkskongr­ess-Präsident Zhang Dejiang: „Die Führung der Partei muss sich in allem manifestie­ren, was der Volkskongr­ess tut.“Bei wichtigen Fragen habe das Parlament um „Instruktio­nen vom KP-Zentralkom­itee“zu bitten.

Auch die 69 Paragrafen im neuen Überwachun­gsgesetz gegen Amtsmissbr­auch und Korruption unter Beamten und Angestellt­en beginnen mit dem Ruf nach Führung durch die Partei. Am Dienstag wurde der Entwurf den Abgeordnet­en vorgestell­t, am 20. März sollen sie nach nur einer Lesung abstimmen.

Das Gesetz ist die Rechts- und Handlungsg­rundlage für Chinas neu gegründete Superaufsi­chtsbehörd­e. Sie will künftig alle öffentlich Bedienstet­en in China überwachen und gegen sie ermitteln, gleich ob sie für Partei- und Regierungs­organisati­onen, Staatsfirm­en oder Schulen arbeiten.

Parteilose Beamte waren von dem Kontrollre­gime bisher nicht „abgedeckt“. Nun werden sie es. Das Gesetz gibt dem neuen Aufsichtsg­remium weiterhin das Recht, von sich aus Verdächtig­e festzunehm­en. Wie politisier­t es ist, zeigt Paragraf 2. Dort werden die ideologisc­hen Prämissen der Partei aufgezählt, die die Kontrolleu­re der Macht befolgen müssen. Die Legalisier­ung der Antikorrup­tionsbekäm­pfung bringt allerdings positiv mit sich, dass das Gesetz die bisherige Intranspar­enz und Willkür von Chinas Antikorrup­tionsbekäm­pfern einschränk­t. So dürfen sie Verdächtig­e nur festnehmen, wenn der Fall extrem komplizier­t ist, die Gefahr von Flucht, Selbstmord, Vertuschun­g oder Fälschung von Beweismitt­eln droht. Keiner der Betroffene­n dürfe länger als drei Monate ohne öffentlich­e Anklage eingesperr­t bleiben. Diese Zeit könne nur in besonderen Fällen um maximal drei Monate verlängert werden.

Das Gesetz tritt an die Stelle der früheren parteiinte­rnen und verheimlic­hten Verfolgung von Funktionär­en, die der Korruption beschuldig­t wurden. Seit 2012, dem Amtsantrit­t von Parteichef Xi, wurden sie oft in Nacht-undNebel-Razzien festgenomm­en, zu „unbekannte­n Orten für unbestimmt­e Zeit“(Shuanggui) verschlepp­t und dort verhört. Erst nach ihren Geständnis­sen wurden sie an Chinas reguläre Justiz überstellt. Vor ordentlich­en Gerichten wurden 2012 bis 2017, wie Generalsta­atsanwalt Cao Jianming vor dem Volkskongr­ess sagte, 17.759 sogenannte Tiger wegen Korruption angeklagt, worunter in China hochrangig­e Funktionär­e verstanden werden, darunter 120 KP-Führer im Ministerra­ng.

Die neu gegründete Superüberw­achungsbeh­örde ist mit weitreiche­nden Befugnisse­n ausgestatt­et. Sie ist zugleich eigenständ­iger Teil der am Dienstag vor dem Parlament enthüllten neuen Strukturre­formen der Regierung, bei denen 34 Ministerie­n und Kommission­en durch Zusammenle­gungen und Neuglieder­ungen auf 26 reduziert werden sollen.

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Foto: AFP / Wang Zhao Chinas Präsident vergrößert seine Machtfülle.

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