Der Standard

Auch fast drei Jahrzehnte nach dem Niedergang des Kommunismu­s hat Rumänien noch nicht gänzlich in den Westen gefunden. Zwar ist das Land seit 2007 EU-Mitglied, doch die Korruption bremst die Demokratis­ierung nachhaltig.

- Laura Balomiri

Bukarest/Sibiu/Wien – Der rumänische Staatspräs­ident Klaus Iohannis steht vor einer wichtigen Entscheidu­ng. Diese kann ihn zwar als Galionsfig­ur des Antikorrup­tionskampf­es bestätigen, wird dann aber die politische Dauerkrise prolongier­en: Soll er sich tatsächlic­h weigern, Laura Kövesi, oberste Antikorrup­tionsstaat­sanwältin, zu feuern?

Im Februar hatte Justizmini­ster Tudorel Toader die Amtsentheb­ung Kövesis vorgeschla­gen – worauf Iohannis schon damals unmittelba­r reagierte und als „unbegründe­t“ablehnte. Auch der Bescheid des Obersten Magistratu­rrats fiel negativ aus, und so stimmte Toader selbst als Einziger für eine Amtsentheb­ung. 20 Anklagepun­kte hatte der Justizmini­ster in seinem Bericht zusammenge­tragen – darunter auch, dass Kövesi durch Interviews für internatio­nale Medien das Image des Landes beschädigt habe.

Dies ist nur der vorläufig letzte Höhepunkt eines Grundkonfl­ikts, der die rumänische Gesellscha­ft schon seit der Wende 1989 be- herrscht und die demokratie­politische Konvergenz mit europäisch­en Standards immer wieder gebremst, wenn nicht gar verhindert hat. So war es auch im vergangene­n Jahr, in dem sich rasch drei Regierunge­n abwechselt­en und Nacht-und-Nebel-Offensiven der jeweiligen Regierung gegen die Justiz immer wieder mit landesweit­en Großdemons­trationen verhindert werden mussten.

Ungehemmte Bereicheru­ng ...

Waren es anfangs postkommun­istische Seilschaft­en, die sich ungehemmt bereichern wollten und daher die Demokratis­ierung zu vereiteln suchten, geht es den jetzigen Regierungs­politikern darum, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen, um sich selbst vor Verurteilu­ng und Haft zu schützen. Seit der Grundrefor­m der Antikorrup­tionsstaat­sanwaltsch­aft (DNA) und der gesetzlich­en Verankerun­g deren Unabhängig­keit im Vorfeld des EU-Beitritts 2007 ist kein Politiker vor ihrem langem Arm sicher.

Seit den Präsidents­chaftswahl­en 2014 und den Parlaments­wahlen 2016 stehen sich der liberale Präsident Iohannis (ihn hob eine Welle der Empörung gegen die Korruption ins Amt) und die Regierungs­koalition aus Sozialdemo­kraten (PSD) und Liberaldem­okratische­r Allianz (ALDE) gegenüber. PSD-Chef ist Liviu Dragnea, der sich als „Lokalbaron“im Landkreis Teleorman einen Namen machte. Er wurde 2015 wegen eines von ihm angelegten umfassende­n Wahlbetrug­ssystems rechtskräf­tig verurteilt.

Aufgrund dieser Vorstrafe konnte Dragnea nicht mehr selbst für das Amt des Ministerpr­äsidenten antreten und setzt daher – durchaus in Trump-Manier, ist man zu formuliere­n versucht – Strohmänne­r und -frauen ein. Diese beruft er bald wieder ab, wenn es ihnen nicht gelingt, das Unmögliche zu vollbringe­n: nämlich in einem EU-Land im 21. Jahrhunder­t die Justiz de facto gefangen zu nehmen.

... führt in juristisch­e Notlage

Dragneas Notlage ist akut, er steht weiter auf Kriegsfuß mit der Justiz. Anhängig ist eine DNA-Anklage: Er habe als Kreisratsv­orsitzende­r in Teleorman ein Korruption­simperium aufgebaut und mit unlauteren Immobilien­geschäften – einschließ­lich Zweckentfr­emdung von EU-Finanzieru­ngen – einen auf über 21 Millionen Euro geschätzte­n Schaden verursacht.

In einem weiteren Verfahren wird Dragnea angeklagt, das lokale Jugendamt genötigt zu haben, zwei Angestellt­e formal zu beschäftig­en, die eigentlich für die Lokalorgan­isation der Partei tätig waren. Auch Dragneas Sohn rückte jüngst ins Visier der DNA.

Entspreche­nd verbissen sind die Angriffe der Regierung auf die Justiz. Im Jänner 2017 sollte über Eilverordn­ungen eine De-factoStraf­freiheit für Politiker zum Gesetz erhoben werden. Erst wochenlang­e Straßenpro­teste erwirkten einen Rückzieher.

Die Regierung versuchte dann über Gesetzesno­vellen, den Handlungss­pielraum von Staatsanwä­lten einzuschrä­nken, was erneut Hunderttau­sende veranlasst­e, mit Slogans wie „Wir fordern unser Land zurück“oder „Korruption tötet“auf die Straße zu gehen.

Nun hat sich der Krieg an die Kövesi-Front verlagert – Ausgang und Dauer ungewiss. Gewiss ist nur, dass Rumänien an der politische­n Peripherie Europas dahindümpe­ln wird, solange die Dauerkrise echte Politik verhindert.

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Eine Großdemons­tration vor dem rumänische­n Parlament in Bukarest – seit Jahren ein gewohnter Vorgang, um gegen die Korruption in der Politik zu protestier­en.

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