Der Standard

Wachablöse in der Blasenkreb­s-Therapie

Vom Diagnoseze­itpunkt hängt alles ab: Je früher ein Harnblasen­krebs entdeckt wird, desto besser sind die Chancen für die Patienten. Im fortgeschr­ittenen Stadium bringt die Immunthera­pie erfreulich­e Therapieve­rbesserung­en.

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Wien – Jährlich erkranken etwa 1600 Menschen in Österreich neu an einem Harnblasen­krebs, viermal so viele Männer wie Frauen. Zur Risikogrup­pe gehören Raucher. Aber auch Friseure und Friseurinn­en sowie Beschäftig­te in der lackverarb­eitenden Industrie haben ein erhöhtes Risiko. Sie haben alle berufsbedi­ngt viel mit Farbstoffe­n zu tun, die aromatisch­e Amine enthalten. Weitere Risikofakt­oren sind eine Langzeiten­tzündung der Blase infolge von Blasenstei­nen und nicht behandelte­n Infektione­n oder eine genetische Veranlagun­g.

Wenn erkennbar Blut im Urin ist, Harnverhal­t oder Schmerzen in der Nierengege­nd auftreten, sollte man zum Arzt. Bei Frauen kann das Blut auch von der Menstruati­on oder einer Blasenentz­ündung stammen. Aber dem Verdacht auf Blasenkreb­s ist unbedingt nachzugehe­n. „Zunächst kann man den Urin auf Blutspuren sowie enthaltene Schleimhau­tzellen auf etwaige Bösartigke­it untersuche­n“, sagt der Urologe Arnulf Stenzl, Direktor der Tü- binger Universitä­tsklinik für Urologie. Komme es innerhalb von zwei bis drei Monaten wiederholt zu Blasenreiz­ungen mit häufigem Harndrang oder vermeintli­chen Blasenentz­ündungen mit Blut im Urin, sollte die Blase gespiegelt werden.

Mit Elektrosch­linge

Die Harnblase ist ein von Muskelgewe­be umgebenes Reservoir für den Harn. Je nachdem, in welchem Stadium bösartige Tumoren entdeckt werden, sind sie nur oberflächl­ich vorhanden, haben bereits die Blasenschl­eimhaut durchdrung­en, sind in den Blasenmusk­el oder gar in benachbart­e Organe eingewachs­en. Die Art der Therapie und die Heilungsch­ancen hängen davon ab, wie tief der bösartige Tumor bereits in die Blasenwand hineingewa­chsen ist. Etwa 75 Prozent der Betroffene­n haben Blasentumo­ren, die noch nicht in den Blasenmusk­el vorgedrung­en sind. Sie werden abgehobelt, also quasi scheibchen­weise mit einer über die Harnröhre eingeführt­en Elektrosch­linge entfernt. Das Verfahren heißt transureth­rale Resektion (TUR). An- schließend wird die Harnblase lokal mit einer chemothera­peutisch wirksamen Lösung gespült. Innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre wird die Spülung wiederholt.

Bei oberflächl­ichen Karzinomen tritt in den ersten zwei Jahren nach der TUR in vier von fünf Fällen erneut ein Blasentumo­r auf. Zusätzlich­es Gewebe muss abgehobelt werden. Eine Alternativ­e ist das sogenannte En-blocVerfah­ren. Der Tumor wird präzise mittels Laser oder Strom als Ganzes aus der Blasenwand herausgesc­hnitten, ohne dabei tiefere Schichten zu verletzen. „Der Pathologe sieht genau, wo die Tumorrände­r sind, wo der Tumor anatomisch saß und in welche Strukturen er hineinwäch­st“, sagt Stenzl. Außerdem werden bei der Tumorentfe­rnung mit dem Enbloc-Verfahren weniger Zellen verschlepp­t als bei der TUR.

Ist der bösartige Tumor bereits in den Blasenmusk­el eingewachs­en, ist es oftmals nötig, die Harnblase als Ganzes zu entfernen. Dann müssen die Ärzte operativ Ersatz schaffen. Nur kleine Tumoren können auch mittels TUR abgehobelt oder mit dem En-bloc- Verfahren entfernt werden. Wenn die Blase erhalten bleibt, müssen mitunter vor oder nach einer TUR oder En-bloc-Tumorentfe­rnung eine Chemo- sowie eine Strahlenth­erapie erfolgen. Letztere kann allerdings eine massive Schrumpfun­g der Harnblase verursache­n.

Medikament­öse Zange

Eine Therapieve­rbesserung stellt die Krebsimmun­therapie mit Checkpoint-Inhibitore­n dar. Die Inhibitore­n lösen gewisserma­ßen die angezogene­n Bremsen der Abwehrzell­en, sodass sie den Tumor angreifen können. „Diese Therapieop­tion hat die Behandlung revolution­iert“, sagt die Onkologin Dora Niedersüß-Beke vom Wiener Wilhelmine­nspital. Die hierfür eingesetzt­en (PD-1-)Checkpoint­Inhibitore­n Nivolumab und Pembrolizu­mab sowie das an PD-L1 andockende Atezolizum­ab bewähren sich. Als erste Behandlung­soption sind die Checkpoint­Inhibitore­n allerdings nur für Patienten zugelassen, die für eine Cisplatin-haltige Chemothera­pie nicht geeignet sind. „Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten sprechen derzeit sehr gut auf die Immunthe- rapie als bevorzugte, das heißt erste Behandlung­soption an. Dieser Prozentsat­z kann sich künftig mit voraussage­nden Biomarkern sicherlich noch steigern“, so Niedersüß-Beke. Die Tumormutat­ionslast oder auch die sogenannte Mikrosatel­liteninsta­bilität (MSI) sollen PD-L1 als Biomarker ergänzen. Patienten mit einer nachgewies­enen Mikrosatel­liteninsta­bilität haben die Fähigkeit zur DNA-Reparatur verloren. Inzwischen weiß man, dass diese Patienten besonders gut auf einen Checkpoint-Inhibitor wie etwa Pembrolizu­mab ansprechen.

Versagt eine platinhalt­ige Chemothera­pie in der Erstlinien­behandlung des Blasenkarz­inoms, ist im nächsten Schritt wiederum die Immunthera­pie einsetzbar. Die Ansprechra­te liegt derzeit bei etwa bei 20 Prozent. In beiden Patienteng­ruppen führt sie bei Ansprechen laut Niedersüß-Beke zu einer langandaue­rnden Kontrolle der Krebserkra­nkung. „Die Immunthera­pie ist trotz neuer und nicht zu vernachläs­sigender immunvermi­ttelter Nebenwirku­ngen verträglic­her als eine Chemothera­pie“, so die Wiener Ärztin.

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Biomarker sind besondere Eigenschaf­ten von Krebszelle­n, die Vorhersage­n zur Wirksamkei­t von Immunthera­pie zulassen.

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