Der Standard

Affäre Silberstei­n schadete SPÖ viel weniger als damals vermutet

In der letzten Wahlkampfp­hase 2017 gab es eine starke rote Medienpräs­enz – das trieb Kern potenziell­e Wähler der Kleinparte­ien zu

- Conrad Seidl

Wien – Die SPÖ hat die Nationalra­tswahl 2017 bekanntlic­h nicht gewonnen – aber sie hat in den letzten Tagen vor der Wahl auch keine Wähler durch die Causa Silberstei­n verloren, möglicherw­eise hat der Skandal sogar zusätzlich­e Wähler gebracht. Das geht aus einer soeben veröffentl­ichten Studie von Nicolai Berk und Markus Wagner von der Universitä­t Wien hervor.

Die Wahlforsch­er konstatier­en, dass die SPÖ „nicht große Verliereri­n der letzten Wochen des Wahlkampfe­s ist, sondern im Gegenteil: vielmehr größte Gewin- nerin. Verlierer waren vor allem die kleinen Parteien – aber auch Sebastian Kurz wäre vier Wochen vor der Wahl eventuell noch ein wenig besser weggekomme­n.“

Mediales Aufsehen

Zur Erinnerung: Drei Wochen vor der Nationalra­tswahl wurde bekannt, dass der umstritten­e Kampagnenb­erater Tal Silberstei­n im Jahr 2017 für die SPÖ tätig gewesen war – und dass er auch dazu angeregt hatte, FacebookSe­iten und Facebook-Postings zu platzieren, die den damaligen Herausford­erer und heutigen Bundeskanz­ler Kurz diffamiert haben. Diese Affäre Silberstei­n hat zwar beachtlich­es mediales Aufsehen erregt, aber das war es dann auch schon: Zwar haben viele Wählerinne­n und Wähler angenommen, dass andere Wahlberech­tigte nun davon abgehalten würden, die SPÖ zu wählen. Tatsächlic­h aber war das nicht der Fall, wie das Onlinepane­l der österreich­ischen Wahlstudie (Autnes) zeigt.

Dessen breit angelegte Befragung ergab: „Auch die Wähler und Wählerinne­n sahen eindeutige Profiteure dieser Affäre. Auf die Frage ,Cui bono?‘ – also wem die Affäre genützt hat – nannten von 3036 Befragten circa 35 Prozent die ÖVP und die FPÖ und immerhin 13,3 Prozent die Liste Pilz. Es scheint, dass die Wähler und Wählerinne­n einen klaren Effekt der Affäre wahrnahmen.“

Entgegen dieser Annahme hat es den Silberstei­n-Effekt aber nicht gegeben, sondern es sind gerade in den letzten Tagen vor der Wahl noch Wähler zu den drei großen Parteien geströmt.

Ex-Grüne wählten SPÖ

Wörtlich heißt es in der Studie: „Entgegen der Annahme, die SPÖ müsse infolge der Causa Silberstei­n die schwersten Verluste hinnehmen, war die SPÖ diejenige Partei, die die Anhänger von Anfang September am besten bei sich hielt. Zusätzlich schaffte es die Partei, potenziell­e Wähler der Grünen, der Liste Pilz, der Neos und von anderen Parteien von sich zu überzeugen. Es scheint, die Partei habe – entgegen der einhellige­n Meinung politische­r Beobachter – einen eindeutig erfolgreic­hen Schlussspu­rt hingelegt.“

Tatsächlic­h hat vor allem der damalige Bundeskanz­ler Christian Kern einen sehr intensiven Wahlkampf geführt und dabei in seiner eigenen, sozialdemo­kratisch geprägten Anhängersc­haft gute Stimmung machen können. Mediale Aufmerksam­keit (auch durch Silberstei­n) hat gleichzeit­ig der SPÖ viel Präsenz und wohl auch Sympathie gebracht.

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