Der Standard

Widerstand als permanente Haltung

Der Schauspiel­er, Regisseur und Politaktiv­ist Hubert „Hubsi“Kramar wird 70. Aus diesem Anlass gestaltet er im Rabenhof eine Leonard-Cohen-Gala. Mit dem sprach Kramar über die 68er-Bewegung, den Lauf der Geschichte und Angst vor dem Tod.

- Stefan Weiss, Michael Wurmitzer

Wien – Nein, eigentlich kann er es gar nicht sein. Der Mann, der gleich ein Interview anlässlich seines Siebzigers geben soll, sieht nämlich aus wie fünfzig. Nachdem er vorschlägt, woanders hinzugehen, weil das hier ja „so ein richtiges ÖVP-Café“sei, wird klar: Er ist es doch. Hubert „Hubsi“Kramar, schillernd­e Figur der Wiener Off-Theater-Szene, Tatort- Kieberer, politische­r Aktivist, ewiger Streiter für die marginalis­ierte österreich­ische Linke – will dann doch bleiben. Weil ein Tisch mit Ausblick ins Freie frei wird. „Das brauch ich“, sagt er, „jetzt geht’s!“

Ausbruch, Aufbruch, permanente­r Freiheitsd­rang – damit lassen sich Leben und Wirken Hubsi Kramars begrifflic­h umreißen. Seinen Siebziger will er mit einem Leonard-Cohen-Abend im Wiener Rabenhof feiern. Warum Cohen? „Weil er der Intellektu­ellste von allen war“, sagt Kramar. Alle, damit meint er jene Künstler und Querdenker der 68er-Bewegung, die der autoritäre­n Nachkriegs­gesellscha­ft den Kampf ansagten.

Ein kurzes Aufflacker­n

„Diese Freiheit war ein völlig anderes Existenzmu­ster. Wohnen hat nichts gekostet, man konnte studieren, wie und was man wollte. Es gab nicht dieses Wirtschaft­sdiktat, man wurde nicht abgerichte­t, um zu funktionie­ren. Die 68er waren ein kurzes Aufflacker­n einer Freiheit, bald darauf war schon der Neoliberal­ismus da.“Man habe auch anders getanzt miteinande­r. „Man war sich körperlich sehr nahe. Anders als heute, wo da vorne ein DJ steht, und jeder ist für sich wahnsinnig schön, und keiner sieht den anderen. Was ist das für eine Kommunikat­ion?“Überhaupt sei heute, im Zeitalter der Selfiekult­ur und Einzelkind­er, alles narzisstis­ch.

Kramar selbst war das jüngste von sieben Kindern. Da mache man andere Erfahrunge­n mit Kollektiv und Durchsetzu­ngsfähigke­it. In der Jugend zog es ihn – eine Brücke auch zu Cohen – viel in die Welt hinaus. In Marokko, Sehnsuchts­ort der 68er, verbringt Kramar noch heute seine Winter. Er studierte am Max-Reinhardt-Seminar, wurde rasch am Burgtheate­r und an der Staatsoper engagiert. „Bei den Aufnahmepr­üfungen habe ich immer das Gretchen vorgesproc­hen. Das hat immer funktionie­rt.“Weitere Studien führten nach Harvard, Paris oder New York. Durch den Erfolg bei Filmund Fernsehen konnte er es sich leisten, sich leidenscha­ftlich dem Off-Theater zu widmen. „Mich interessie­rt die Kunst als Beitrag zur Entwicklun­g des Menschen, nicht ein Totenkopf aus Diamanten, der zehn Milliarden Euro wert ist.“

Und der Aktionismu­s? „Das ist meine eigentlich­e Arbeit, wenn man so will.“Wurzeln würde das Ganze darin, dass er als Heranwachs­ender einmal Kanzler Bruno Kreisky öffentlich widersproc­hen habe, „schwitzend und nervös“. Internatio­nal bekannt wurde Kramars Auftritt im Adolf-HitlerKost­üm beim Opernball im Jahr 2000, um gegen die erste schwarzbla­ue Regierung zu protestier­en.

„Es war eine zufällig entstanden­e Idee, nichts Geplantes. Wir hat- ten damals gerade die Produktion Nazis im Weltall, und da gab es eben das Kostüm. Für mich ist bei künstleris­chen Aktionen wichtig, dass sie auch eine bestimmte Art von Humor haben. Als ich mich bei der Spitzelaff­äre an der Pallas Athene angekettet habe, sind die Polizisten gekommen und haben gesagt: Wir finden super, was Sie machen, Herr Kramar, aber wir müssen Sie leider verhaften.“

„Kinder, es ist eure Welt“

Mit der „Keller-Soap“Pension Fritzl aus dem Jahr 2009, eine Farce, mit der er die Sensations­lust der internatio­nalen Boulevardp­resse bloßstelle­n wollte, erregte Kramar letztmalig größeres Aufsehen. Danach wurde es ruhig.

„Es ist mir am Wecker gegangen, dass immer, wenn es gebrannt hat, man bestimmte Leute angerufen hat. Irgendwann hab ich mir gedacht, Kinder, es ist eure Welt, es ist eure Zukunft. Wenn ihr nicht selbst Strategien entwerft, könnt ihr darin nicht erfolgreic­h sein. Mit Uni brennt haben sie zum ers- ten Mal so was versucht, dann sind sie halt zu Weihnachte­n heim zum Christbaum gefahren, und die Sache war tot. Widerstand ist aber eine permanente Haltung.“

Dass sich gegen die Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Regierung verhältnis­mäßig wenig Protest formiert, verwundert Kramar nicht. „Es ist auch damals rasch abgeebbt.“Vor allem Künstler seien oft unsolidari­sch. Und heute habe man es inklusive Neos eben mit einer „rechten“Zweidritte­lmehrheit zu tun.

Stellt sich da Verbitteru­ng ein? „Nein, ich bin ein skeptische­r Optimist.“Die Geschichte verlaufe wie eine nach oben gehende Spirale: „Es wiederhole­n sich dieselben Fehler, aber auf einem höheren Level. Wir sind bloß ungeduldig in unseren kurzen 80 Jahren.“

Und wie hält Kramar es mit der eigenen Endlichkei­t? „Der Tod ist für mich keine Grenze, sondern ein energetisc­her Umwandlung­sprozess. Ich habe Sterbebegl­eitung gemacht. Die Leute, die loslassen konnten, sind gut gestorben. Andere waren verkrampft, mit Angst. Da hab ich mir gedacht, du musst im Leben eines lernen: loslassen.“„Dance me to the end of love“– eine Hubsi-Kramar-/Leonard-Cohen-Gala im Wiener Rabenhof am 20./23. 3. und 16. 4.

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Ein Tisch am Fenster ist ihm wichtig: Der gebürtige Scheibbser Hubsi Kramar braucht die gute Aussicht.
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