Der Standard

Eine grüne Fassade reicht nicht mehr

In London entsteht ein riesiges Holzgebäud­e, Fenster können heute Energie erzeugen. Nachhaltig­keit kommt an – bleibt aber oft ein leeres Verspreche­n, wie auf der Immobilien­messe Mipim jüngst kritisiert wurde.

- Franziska Zoidl aus Cannes

Anfang März ist die Côte d’Azur noch im Winterschl­af. Manche Hotels haben geschlosse­n, viele der Boote, die im Sommer die Küste entlangsch­ippern, sind noch eingewinte­rt. Aber wenn die Immobilien­messe Mipim in Cannes über die Bühne geht, dann ist es mit der Ruhe vorerst vorbei.

Dann sind die Cafés an der Croisette für wenige Tage mit Anzugträge­rn prall gefüllt, selbst der Bouleplatz beim Alten Hafen wird zum Netzwerken genutzt.

Und während sich draußen an der Croisette die Autokolonn­en im Schritttem­po vorbeischi­eben und an der Promenade die Yacht manches Immobilien­unternehme­ns vor Anker geht, wird im Inneren des Palais des Festivals immer lauter über Nachhaltig­keit gesprochen – etwa was Architektu­r und Stadtplanu­ng betrifft.

Die Green Planet Architects – ein Netzwerk von Architekte­n, die sich der Nachhaltig­keit verschrieb­en haben – waren heuer bereits zum dritten Mal mit dabei. Nun bemerke man aber ein wachsendes Interesse, berichtete Arlin A. Morales Lemus, Vizepräsid­entin der Plattform, die mehr als 400 Mitglieder in 80 Ländern hat.

Ihre Überlegung­en: „Die meisten Menschen verbringen 90 Prozent ihrer Zeit im Inneren von Gebäuden. Wir sollten uns also wirklich über die Qualität des Gebäudeinn­eren Gedanken machen.“

Auch wenn Nachhaltig­keit bei neuen Gebäuden heute vielerorts verlangt wird, bleibe es oft bei der „grünen Fasade“, kritisiert­e Roy E. Den Hoed, Präsident der Green Planet Architects. Dabei müsse Nachhaltig­keit schon bei der Planung anfangen: „Es geht zum Beispiel darum, sich zu überlegen, wie möglichst viele Bereiche des Gebäudes vom Tageslicht profitiere­n können“, erklärte Architekti­n Morales Lemus.

Auch die das Gebäude umgebende Vegetation, Schatten, Wind und Regenwasse­r müssten in die Planung einfließen. „All das sind Ressourcen, die genutzt werden können – und die gratis sind“, betonte Den Hoed.

Der Weg ist aber noch ein weiter – obwohl die Messeveran­stalter Nachhaltig­keit zum heurigen „Topthema“erkoren haben. „Es ist eine Schande, dass nachhaltig­e Ideen auf der Mipim nicht sichtbarer sind. Da hinkt man wirklich dem Trend hinterher“, so Den Hoed. Er wünscht sich für 2019, dass entspreche­nde Konzepte und Firmen einen eigenen Bereich in der Messehalle bekommen und so auf einen Blick sichtbar sind.

Kandidaten für diesen Bereich gäbe es bei näherem Hinschauen genug: Das niederländ­ische Startup Physee etwa, das bei der vor einer Live-Jury stattfinde­nden „Startup-Competitio­n“(bei der mit PlanRadar auch ein österreich­isches Proptech am Start war) den dritten Platz belegte. Physee verkauft Fenster, die Licht in Elektrizit­ät verwandeln – und bei Bestandsob­jekten die Energieeff­izienz um 20 Prozent steigern können. Auch das Projekt Dalston Lane, das in London entstehend­e weltgrößte Gebäude aus Brettsperr­holz, würde dazupassen.

Was die Immobilien­branche sonst beschäftig­t: Core-Immobilien sind weiter knapp, nicht ganz alltäglich­e Immobilien wie Rechenzent­ren rücken in den Fokus von Investoren. In dem Bereich gebe es mittlerwei­le spezielle Anbieter, erklärte Jan Bärthel, Geschäftsf­ührer des Beratungsu­nternehmen­s Wüest Partner dem Standard. „Gefährlich wird es aber, wenn jemand auf eine Nische ausweicht, in der er sich nicht auskennt.“

Zweifel am Sinn der Messe

Ganz allgemein wird die Stimmung aber als eher ungefährli­ch bewertet: „Alle tanzen noch Walzer“, sagte Martin Sabelko, Geschäftsf­ührer des Österreich­Standorts der Warburg-HIH Invest. „Manche tanzen aber schon ein bisschen näher beim Ausgang.“Nachsatz: „Wobei die Tür noch gar nicht offen steht.“

Auch wenn es heuer ein bisschen ruhiger schien als in den letzten Jahren. Das mag zum Teil dem frühlingsh­aften Wetter geschuldet sein. Immer öfter werde aber auch überlegt, ob sich ein Messebesuc­h noch auszahlt, berichtete­n manche.

Allerdings lässt es sich in der Frühlingss­onne von Cannes vortreffli­ch netzwerken. Auch wenn viele Treffen im Voraus geplant sind – auch spontane Begegnunge­n haben schon zu Deals geführt. Und darum geht es ja.

Nun ist der Immobilien­zirkus wieder weitergezo­gen. Und Cannes darf durchatmen, bevor die Sommergäst­e kommen.

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Netzwerken war an der Côte d’Azur wieder angesagt – zumindest bis Mittwoch spielte auch das Wetter mit.

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