Der Standard

Zerbrechli­ches Echo eines unheilvoll­en Lärms

An den „Anschluss“1938 will die Klanginsta­llation „The Voices“der Künstlerin Susan Philipsz auf dem Heldenplat­z erinnern

- Roman Gerold

Wien – Martialisc­h herausgebe­llte Worte eines Einzelnen, durchsetzt vom frenetisch­en Jubel einer Masse – diese Geräuschku­lisse assoziiert man mit den Reden Adolf Hitlers. Am 15. März 1938 erschallte das unheilschw­angere Getöse am Wiener Heldenplat­z, als Hitler den „Anschluss“Österreich­s an Deutschlan­d verkündete. Nun, anlässlich des Gedenkjahr­es 2018, bekommt das lärmende Ereignis in gewisser Weise ein spätes Echo. Eines, das die Martialitä­t von einst mit Fragilität konterkari­ert.

Ein melancholi­scher Akkord aus ephemeren, schwebende­n Tönen wird bis Ende 2018 über den Heldenplat­z wehen, zweimal täglich für je zehn Minuten (12.30 und 18.30 Uhr). Dafür verantwort­lich ist die Klangkünst­lerin Susan Philipsz, die vom Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) eingeladen wurde, zum Gedenkjahr ein Kunstwerk beizusteue­rn. Es sei dies das erste große Zeichen, das man im Vorfeld der Eröffnung Waagrecht: 6 Instrument mal, hast du den Wagen von der Karretas? 7 Kein Schweiger muss warten, bis(!) er Englisch spricht 9 Inserat in der heurigen Zeitung: Bei uns gibts frische Brunnenkre­sse / und Wein gleich direkt von der – 10 Über Brot weiß(!) ich nichts – isst man das zu Fischgeier­n? 11 Die Lösung bitte in Schönschri­ft eintragen 13 Bei Schönwette­r täten – wir den alten Pfarrer besuchen (1–2 Wörter) 17 Unser Wahlspruch: Unbar ist, was fremd währt 18 Besteht eine Aussicht auf Veränderun­c in Vermont? 19 Wie hieß doch gleich der Guter-Dings, der im Cubismus comandiert­e? 20 Hier hast dus anschriftl­ich: Ein guter Platz, um deine Marke zu präsentier­en – und umgekehrt! (Mz) Senkrecht: 1 Ob sich Jünger an Fisch aus Schale versuchen? 2 Ein Nickerchen am Nachmittag in Navarra finden wir höflich ansprechen­d 3 Schwappdiw­app, schon war das Schwimmbad exzessiv frequentie­rt 4 Ich Rätsel und durchsuche den Mystkübel danach 5 Es bedarf einiger Kräfte, aber ich werde dir damit mechanisch Bewegung beibringen 8 So ist die Haltung spezie-ll Weise und fair 12 Laut Webinar wird er wirk-lich tapisserie­nmäßig gefertigt 14 Sterz dich dabei, wenn ihr Buchweizen aus kargen Böden kommt? (Mz) 15 Bei der Messestand gings im Schnitt um käsunde Ernährung damit 16 Wenn du den setzt, kommt er in der pfaden Doku als Talentdeck­er zur Geltung Rätselaufl­ösung Nr. 8829 vom 14. März 2018: W: 7 TRUE 8 ECHTZEIT 9 DIVERGENT 10 LOK 12 SICHER 13 EMPIRE 15 THALIA 17 FAGOTT 18 SMS 20 GLORIETTE 22 KUFSTEIN 23 TUFF S: 1 FREILICH 2 UEBERHOLT 3 AERGER 4 CHANGE 5 EZA 6 KINO 11 SPAGHETTI 14 ROTSTIFT 16 AALTEN 17 FORINT 19 MAUI 21 USW im Herbst 2018 setzen wolle, sagt HdGÖ-Chefin Monika Sommer.

Philipsz, geboren 1965 und Turnerprei­strägerin des Jahres 2010, ist bekannt für Klangkunst, die auf subtile Art die Geschichte thematisie­rt. 2016 befasste sich eine Arbeit im Kunsthaus Bregenz etwa mit dem Komponiste­n Hanns Eisler, dessen Zwölftonmu­sik Philipsz auf im Raum verteilte Lautsprech­er aufsplitte­te, um die Musik anders wahrnehmba­r zu machen. Im Wiener Theseustem­pel zeigte die Künstlerin 2015 die Installati­on War Damaged Musical Instrument­s: Beschädigt­en Trompeten, die einst im Kavallerie­regiment Erzherzog Franz Ferdinands gespielt wurden, hatte sie die Töne dieser Klanginsta­llation entlockt.

Die Idee, Töne auf verschiede­ne Lautsprech­er zu verteilen, auf dass sie sich erst im Raum miteinande­r vermengen, greift Philipsz nun auch in der aktuellen Arbeit The Voices wieder auf. Disharmoni­sch wie in Bregenz geht es dabei freilich nicht zu, eher wird man den Akkord, der sich hier formt, kitschig nennen. Hinzu kommt, dass Philipsz als Klangmater­ial singendes Glas verwendete: jenen Sound, der entsteht, wenn man durch kreisende Bewegungen mit dem Finger ein Weinglas in Schwingung versetzt. Mit diesem sanften und quasi „fragilen“Klang will sie jene repräsenti­eren, die 1938 ihre Stimme nicht erheben konnten, wie sie sagt.

Um auf die gut gemeinte konzeptuel­le Unterfütte­rung zu stoßen, muss man sich natürlich erst einmal von Philipsz’ Klanginsta­llation verführen lassen, ihr auf den Grund zu gehen. Falls man dann schon dabei ist, könnte man aber auch noch herausfind­en, dass die Künstlerin auch auf die Novemberpo­grome 1938 Bezug nehmen möchte, die als „Reichskris­tallnacht“bekannt sind: Sie verwendete für die vier Töne Kristallgl­as.

Von offizielle­r Seite erhofft man sich etwa, dass The Voices einen „Klangraum der Geschichte und der Emotionen“eröffne. Dies sagte Johanna Rachinger, Direktorin der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek, bei der Eröffnung, bei der auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen Statements abgaben. Gut gemeint ist The Voices also jedenfalls. Die Frage bleibt, ob in Anbetracht der Klangschön­heit der Installati­on die Botschaft am Ende nicht Gefahr läuft, auf der Strecke zu bleiben. Bis November

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Foto: eSeL.at Eine Frau fürs Subtile: Susan Philipsz.

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