Werbung für die FPÖ auf Facebook- Seite des Innenministeriums
Wien – Seit Tagen sind die Ermittlungen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (kurz: BVT) ein wichtiges Thema. Der Verfassungsschutz ist Teil des Innenministeriums, er ermittelt gegen Extremisten, Spione und Terroristen. Fünf Mitarbeitern, darunter dem Chef des Verfassungsschutzes, werden verschiedene Straftaten vorgeworfen. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft das Büro des Verfassungsschutzes und die Wohnungen von vier Mitarbeitern durchsucht. Es gibt bei dieser Affäre eine Reihe von Ebenen und viele Spekulationen, die ineinanderfließen und die Causa verwirrend machen. Zur Aufregung wurden die Ermittlungen, als nach und nach Details über die Razzia beim Verfassungsschutz durchsickerten. Mittlerweile ist bekannt, dass diese am 28. Februar stattfand. Sie wurde nur wenige Stunden davor bei einem Journalrichter beantragt.
Die Auswahl der Einheit
Die Razzia wurde von der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit der Polizeieinheit gegen Straßenkriminalität (EGS) durchgeführt, die normalerweise nicht für solche Einsätze angefordert wird. Die Regierung erklärt das damit, dass diese Polizeieinheit keine Kontakte mit dem Verfassungsschutz hat, im Unterschied zu anderen Einheiten. Ein Streitpunkt ist, dass diese Polizeieinheit von einem FPÖ-Politiker geführt wird, genau wie das Innenministerium. Mit ihrer Beauftragung sollen laut Opposition parteipolitische Interessen verfolgt worden sein.
Die Mitnahme von Daten
Bei der Razzia wurden Dokumente und Speicherträger der Abteilungsleiterin für Extremismusbekämpfung mitgenommen, ob- wohl diese nur als Zeugin geführt wird. Die Regierung sagt dazu, dass die Abteilungsleiterin eng mit einem der Beschuldigten zusammengearbeitet hat, daher muss man in ihren Dokumenten nachschauen, ob dort Schriftverkehr mit dem Beschuldigten zu finden ist. Bei der Sicherstellung der Daten sei immer ein Staatsanwalt dabei gewesen.
Kritiker der Vorgehensweise denken, dass die Abteilungsleiterin eingeschüchtert werden sollte, weil sie der FPÖ ein Dorn im Auge ist. Laut Falter war die FPÖ vor allem wegen einer Analyse zur FPÖnahen Webseite unzensuriert.at verärgert. Es gibt Befürchtungen, dass die von einem FPÖ-Politiker geführte Polizeieinheit bei der Razzia Daten kopiert oder fotografiert hat. So soll das Büro der Abteilungsleiterin fast den ganzen Tag lang durchsucht worden sein.
Die Ausrüstung der Einheit
Die Razzia wurde recht spontan angefragt und durchgeführt, tagelang gab es Unklarheit über die Ausrüstung der Polizisten. Laut Regierung waren die Beamten in Zivilkleidung unterwegs, als Polizisten erkennbar, und sie trugen ihre Pistole verdeckt. Laut Beschuldigten waren die Waffen aber sichtbar. Außerdem drohte der Einsatzleiter offenbar, Wohnungen aufzubrechen, wenn die Beschuldigten diese nicht sofort öffneten. Zusätzlich wusste der Verfassungsschutz schon früher, dass gegen ihn ermittelt wird. Laut Justizminister Moser war die spontane Durchführung der Razzia nötig, damit keine Beweise vernichtet werden. Es gibt aber Zweifel, ob Beweise tatsächlich so rasch vernichtet werden können. Öffentlich sind momentan zwei Vorwürfe bekannt. Erstens Amts- missbrauch im Zusammenhang mit der Weitergabe nordkoreanischer Pässe, zweitens Delikte der Nichtlöschung von Daten.
Nordkorea ließ seine Pässe in Österreich produzieren. Das BVT gelangte an 30 Passmuster und gab drei davon an Südkorea weiter. Bei der Hausdurchsuchung wurden die 27 restlichen Pässe beschlagnahmt. Schon im Oktober berichteten STANDARD und Profil über die Passweitergabe, die als Grund für die Razzia genannt wird. Das Innenministerium soll die Angelegenheit bereits im Herbst ergebnislos geprüft haben.
Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sollen wichtige Informationen, die sie eigentlich hätten löschen müssen, weiter aufbewahrt haben. BVT-Chef Peter Gridling wird vorgeworfen, davon gewusst, aber keine Handlungen gesetzt zu haben. Dabei geht es unter anderem um Daten des prominenten Wiener Anwalts Gabriel Lansky und einer ehemaligen Politikerin. Offenbar hatte die Staatsanwaltschaft Angst, dass die angebliche Nichtlöschung der Daten vertuscht wird, indem Beschuldigte vor einer Razzia die Daten selbst aus der Ferne löschen.
Anonyme Anzeigen
Die Ermittler berufen sich auf anonyme Anzeigen, die schon im Sommer an Journalisten, Politiker und die Staatsanwaltschaft geschickt wurden. Wer sie geschrieben hat, ist unklar – Gerüchten zufolge soll ein hochrangiger Verfassungsschützer der Urheber sein. Teilweise konnten die Vorwürfe bereits durch journalistische Recherchen entkräftet werden. Zusätzlich erwähnt die Staatsanwaltschaft vier Zeugen, die sich ab 20. Jänner gemeldet haben.
Innenministerium mischt mit
Widersprüche gab es in der Frage, wie sehr das Innenministerium die Ermittlungen der Justiz befeuert hat. Später wurde bekannt, dass der Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, sowohl die anonymen An- zeigen als auch den ersten Zeugen an die Staatsanwaltschaft vermittelt hat. Die ersten zwei Zeugen erschienen bei der Staatsanwaltschaft in Begleitung eines Kabinettsmitarbeiters, der selbst als möglicher neuer BVT-Chef gehandelt wird.
Das Innenministerium sagt, dass es als Dienstbehörde verpflichtet war, mögliche Verfehlungen und Zeugen an die Staatsanwaltschaft zu melden. Oppositionsparteien werfen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) jedoch vor, die Affäre zu nutzen, um hochrangige Verfassungsschutzbeamte auszutauschen. Diese gelten vor allem als ÖVP-nahe, etwa Direktor Peter Gridling. Dessen „Bestallungsurkunde“– ein „Arbeitsvertrag“– war bereits von Bundespräsident Alexander Van der Bellen unterschrieben, vom Innenministerium jedoch nicht ausgehändigt worden. Nun wurde Gridling gleichzeitig wiederbestellt und suspendiert.
Ausblick
Am Montag gibt es eine Sondersitzung des Nationalrats, bei der sich Kickl und Moser den Fragen der Abgeordneten stellen müssen. In weiterer Folge dürfte es zu einem Untersuchungsausschuss kommen. BVT-Chef Gridling will gegen seine Suspendierung vorgehen. Außerdem haben Anwälte von Beschuldigten Beschwerden gegen die Razzia angekündigt. Über diese Beschwerden muss das Oberlandesgericht (OLG) Wien entscheiden.
Justizminister Moser hatte zuvor angedeutet, dass er die Hausdurchsuchung für verhältnismäßig halte, dass es also keinen Grund gebe, der Beschwerde stattzugeben. Das hat für Aufregung gesorgt, weil ein Minister den unabhängigen Gerichten nichts vorschreiben kann und darf. Der Wiener Oberlandesgerichtspräsident Gerhard Jelinek sagt zum STANDARD dazu: Was auch immer in der Öffentlichkeit gesagt werde – „das Gericht wird sich sicher nicht beeinflussen lassen.“ Wien – Dass die FPÖ den Innenminister stellt, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Die Neos vermuten allerdings, dass Minister Herbert Kickl selbst noch nicht verinnerlicht hat, dass er ein öffentliches Amt innehat. Sie haben eine parlamentarische Anfrage an Kickl gestellt, weil dieser die Facebook-Seite des Ministeriums für Parteiwerbung nutze.
Anlass sind zwei Postings des Innenministeriums (BMI) von Anfang Jänner. Da teilte das Ressort zuerst ein Video der FPÖ über die Regierungsklausur in der Steiermark, tags darauf einen Aufruf für ein Gewinnspiel: Wer mitmachte, konnte einen Platz am Tisch freiheitlicher Spitzenpolitiker beim FPÖ-Neujahrstreffen gewinnen.
Für Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper haben die Postings auf der Seite des Ministeriums – sie erreicht mehr als 20.000 Facebook-Nutzer – einen Wert für die FPÖ. Sie wollten wissen, ob die Partei für die reichweitenstarke Einschaltung bezahlt hat. Andernfalls käme das einer Spende des BMI an die FPÖ gleich. Die Antwort des Ministers: „Es wurden keine Zahlungen vorgenommen.“
Nach den beiden Postings im Jänner wurde die BMI-Seite in eine persönliche Seite Kickls umgewandelt – wo er Fotos von sich teilte, deren Rechte beim Ministerium liegen. Die Neos wollten deshalb ebenfalls wissen, ob Kickl für die Fotos auch bezahlt habe. Antwort: „Die geposteten Grafiken/Fotos wurden honorarfrei zur Verfügung gestellt.“
Neos-Abgeordnete Krisper vermisst die Trennung von Amt und Partei: „Da fehlt das Bewusstsein.“Das Ministerium erklärt in der Anfragebeantwortung, dass durch die Postings „keinerlei Kosten“entstanden seien. (sefe)