The Hallmarks of Cancer
Im Jahr 2000 veröffentlichte Prof. Douglas Hanahan, Laboratory of Translational Oncology in Lausanne (CH), gemeinsam mit Prof. Robert Weinberg, Massachusetts Institute of Technology (MIT), die vielzitierte Publikation „The Hallmarks of Cancer“– jene Merkm
Wie kamen Sie auf die Idee die „ Hallmarks of Cancer“zu definieren?
Hanahan: In vielen Gesprächen mit meinem Kollegen Robert Weinberg vom MIT in Massachusetts haben wir uns gefragt, warum aus gesunden Zellen Krebszellen werden, was sie benötigen um zu wachsen und wie es ihnen gelingt in andere Organe zu wandern. Wir kamen schließlich auf sechs unterschiedliche Merkmale, die bei der Entstehung einer bösartigen Krebserkrankung zum Tragen kommen. Welche Merkmale sind das? Krebszellen können ihr eigenes Wachstum stimulieren und sie sind resistent gegen hemmende Signale, die dieses Wachstum bremsen könnten. Weiters können sie sich ungehindert vermehren, Wachstum von eigenen Blutgefäßen in den Tumoren erzeugen, um diese ungehindert wachsen zu lassen. Sie widerstehen dem programmierten Zelltod und können sich im Laufe der Zeit metastasierend im gesamten Körper des Krebspatienten ausbreiten. Sind diese sechs Merkmale weiterhin gültig? Die Originalpublikation erschien zu einer Zeit, als sich die Forschung auf dem Gebiet der Onkologie und das Wissen über Krebs rasend schnell weiterentwickelten. Dies führte dazu, dass wir Mitte der 2000er-Jahre damit begannen, die „Hallmarks of Cancer“einer erneuten Prüfung zu unterziehen und wir stellten fest, dass zwei weitere Merkmale von Bedeutung geworden sind: die Fähigkeit zur Neuprogrammierung des Energiehaushaltes der Krebszellen sowie die Fähigkeit, den Angriffen des Immunsystems entgehen zu können. Diese überarbeitete Publikation erschien 2011, zu einem revolutionären Zeitpunkt als erste Immuntherapien entwickelt wurden, die genau auf diesen Punkt abzielten – das eigene Immunsystem im Kampf gegen Krebszellen zu aktivieren.
Denken Sie daran, die „ Hallmarks of Cancer“ein weiteres Mal zu aktualisieren? Unser Anspruch war es immer, nur jene Merkmale aufzulisten, die generalisiert für viele Krebsarten gültig sind. Jede Krebsart besitzt natürlich ihre eigenen Charakteristika, diese sind aber oft nicht auf andere Formen übertragbar. Durch die Fortschritte in der Forschung ist eine enorme Menge an Daten verfügbar. Diese lassen derzeit nicht auf ein weiteres, allgemein gültiges, Merkmal für Krebszellen schließen. Aus meiner Sicht ist es jetzt wichtiger die Strategie zu ändern, wie wir Krebs behandeln, wie z. B. durch die Kombination verschiedener Immuntherapien, die mehrere Merkmale gleichzeitig angreifen und dadurch vielleicht Resistenzen verhindern können. Dies ist momentan nur eine Hypothese, die ersten Studien dazu laufen bereits. Im Vordergrund steht für mich also nicht die Frage nach einem weiteren Merkmal, sondern jene, ob das Konzept der „Hallmarks of Cancer“zur Entwicklung von Multi-TargetingTherapien beitragen kann.
Krebs wird zunehmend zu einer chronischen Erkrankung. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung? Es gibt Therapien, die manche Krebserkrankungen heilen. Dies ist aber nicht immer möglich. Daher ist es umso wichtiger zu einem Status zu gelangen, wo der Patient zwar einen Tumor hat, aber frei von Krankheit und ihren Symptomen ist. Nehmen Sie das Beispiel Prostatakarzinom: Betroffen sind davon zumeist ältere Männer um die siebzig bis achtzig Jahre. Viele von ihnen haben eine asymptomatische, aber pathologisch nachweisbare Krebserkrankung, die ihre Lebensqualität nicht beeinflusst. Aufgrund ihres Alters versterben die Patienten häu-
„Acht ‚Hallmarks of Cancer‘ beschreiben den Unterschied zwischen Krebszellen und gesunden Zellen. Wir müssen die Strategie ändern, wie wir Krebs behandeln.“Prof. Douglas Hanahan
fig an einer anderen Ursache, nicht an der Krebserkrankung. Sie haben also Krebs ohne Erkrankung. Natürlich kann diese Erkrankung bei manchen Männern, speziell auch bei jüngeren Männern bösartig verlaufen. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass es nicht unbedingt notwendig ist den Krebs zu vernichten, sondern ihn in Schach zu halten. Wenn es uns gelingt diese Situation mithilfe geeigneter Therapeutika zu erreichen, dann ist das aus meiner Sicht ein vernünftiges Ziel. Darüber hinaus wird die personalisierte Präzisionsmedizin eine immer größere Rolle spielen. Die Früherkennung von Krebs ist enorm wichtig, denn je früher eine Erkrankung entdeckt wird, desto erfolgreicher kann sie behandelt werden. Das gilt gleichermaßen für die rechtzeitige Entdeckung von Rezidiven. Es gibt große Fortschritte in der Entwicklung von Biomarkern oder auf dem Gebiet der flüssigen Biopsie, bei der aus einer Blutprobe Informationen über eine Krebserkrankung gewonnen werden. Wir werden die Tumore immer besser untersuchen können und dadurch immer besser verstehen, auf welche Therapie ein Patient anspricht und auf welche nicht. Hier geschieht viel: Vielleicht gibt es in zehn Jahren einen Bluttest, der routinemäßig jährlich vorgenommen wird, und durch den frühe Formen einer Tumorerkrankung entdeckt und entsprechend behandelt werden können. Dies ist sicher ein Bereich, der auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen wird.