Opulenter Kunstbesitz
Fiskus dürfte Erben des Couturiers Givenchy zur Versteigerung zwingen
Ob, ist nicht die Frage. Auch nicht, über wen zumindest Teile, wenn nicht die gesamte Sammlung an Kunstwerken und Antiquitäten aus dem Besitz von Hubert de Givenchy versteigert wird. Einzig der Zeitpunkt ist ungewiss. Das Rätselraten darüber begann – charakteristisch für die Chronisten des Kunstmarktes –, kaum waren die ersten Nachrufe auf den legendären Modedesigner vergangenes Wochenende publiziert worden.
Christie’s ist jenes Auktionshaus, dem Givenchy seit Jahren nahe stand. Von 1998 bis 2002 fungierte er als Ehrenpräsident von Christie’s Frankreich. Und immer wieder ließ er über die Niederlassung in Paris das eine oder andere versteigern – im März vergangenen Jahres etwa 21 Bronzeobjekte, die Diego Giacometti, der Bruder des Bildhauers Alberto, für ihn geschaffen hatte. Der Couturier schätzte die klare Formensprache des Designers, sieht man von der engen Freundschaft ab, die sie seit den 1960er-Jahren bis zu Giacomettis Tod 1985 verband.
Mit 32,74 Millionen Euro spielten diese Objekte ein Vielfaches der ursprünglichen Erwartungen ein. Bei Givenchys Nachlass geht es freilich um sehr viel mehr angesichts der Menge an Objekten, die sein Refugium auf Cap Ferrat, seinen Landsitz oder sein Stadthaus in Paris weniger schmückten als füllten.
Da drängt sich der Vergleich mit der Rekordsause aus dem Jahr 2009 auf, als Christie’s 700 Exponate aus der von Yves Saint Laurent und seinem Lebensgefährten Pierre Bergé über Jahrzehnte aufgebauten Sammlung standesgemäß im Grand Palais versteigerte. Der damals lukrierte Umsatz belief sich auf stattliche 374 Millionen Euro. Vordergründig ein Geldsegen für Bergé, tatsächlich musste er als Haupterbe Saint Laurents die Forderungen des französischen Fiskus bedienen.
55 Prozent vom Nettovermögen
Und die sind, sieht man vom Freibetrag bei Verwandten der direkten Linie ab (seit 2012: 100.000 Euro), stattlich. Bei Vermögen von mehr als 1,8 Millionen Euro liegt der anwendbare Steuersatz für Ehe- oder Lebenspartner und Kinder bei 45 Prozent sowie bei 55 Prozent für Verwandte bis zum vierten Grad. Givenchys Lebensgefährte Philippe Venet, ebenfalls Designer, sowie seine Nichten und Neffen sind damit wohl zur Versilberung ihres Erbes gezwungen. Darunter dürfte auch die Liegenschaft in Romilly-sur-Aigre, 150 Kilometer südwestlich von Paris, gehören: Château du Jonchet aus dem 17. Jahrhundert. Dort, wo Givenchys Labradors ihre ewige Ruhe fanden, deren Gräber individuell von Diego Giacometti modellierte Skulpturen zieren. (kron)
Von Wien ins niederbayerische Pocking nach Maastricht am südöstlichen Zipfel der Niederlande: Das ist die jüngere Route eines Möbels, die mit einer Wertsteigerung verbunden ist, über die nicht alle Involvierten jubeln dürften. Ein Schreibtisch von dem nach seinem zylindrisch gewölbten Rollverschluss benannten Typ „Zylinder-Bureau“, der im April 2017 im Dorotheum versteigert wurde. Als „Modellvariante nach David Roentgen“, datiert Mitte des 19. Jahrhunderts und damit als Nachbau eines Schreibmöbels aus der für feinste handwerkliche Ausführung bekannten Werkstatt Roentgens klassifiziert.
Der Schätzwert hatte sich deshalb nur auf 8000 bis 12.000 Euro belaufen. Den Zuschlag erteilte das Auktionshaus jedoch erst bei 56.250 Euro (inkl. Aufgeld). Man ahnt, der Käufer dürfte nicht der Einschätzung der Dorotheumsexperten, sondern auf seine Erfahrung und sein Fachwissen vertraut haben: Peter Mühlbauer, ein deutscher Kunsthändler.
Ihm liegt mittlerweile ein Gutachten von Achim Stiegel, dem Roentgen-Experten der Staatlichen Museen zu Berlin, vor. Demnach sei die Herkunft aus der von 1742 bis 1795 produzierenden Roentgen-Werkstatt aufgrund charakteristischer Merkmale zweifelsfrei belegt. Die Dorotheumstrouvaille soll im Winter 1785 Teil einer Lieferung an den russischen Hof gewesen sein. Später gelangte sie in den Besitz einer aristokratischen Familie aus Österreich.
Von der Schmutzpatina befreit, die feuervergoldeten Bronzebeschläge aufpoliert, buhlt das Möbel jetzt im Zuge der Tefaf, der wichtigsten und größten Kunstund Antiquitätenmesse weltweit, um die Gunst vermögender Privatsammler oder Museumskuratoren. 320.000 Euro lautet der aktuelle Verkaufspreis. Interesse gebe es bereits, erklärt Mühlbauer. Kein Wunder, es entspricht exakt jener Qualitätsklasse, für die Sammler aus der ganzen Welt eigens nach Maastricht reisen.
Beute hoher Güte
Schließlich gibt es weltweit kein vergleichbares Format, das mit einer solchen Bandbreite an Kunst und Handwerk über mehrere Epochen in der gebotenen Güte aufwarten kann. Sieht man von den jüngeren Tefaf-Ablegern in New York ab: im Mai (4.–8. 5.) fokussiert man dort auf die Warengruppe Modern und Contemporary Art & Design, im Oktober (27.–31. 10.) liegt der Schwerpunkt auf bildender Kunst und Decorative Art von der Antike bis 1920. Ein Paradies für Connaisseurs, das zuletzt mit dem enormen Besucherandrang zu kämpfen hatte. Insbesondere am Vernissagetag, dem aufgrund der Massen von zuletzt knapp 12.000 Gästen immer öfter wichtige Kunden und potenzielle Käufer fernblieben, wie viele der Teilnehmer monierten. Nach Jahren der Kritik gab es heuer erstmals zwei Eröffnungstage.
Der erste war den absoluten VIPs vorbehalten, für die jeder Aussteller zehn Karten in seinem Package inkludiert hatte. Weitere mussten zugekauft werden: um 260 Euro je Ticket. Ein Kostenfaktor, der immerhin für etwa 1000 Klienten in Kauf genommen wurde. Eine Maßnahme, die sich unterm Strich bezahlt machte, wie Aussteller auch anhand ihres Verkaufsstaccatos bestätigen.
Das Business steht hier im Vordergrund, wenngleich interessiertes Publikum willkommen bleibt. Denn auch für dieses lohnt ein Abstecher nach Maastricht. Und sei es nur, um Meisterwerk zu bestaunen oder den zugehörigen Geschichten der Kunsthändler zu lauschen. Etwa über Édouard Vuillards unerfüllte Liebe zu Misia, die als Muse und Modell diversen Künstlern den Kopf verdrehte. Im Falle Vuillards über Jahrzehnte, betont Thomas Salis (Salzburg). Davon zeugen eine frühe Porträtstudie (485.000 Euro) und ein von ihr dominiertes Interieur ( Les Tasses Noires, 1925) in seinem Angebot. Letzteres kostet eine Million und dürfte wohl in das Beuteschema von Peter Doig, einem bekennenden Vuillard-Fan, fallen.
Bewunderer von Henri Matisse werden wiederum beim Fotospezialisten Johannes Faber (Wien) fündig. Eine Aufnahme von Brassaï, die den Künstler 1939 mit einem Aktmodell in seinem Atelier zeigt (18.300). Auf der Staffelei steht ein unfertiges Stillleben, bei dem es sich um jenes im Bestand des Centre Pompidou handeln könnte.