Ende der klassischen Kur
Der 95.000 Euro teure „Energie-Ring“rund um das Wiener Krankenhaus Nord sorgt nicht nur für schlechte Schwingungen in der Politik. Energetiker, die in der Wirtschaftskammer vertreten sind, wollen mit Esoterikern nichts zu tun haben.
Bei der Reform der Kur soll mehr auf Sport und Bewegung geschaut werden. Ziel ist auch, dass die Menschen länger arbeiten.
Wien – Es ist wieder einmal so weit: Am 7. und 8. April werden tausende Menschen in die Wiener Stadthalle pilgern, um sich bei der Esoterikmesse Schutzamulette zu besorgen. Und die nächsten Fachtage für Esoteriker sind mit Anfang November, wieder in der Stadthalle, auch schon fixiert.
Wer weiß, vielleicht geht auch die Projektleiterin des Wiener Krankenhauses Nord hin, die einen 95.000 Euro schweren Auftrag für die „Verlegung eines Schutzrings, der verhindert, dass negative Energien des Umfelds Einfluss auf das Haus und die Menschen nehmen“, vergeben hatte. Die Frau wurde nach Bekanntwerden des frei vergebenen Energie-Ring-Auftrages abgezogen. Laut Krone soll die Rathausbeamtin schon 2012 im Zusammenhang mit der Kostenüberschreitung bei der Beleuchtung der Wiener Ringstraße vorübergehend suspendiert worden sein.
Am Freitag gab Herwig Wetzlinger, der Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), bekannt, dass die internen Untersuchungen auf zwei weitere Personen ausgeweitet worden seien. Sie sollen die Rechnung für die „energetische Reinigung“des noch nicht fertiggestellten Krankenhauses unterschrieben haben.
Der Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeisterkandidat Michael Ludwig ist „sehr interessiert daran, dass alles aufgeklärt wird.“Dann solle es auch „entsprechende Konsequenzen“geben. Das fordert auch die ÖVP, die mit Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) schon eine Verantwortliche für das „Chaos“gefunden hat. Wie der STANDARD berichtete, lag die Auftragssumme, die der frühere Autoverkäufer und selbst- ernannte „Bewusstseinsforscher“Christoph Fasching kassiert haben soll, knapp unter dem Limit von 100.000 Euro, ab dem eine öffentliche Ausschreibung notwendig gewesen wäre. Die FPÖ fordert nun, dass alle Direktvergaben für das KH Nord offen gelegt werden. Für den KAV besteht aber kein Anlass, alle Direktvergaben zu überprüfen. Die Problematik des betreffenden Auftrags liege im Inhalt des Auftrags, unabhängig von der Auftragssumme, hieß es.
Fließende Grenzen
Und dieser Inhalt führt zu einem prosperierenden Markt. Das Geschäft mit der Esoterik ist schwer in Zahlen zu fassen. In Deutschland liegen Schätzungen bei einem Jahresumsatz von 25 Milliarden Euro. Es gibt freilich keine einheitliche Esoterikszene, die Grenzen zwischen unterschiedli- chen Strömungen sind fließend und gehen im schlimmsten Fall bis zur Kurpfuscherei. Auch bei den Messen, die seit 25 Jahren in Wien stattfinden, sitzen Duftölverkäufer neben Spirit-Schnuppertrommlern und Heilern, die sich auf „magentainformierte Biophotonen“berufen.
Energetiker sind sehr darauf bedacht, nicht mit Esoterikern in einen Topf geworfen zu werden. Allein in Wien sind knapp 4500 Frauen und Männer gewerblich als sogenannte Humanenergetiker angemeldet. Hauptrichtungen: Kinesiologie und Cranio-Sacral. Im Methodenkatalog für Humanenergetik gibt es gut zwei Dutzend weitere zugelassene „Hilfestellungen zur Erreichung einer körperlichen beziehungsweise energetischen Ausgewogenheit“, die vor allem den Wellnessbereich überschwemmen.
Ob die 95.000 Euro für den KH Nord-Auftrag angemessen waren, kann Herbert „Charly“Lechner, Berufsgruppenobmann der Energetiker in der Wiener Wirtschaftskammer, nicht beurteilen. Eine energetische Harmonisierung von Schwingungen, wie er es nennt, sei zwar zu begrüßen, allerdings nur, wenn das ein gewerblich angemeldeter Energetiker durchführe. Was der vom KH Nord beauftragte Christoph Fasching (auch nach eigenen Angaben) nicht ist.
Die Kraft der Schwingungen wird öffentlichen Stellen immer wieder angeboten. Die Autobahngesellschaft Asfinag erlaubte vor zehn Jahren einem Pendelguru, „Kraftsteine“aufzustellen, um Unfallhäufungspunkte zu „entstören“. Bezahlt wurde dafür aber nie etwas, wie auf STANDARD- Anfrage versichert wird. (ook, simo)