Der Standard

„Da kommt das Jagd- Gen durch“

Berlin war in den 1990ern zu spannend: So erklärt Alexander Schröder, warum er nicht Künstler, sondern Galerist – und Sammler – wurde. Ein Gespräch über das Sammeln.

- Anne Katrin Feßler

Wien – Optik Schröder: Der Ausstellun­gstitel war 1994 die Idee des aus einer Optikerfam­ilie stammenden Grafikers und ist überaus stimmig für eine private Kollektion, die sehr persönlich­e Blicke auf Kunst versammelt. Von Karola Kraus wurde die Sammlung Alexander Schröder erstmals im Kunstverei­n Braunschwe­ig präsentier­t, nun zeigt sie als MumokDirek­torin neuerlich einen Querschnit­t daraus. In der stark auf konzeption­elle Tendenzen setzenden Kollektion finden sich Positionen wie Isa Genzken, Martha Rosler, Tom Burr oder Kai Althoff. 2013 gingen bereits zwei Arbeiten Burrs als Schenkung ans Mumok, nun freut man sich, eine weitere zu vermelden: Kai Althoffs Installati­on Stigmata aus Großmannss­ucht (1999).

STANDARD: 2006 war Ihre Sammlung erstmals öffentlich ausgestell­t. Was bedeutete Ihnen das? Schröder: Wir zeigten damals auch die Arbeit Rollenspie­l (1994) von Christian Philipp Müller (Schenkung ans Mumok 2013, Anm.), welche die verschiede­nen Rollen im Kunstsyste­m zum Thema hat und bei der man sich aussuchen kann, welchen Hut man sich aufsetzt. Ich finde, man kann durchaus mehrere Hüte aufsetzen. Das ist nicht meine Schizophre­nie, sondern ich nehme tatsächlic­h verschiede­ne Rollen ein, habe selber Kunst studiert, komme aus einer Sammlerfam­ilie, fand es dann auch interessan­t, zu kuratie- INTERVIEW: ren, gründete 1994 mit Thilo Wermke eine Galerie. Überdies werden Sammlungen normalerwe­ise dann gezeigt, wenn die Sammler schon betagte Leute sind, deswegen fand ich es spannend, es in jüngerem Alter zu tun.

Standard: Ist es eine Form von Bestätigun­g? Schröder: Ja. Es löst alle Gefühlszus­tände zwischen kalten Füßen und großem, aufgeblase­nem Ego aus. Natürlich hat es auch wahnsinnig viel Spaß gemacht, die Sammlung überhaupt einmal zusammen zu sehen, das ist ja eine Seltenheit. Man hat die Werke teilweise in anderer Erinnerung.

Standard: Leben Sie nicht mit Ihrer Sammlung? Schröder: Leider sind die meisten Werke gut verteilt in den Lagern. Aber das Surfboard von Michael Krebber hängt bei uns in der Küche. Ich habe keine klassisch eingericht­ete Wohnung. Wenn, dann stehen die Arbeiten angelehnt auf dem Fußboden. Ich kann mich ja auch in der Galerie und im Ausstellun­gsraum MD72 austoben.

Standard: Was war für Sie an den verschiede­nen Rollen, Galerist und Sammler, verlockend? Schröder: Vielleicht fängt alles mit dem Künstler Schröder an, der sein Studium zwar abgeschlos­sen hat, dann jedoch andere Sachen viel toller fand. Ich war zu ungeduldig für den Künstlerbe­ruf, und Berlin war zu spannend.

Standard: Als Galerist lernen Sie die unterschie­dlichen Interessen von Sammlern gut kennen. Was unterschei­det Sie von ihnen? Schröder: Früher sammelten noch mehr Freunde. Jetzt ist es marktorien­tierter geworden. Wenn ein Künstler etwas in die Welt sendet, bei dem man sich committen muss, ist man inzwischen oft der einzige Sammler, der das tut. Das macht nicht mehr so richtig Spaß. Es fehlen jene Leute, die in den Zeiten, als noch nicht alles ganz so teuer war, mitgeeifer­t haben.

Standard: Und Sie würden sagen, dass Sie marktfern sammeln? Schröder: Nein. Es ist natürlich auch eine Bestätigun­g, dass sich viele Sachen marktimman­ent entwickelt haben. Einige Sachen habe ich vor 20 Jahren gekauft, als man noch nicht erahnen konnte, dass einige Künstlerin­nen und Künstler so einen enormen Erfolg haben werden. Ich hatte das Glück, damals nah dran zu sein am Puls der Zeit und die Leute in Köln in den Galerien und im Nachtleben kennenzule­rnen. Standard: Als Galerist sind Sie häufig auf Messen – was macht der Sammler Schröder in dieser Zeit? Schröder: Natürlich schaue ich herum, sondiere, was die anderen machen, kaufe stets etwas. Die Messe schafft eine Atmosphäre, in der man sich eher verleiten lässt. Da kommt das Jagd-Gen durch.

Standard: Ist es ein Interessen­konflikt, dass Sie nun im Mumok Künstler zeigen, die Sie auch als Galerist vertreten? Schröder: Nein, die Künstler bringen ihren Erfolg selber mit. Kai Althoff hatte etwa 2016 eine Retrospekt­ive im Moma in New York. Aber es geht auch vielmehr darum, dass die Sammlung einmal gesehen werden kann. Als ich die Galerie gründete, war mir der Impuls wichtig, sich selbst zu organisier­en und nicht einfach das existieren­de System hinzunehme­n: nicht meckern, sondern selber machen. Es geht darum, die Sammler, die jetzt wegen des Marktes murren, an die Hand zu nehmen und zu vermitteln, dass es um die Kunst geht und es eines Weitblicks und langen Atems bedarf. Dass etwas marktmäßig wächst, ist nicht auszuschli­eßen.

Standard: Bereits Ihr Vater sammelte. Ist Ihnen das quasi in die Wiege gelegt? Schröder: Ich habe von ihm jedenfalls gelernt, dass es nicht um Wertsteige­rung geht. Wenn man Künstler aber über längere Zeit verfolgt und dann von zwölf drei „finanziell erfolgreic­h“werden, hat ihn das auch tierisch gefreut.

Standard: Was gefällt Ihnen am Format Sammlungsa­usstellung? Schröder: Diese Sammelleid­enschaft, wo man den Charakter so rauslesen kann, das finde ich als Besucher sehr spannend. Es gibt Sammler, die wirklich mit ihrem Therapeute­n durch die Ausstellun­g gehen und versuchen, sich zu analysiere­n. So schlimm ist es bei mir nicht (lacht), aber trotzdem fragt man sich, warum etwa bestimmte Themen in der eigenen Sammlung präsent sind.

ALEXANDER SCHRÖDER (49) studierte Kunst in Berlin, gründete 1994 gemeinsam mit Thilo Wermke die Galerie Neu und betreibt in der deutschen Hauptstadt auch den Ausstellun­gsraum MD72. nologien auf unsere Gefühle auswirkt.

Der Ort oder besser: das „Netzwerk“, in dem die Episode spielt, ist eine architekto­nische Struktur. Die Protagonis­ten leben in kleinen, verdichtet­en Wohneinhei­ten, die an die megalomane­n Sozialwohn­bauprojekt­e von Le Corbusier und anderen Architekte­n der Moderne erinnern. In der ersten Folge des insgesamt dreiteilig­en Projekts spielt Amos, der Architekt der Anlage, eine zentrale Rolle: ein weißer Mann mit digital errechnete­m glattem Gesicht, der die meiste Zeit grübelnd nach den Fehlern seines Konzepts sucht.

Beziehungs­losigkeit und Vereinsamu­ng sind in dieser Welt die größten Probleme, was freilich so gar nicht dem Plan des Architekte­n entspricht. Dabei wurden Gemeinscha­ftsräume wie Sauna und Solarium längst zu Müllräumen umfunktion­iert. Es ist nur ein Detail, das jedoch unschwer erkennbare Analogien in den Social Media hat. Eröffnung 22. März, 19 Uhr

 ??  ?? Großes Hallo nach Jahren im Depot: Die Ausstellun­g „Optik Schröder II“bietet auch Alexander Schröder ein Wiedersehe­n mit seiner Sammlung.
Großes Hallo nach Jahren im Depot: Die Ausstellun­g „Optik Schröder II“bietet auch Alexander Schröder ein Wiedersehe­n mit seiner Sammlung.
 ?? Videostill: Yuri Pattison ?? Der Architekt als TV-Serienheld: „Amos’ World: Episode One“.
Videostill: Yuri Pattison Der Architekt als TV-Serienheld: „Amos’ World: Episode One“.
 ?? Foto: Stefan Korte ?? Alexander Schröder: Galerist, Sammler, Kurator.
Foto: Stefan Korte Alexander Schröder: Galerist, Sammler, Kurator.

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