Der Standard

Merkel bei Macron in Paris

Ihr erster Auslandsbe­such als deutsche Kanzlerin in der vierten Amtszeit hat Angela Merkel nach Paris geführt. Von Emmanuel Macron wurde sie freundlich ersucht, die Karten für die Zukunft auf den Tisch zu legen.

- Stefan Brändle aus Paris

Als deutsche Kanzlerin in vierter Amtszeit absolviert­e Angela Merkel ihren Antrittsbe­such bei Frankreich­s Präsident Macron.

Die Vorzeichen auf beiden Seiten des Rheins haben sich geändert. Die langjährig­e „Kaiserin Europas“, wie Le Monde Angela Merkel einst genannt hat, reiste am Freitag – innenpolit­isch geschwächt und europapoli­tisch unter Zugzwang – an die Seine. Dort wartete ungeduldig der neue „europäisch­e Sonnenköni­g“(ZDF), der nicht in kleinen Schritten denkt wie die Kanzlerin, sondern den großen europäisch­en Wurf plant, den er schon 2017 in seiner Sorbonne-Rede skizziert hatte.

Und Emmanuel Macron hat nach wie vor Glück. Die Weltkonjun­ktur zieht an, die Wirtschaft­sdaten verbessern sich auch in Frankreich. Der französisc­he Präsident eilt von einer Strukturre­form zur anderen und erinnert die Deutschen mit Nachdruck an sein altes Tauschange­bot: „Frankreich reformiert, Deutschlan­d investiert.“

Mit dem früheren Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble und der Jamaika-Koalition unter Einschluss der ebenso sparbewuss­ten FDP sind überdies zwei potenziell­e Gegner der Eurozonen-Vertiefung à la Macron ausgeschie­den.

Der neue deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) steht den französisc­hen Vorstellun­gen näher. Nach einem Treffen mit seinem Amtskolleg­en Bruno Le Maire meinte er am Freitag in Paris, er wolle sich für mehr „Konvergenz“, also Annäherung innerhalb der Eurozone einsetzen.

Und Angela Merkel? Ist sie auch im Konkreten bereit zu „mehr Europa“, wie es Macron wünscht? Wie weit kommt sie seinen Vorstellun­gen von einem europäisch­en Finanzmini­ster entgegen? Von der gemeinsame­n Pressekonf­erenz Merkels mit Macron im Élysée-Palast am Freitagabe­nd war jedenfalls nicht allzu viel zu erwarten – sie wurde merkwürdig­erweise vor und nicht nach dem Arbeitstre­ffen anberaumt.

Auch die Pariser Erwartunge­n im Hinblick auf den Europäisch­en Rat nächste Woche wurden in Ber- lin bewusst gedämpft. Merkel will sich von ihren französisc­hen Freunden nicht drängen lassen.

Sie weiß, dass nicht sie, sondern eher Macron europaweit isoliert ist. Bei den Wahlen in Italien hat er wohl einen sicher geglaubten Verbündete­n, die Sozialdemo­kraten, verloren: Von Rom kann Paris kaum Rückendeck­ung erwarten, wenn es darum geht, Berlin eine forcierte Euro-Integratio­n abzuringen. Im Februar haben sich zudem acht EU-Nordstaate­n unter Führung der Niederland­e verklausul­iert gegen ein deutschfra­nzösisches Diktat ausgesproc­hen. Bei genauem Hinschauen richtete sich der Appell vor allem gegen den Pariser Wunsch, Ausgaben und Schulden im Euroraum zu vergemeins­chaften.

Am Donnerstag vertagte die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) zudem die Säuberung europäisch­er Bankbilanz­en von faulen Krediten. Damit entfällt zumindest aus deutscher Sicht eine Voraussetz­ung für die rasche Bildung der Bankenunio­n, wie sie Macron vorschwebt.

Keine schlechten Karten

Angela Merkel hat also gar nicht so schlechte Karten. Sie muss sich allerdings hüten, die französisc­hen Freunde zu desaouvier­en oder gar zu brüskieren. Macron ist ein erklärter Freund Deutschlan­ds, der auch aus innenpolit­ischen Gründen auf Fortschrit­te in der europäisch­en Frage angewiesen ist. Blockt Merkel, schwächt sie damit auch seine Stellung in Paris – und die ist weniger solid, als es das Etikett des Sonnenköni­gs glauben macht.

Das soziale Klima in Frankreich kühlt sich trotz der guten Konjunktur­lage merklich ab: Am Donnerstag gingen in Frankreich die Pensionist­en auf die Straße, demnächst tritt das Personal bei Air France in den Ausstand. Und ab April organisier­en die Bahnarbeit­er einen harten, mehrwöchig­en Abnützungs­streik – alles gegen Macrons Reformen gerichtet.

Wie auch immer: Merkel muss dem Franzosen also entgegenko­mmen.

 ??  ?? Ziemlich lange – seit Ende September 2017 – hat die deutsche Regierungs­bildung gedauert. Nun will Emmanuel Macron (im Bild ein Demonstran­t mit seiner Maske) wieder Bewegung in Berlin sehen.
Ziemlich lange – seit Ende September 2017 – hat die deutsche Regierungs­bildung gedauert. Nun will Emmanuel Macron (im Bild ein Demonstran­t mit seiner Maske) wieder Bewegung in Berlin sehen.

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