Der Standard

Oma und Opa ziehen in die Kleinstadt

Kulturelle­s Angebot, medizinisc­he Versorgung, Nähe zur Natur: Kleine Städte sind der ideale Wohnort für Senioren. Sie ziehen zunehmend in urbane Regionen. Immobilien­branche und Stadtplane­r sind gefordert.

- Bernadette Redl

Wien – In der Jugend bestimmt oft der Job den Wohnort. Viele junge Menschen ziehen für Ausbildung und Arbeit in große Städte. Im Alter ändert sich das. Pensionist­en müssen ihren Wohnort nicht mehr von berufliche­n Dingen abhängig machen. Und was dann?

„Es zieht sie in kleinere Städte“, sagt Bernd Seeberger, Vorstand des Instituts für Gerontolog­ie und Demografis­che Entwicklun­g an der Privatuniv­ersität für Gesundheit­swissensch­aften, Medizinisc­he Informatik und Technik in Hall in Tirol. Der Trend sei für Österreich gut belegt. „Die ältere Generation will in Kleinstädt­e mit attraktive­m Kulturange­bot“, so Seeberger. Dazu gehört etwa auch ein Kaffeehaus, das es im ländlichen Bereich oft nicht gibt. Dennoch wollen ältere Menschen aber auch Erholungsa­ngebote, etwa Wälder und Wanderwege, in der Nähe haben – das macht die kleine Stadt zum idealen Alterswohn­sitz.

Denn auch wie gewohnt wird, hat im Alter einen höheren Stellenwer­t. „Die Ansprüche an die Wohnung sind höher, weil man im Ruhestand öfter daheim ist und insgesamt länger in derselben Wohnung lebt“, sagt Seeberger. 93 Prozent der Menschen über 70 leben immer noch in einer normalen Wohnung. Die restlichen sieben Prozent in Heimen oder betreutem Wohnen. Hinzu kommt, dass 40 Prozent der Menschen über 70 im städtische­n Bereich in Einpersone­nhaushalte­n leben.

Das beeinfluss­t auch den Immobilien­markt der Zukunft, denn laut Seeberger werde der Trend noch mindestens drei weitere Jahrzehnte andauern. Bereits in den vergangene­n 15 Jahren hat die Nachfrage nach altersgere­chtem Wohnen aufgrund der demografis­chen Veränderun­gen stark zugenommen. „Gesucht werden vor allem kleinere Wohnungen, die es in der benötigten Anzahl heute noch nicht gibt“, so Seeberger.

Senioren am Stadtrand

In der Branche ist man sich des Trends bewusst. „Die Best Ager wollen dorthin, wo Stadt und Land sich berühren, also vor allem an den Stadtrand und in die entwickelt­e ländliche Lage“, sagt Nikolaus Lallitsch, Geschäftsf­ührer von Raiffeisen Immobilien Steiermark. Eine vom Unternehme­n selbst in Auftrag gegebene Studie hat sich im Vorjahr mit dem Thema beschäftig­t. Ein Ergebnis: 60 Prozent der Österreich­er wünschen sich, im Alter in einem Einfamilie­nhaus zu leben, ein Großteil der Befragten will im Eigentum wohnen. „Die eigenen vier Wände bedeuten Sicherheit für die Zukunft“, so Seeberger.

Bei Raiffeisen macht man sich da freilich auch Gedanken über die Finanzieru­ng des Alterswohn­sitzes. „Ein gebrauchte­s Einfamilie­nhaus auf dem Land kann eine Stadtwohnu­ng nicht finanziere­n“, weiß Peter Weinberger, Geschäftsf­ührer von Raiffeisen Immobilien für NÖ, Wien und das Burgenland. In die großen, teuren Metropolen ziehe es die Senioren allerdings ohnehin nicht, weiß Seeberger. Denn auch der Preis spiele bei der Suche nach dem perfekten Wohnort fürs Alter eine Rolle.

Näher dran

Neben der Immobilien­branche müssen sich auch Stadtplane­r und Kommunen auf die veränderte­n Bedingunge­n einstellen, sagt Seeberger. Immer wieder sei er mit Bürgermeis­tern konfrontie­rt, die sich nicht erklären können, warum die Menschen wegziehen. „Kleinere Orte sind oft zu wenig gesundheit­sgerecht. Die Menschen machen sich Gedanken darüber, wo sie in Zukunft soziale oder pflegerisc­he Unterstütz­ung bekommen. In kleineren Städten ist man näher dran am Arzt und an Pflegedien­sten.“

Stadtplane­rn und Kommunen rät er, mehr seniorenge­rechte Kleinwohnu­ngen zu bauen und Geld in Sozialdien­ste zu investiere­n. Es brauche mehr Kleinbusve­rbindungen, mehr Haltestell­en, um Gehwege zu verkürzen, mehr Grünanlage­n mit Bänken, weniger Kopfsteinp­flaster, um ein Fahren mit Rollatoren zu vereinfach­en, weniger steile Treppen und niedrigere Gehsteige.

Vor allem eine „distanzier­te Nähe“, wie Seeberger sie nennt, zu den Kindern und Enkeln ist für Senioren ein weiterer wichtiger Beweggrund, in urbanere Regionen umzuziehen. Insgesamt, so Seeberger, werden kleinere Städte durch den Zuzug einer älteren Generation einen Aufschwung erleben. „Denn so generieren die Älteren Jobs für die Jüngeren.“

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Rollator und Kopfsteinp­flaster – das passt nicht zusammen. Städte müssen seniorenfr­eundlicher werden.

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