Merkel bei Macron in Paris
Ihr erster Auslandsbesuch als deutsche Kanzlerin in der vierten Amtszeit hat Angela Merkel nach Paris geführt. Von Emmanuel Macron wurde sie freundlich ersucht, die Karten für die Zukunft auf den Tisch zu legen.
Als deutsche Kanzlerin in vierter Amtszeit absolvierte Angela Merkel ihren Antrittsbesuch bei Frankreichs Präsident Macron.
Die Vorzeichen auf beiden Seiten des Rheins haben sich geändert. Die langjährige „Kaiserin Europas“, wie Le Monde Angela Merkel einst genannt hat, reiste am Freitag – innenpolitisch geschwächt und europapolitisch unter Zugzwang – an die Seine. Dort wartete ungeduldig der neue „europäische Sonnenkönig“(ZDF), der nicht in kleinen Schritten denkt wie die Kanzlerin, sondern den großen europäischen Wurf plant, den er schon 2017 in seiner Sorbonne-Rede skizziert hatte.
Und Emmanuel Macron hat nach wie vor Glück. Die Weltkonjunktur zieht an, die Wirtschaftsdaten verbessern sich auch in Frankreich. Der französische Präsident eilt von einer Strukturreform zur anderen und erinnert die Deutschen mit Nachdruck an sein altes Tauschangebot: „Frankreich reformiert, Deutschland investiert.“
Mit dem früheren Finanzminister Wolfgang Schäuble und der Jamaika-Koalition unter Einschluss der ebenso sparbewussten FDP sind überdies zwei potenzielle Gegner der Eurozonen-Vertiefung à la Macron ausgeschieden.
Der neue deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) steht den französischen Vorstellungen näher. Nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Bruno Le Maire meinte er am Freitag in Paris, er wolle sich für mehr „Konvergenz“, also Annäherung innerhalb der Eurozone einsetzen.
Und Angela Merkel? Ist sie auch im Konkreten bereit zu „mehr Europa“, wie es Macron wünscht? Wie weit kommt sie seinen Vorstellungen von einem europäischen Finanzminister entgegen? Von der gemeinsamen Pressekonferenz Merkels mit Macron im Élysée-Palast am Freitagabend war jedenfalls nicht allzu viel zu erwarten – sie wurde merkwürdigerweise vor und nicht nach dem Arbeitstreffen anberaumt.
Auch die Pariser Erwartungen im Hinblick auf den Europäischen Rat nächste Woche wurden in Ber- lin bewusst gedämpft. Merkel will sich von ihren französischen Freunden nicht drängen lassen.
Sie weiß, dass nicht sie, sondern eher Macron europaweit isoliert ist. Bei den Wahlen in Italien hat er wohl einen sicher geglaubten Verbündeten, die Sozialdemokraten, verloren: Von Rom kann Paris kaum Rückendeckung erwarten, wenn es darum geht, Berlin eine forcierte Euro-Integration abzuringen. Im Februar haben sich zudem acht EU-Nordstaaten unter Führung der Niederlande verklausuliert gegen ein deutschfranzösisches Diktat ausgesprochen. Bei genauem Hinschauen richtete sich der Appell vor allem gegen den Pariser Wunsch, Ausgaben und Schulden im Euroraum zu vergemeinschaften.
Am Donnerstag vertagte die Europäische Zentralbank (EZB) zudem die Säuberung europäischer Bankbilanzen von faulen Krediten. Damit entfällt zumindest aus deutscher Sicht eine Voraussetzung für die rasche Bildung der Bankenunion, wie sie Macron vorschwebt.
Keine schlechten Karten
Angela Merkel hat also gar nicht so schlechte Karten. Sie muss sich allerdings hüten, die französischen Freunde zu desaouvieren oder gar zu brüskieren. Macron ist ein erklärter Freund Deutschlands, der auch aus innenpolitischen Gründen auf Fortschritte in der europäischen Frage angewiesen ist. Blockt Merkel, schwächt sie damit auch seine Stellung in Paris – und die ist weniger solid, als es das Etikett des Sonnenkönigs glauben macht.
Das soziale Klima in Frankreich kühlt sich trotz der guten Konjunkturlage merklich ab: Am Donnerstag gingen in Frankreich die Pensionisten auf die Straße, demnächst tritt das Personal bei Air France in den Ausstand. Und ab April organisieren die Bahnarbeiter einen harten, mehrwöchigen Abnützungsstreik – alles gegen Macrons Reformen gerichtet.
Wie auch immer: Merkel muss dem Franzosen also entgegenkommen.