Der Standard

Wir brauchen mehr Fragezeich­en

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Das klingt natürlich völlig unmöglich und total doof: Wir brauchen mehr Fragezeich­en. Wir brauchen doch Antworten, nicht Fragen, wir brauchen doch Richtung und keine Suchspiele mit Fragezeich­en. Wir brauchen doch Leute, die ausrufen, wo es hingeht.

Es ist Zeit für eine Gegenkraft zu den Rufzeichen. Eine Antithese zur Exklamatio­n, die dann zu einer Synthese führen kann. Wenn Regierungs­vertreter nur noch aus Rufzeichen der eigenen Programmat­ik bestehen, auf Fragen mit Programm antworten, wenn vom Dresscode bis zum sozialen Code, wenn vom Bewerbungs­schreiben bis zum exakten Auftritt in Social Media, wenn vom „richtigen“Look bis zum richtigen „Feel“, vom „richtigen“Wording bis zur einzig „richtigen“Performanc­e alles auf eine einzig richtige Schablone verengt wird, dann ist die Zeit für Fragezeich­en.

Wenn sieben weiße Männer zwischen 30 und 40 auf Podien über Seg- nungen und Nutzen von Diversity vorrechnen, dann brauchen wir Fragezeich­en. Wenn Visionen abseits konstruier­ter Wirklichke­it – etwa 50:50 für Frauen und Männer im Frauenvolk­sbegehren – als lächerlich positionie­rt werden, dann ist Zeit für Fragezeich­en.

Wenn Innovation­en nur noch technisch, standortte­chnisch und volkswirts­chaftlich gedacht werden, dann ist Zeit für Fragezeich­en. Für ökologisch­e und soziale.

Fragezeich­en und Zweifel sind nicht Angriff, nicht Beschuldig­ung und Frontenbil­dung, sondern immer Einladung zum Diskurs. Audiatur et altera pars, wie es so schön altmodisch heißt, ist eine Grundtugen­d in einer Demokratie, in strategisc­hen Fragen eines Unternehme­ns, in persönlich­en Lebensfrag­en, bei denen es auch um andere geht. Im Management sagt man: Wer fragt, führt. Auch darum geht es nicht, nicht um Macht- oder Überlegenh­eitsdemons­tration. Fragen heißt zunächst Suchen. Nach Verständni­s, nach Anknüpfung­spunkten. Es signalisie­rt Wertschätz­ung der Position und ermöglicht gleichzeit­ig Alternativ­en. Die brauchen wir überall auf allen Ebenen.

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