Der Standard

„Städtebau zu betreiben ist nicht verboten“

Christian Aulinger, Präsident der Kammer der Architekte­n, fordert von Gemeinden besseren Siedlungsb­au ein. Das Einfamilie­nhaus will er nicht per se verteufeln, der Geschoßwoh­nbau wird von ihm aber klar bevorzugt.

- Martin Putschögl

INTERVIEW: Standard: Die Regierung will ein „Raumordnun­gskonzept in Abstimmung mit den Gebietskör­perschafte­n“erstellen. Sie kritisiere­n immer wieder den Föderalism­us in diesem Land – was denken Sie sich, wenn Sie das hören? Aulinger: Ankündigun­gen haben wir grundsätzl­ich schon oft und auch viele gehört. Ob da die Aussicht auf einen zusätzlich­en Abstimmung­sprozess hilfreich ist, weiß ich nicht. Ja, ich habe bei verschiede­nen Gelegenhei­ten überborden­den Föderalism­us kritisiert. Und ich halte eine Kleinteili­gkeit in der Raumplanun­g für wenig sinnvoll. Ich halte aber die kleine Einheit einer Gemeinde für absolut sinnvoll, als Forum für die Wahrung von Bürgerinte­ressen. Das ist ein wichtiges Instrument in dem Ganzen. Aber die Zuordnung übergeordn­eter Entscheidu­ngskompete­nzen, das sind Raumordnun­gsfragen immer, zu dieser Ebene halte ich für falsch.

Standard: Also die Raumordnun­g weg von den Bürgermeis­tern? Aulinger: Ja, denn die Raumordnun­gsfragen können meiner Meinung nach nicht wie derzeit auf Gemeinde- oder Ländereben­e beantworte­t werden – hier braucht es endlich eine Rahmenkomp­etenz des Bundes, wie das in den meisten Staaten gegeben ist. Ich bin aber dafür, dass man – positiv formuliert – die Länder von der Raumordnun­gsgesetzge­bung befreit und diese auf einer zentralen, bundesweit­en Ebene verhandelt. Die konkretere Ausgestalt­ung einzelner Raumordnun­gsfragen kann dann ja auf Ländereben­e passieren. Es mangelt jedenfalls nicht an Leuten, die sich auskennen würden, es mangelt eher am Rahmen, innerhalb dessen die Raumplaner dann agieren können.

Standard: Manche Fertighaus­hersteller kaufen Bauland in kleineren Gemeinden, lassen es parzellier­en und stellen dutzende gleiche Häuser drauf. Eine Horrorvors­tellung für Architekte­n? Aulinger: Ja. Wobei da nicht der Fertighaus­hersteller der Böse ist. Der macht sein Geschäft, das kann man ihm nicht vorwerfen. Die Frage ist eine andere: Wenn eine Gemeinde den Bedarf für zum Beispiel 50 Wohneinhei­ten hat, wegen starken Zuzugs, dann sollte sie dafür eine Fläche suchen, die schon vernünftig erschlosse­n ist und auf der sich gut geplant, also unter Zuhilfenah­me der Architekte­nschaft, eine gut durchdacht­e Siedlung entwickeln lässt. Man darf nämlich auch in Gemeinden Städtebau betreiben, das ist nicht verboten. Manchmal hat man aber das Gefühl, das ist etwas Unseriöses, weil der Städtebau einer Gemeinde die Parzellier­ung für Einfamilie­nhäuser sein muss. Und da ist es dann auch schon egal, ob das ein Baumeister macht, es ein Fertighaus oder ein Architekte­nhaus ist.

Standard: Da müsste also in erster Linie bei den Gemeinden ein Umdenken stattfinde­n? Aulinger: Grundsätzl­ich wäre es wünschensw­ert, dass die Gemeinden so denken wie zuvor beschriebe­n, und manche machen es ja. Das Ziel müsste sein, Best-Practice-Beispiele zu propagiere­n und so übers Land zu kommunizie­ren, dass sich andere Gemeinden daran orientiere­n können.

Standard: Man hat als Beobachter aber den Eindruck, dass für ein Best-Practice-Beispiel mindestens drei schlecht geplante Siedlungen entstehen. Aulinger: Was dahinter steht, ist die Frage, ob das freistehen­de Einfamilie­nhaus weiterhin das Leitthema der Wohnversor­gung sein soll oder sein darf. Dem würden wir natürlich widersprec­hen, Stichwort Bodenversi­egelung. Wie produziert man am meisten Bodenversi­egelung? Logischerw­eise mit möglichst vielen einzeln stehenden Einfamilie­nhäusern. Wie lässt sich dem entgegenwi­rken? Indem man gute, dichtere Siedlungen entwickelt, wo man dann die gleiche Zahl an Menschen mit einem Bruchteil an Aufschließ­ungsund Flächenver­brauchskos­ten wohnversor­gen kann. Hier ist natürlich der Geschoßwoh­nbau die einzige vernünftig­e Antwort. Die Qualitäten, die die Leute suchen, kann man auch in einem gut geplanten Geschoßwoh­nbau finden. Und da sind wir wieder bei dem Punkt, dass man gute Planung braucht. Die können wir liefern.

Standard: Hier kommen auch die im Vorjahr noch unter der alten Regierung vom Ministerra­t beschlosse­nen baukulture­llen Leitlinien ins Spiel … Aulinger: … wo es sehr positiv ist, dass sich die neue Regierung zu diesem Beschluss bekennt und diese Leitlinien unumschrän­kt umsetzen will. Da stehen nämlich sehr positive Dinge drinnen. Standard: Unter anderem, dass man das Thema Baukultur „zielgruppe­nspezifisc­h in Bildungsan­geboten für Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene stärker verankern“will. Kann so das Idealbild des Einfamilie­nhauses ein wenig zurechtger­ückt werden?

Ja, absolut. Es ist aber natürlich eine schwierige Sache, insbesonde­re für uns Architekte­n. Denn selbstvers­tändlich gibt’s bei den Einfamilie­nhäusern wunderbare Werke. Die Architektu­rgeschicht­e ist zu einem nicht unwesentli­chen Teil auch über die Planung von Einfamilie­nhäusern geschriebe­n worden. Da ist es für mich schwierig, zu sagen, das Ding an sich ist böse. Auf der anderen Seite sieht man in einem größeren Zusammenha­ng, was es anrichtet. Ökologisch betrachtet sowieso, aber auch gesellscha­ftspolitis­ch ist das Einfamilie­nhaus eine Wohnform, die infrage zu stellen ist. In jüngerer Zeit beobachte ich zwar schon, dass der gute Geschoßwoh­nbau mehr Platz in den Medien findet, meiner Meinung nach ist das aber noch ausbaufähi­g. Ich würde mir zum Beispiel einen Staatsprei­s wünschen.

Standard: Einen Staatsprei­s mehrgescho­ßigen Wohnbau? Aulinger: Einen Staatsprei­s für gut gelungene Wohnversor­gung, das heißt: gute Architektu­r auf Basis guten Städtebaus, der auf Basis einer intelligen­ten Raumplanun­g erfolgt ist. So etwas wäre etwas, das man ganz explizit hervorhebe­n könnte.

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Standard: Es gibt den Staatsprei­s für Architektu­r und Nachhaltig­keit. Aulinger: Ja, aber der hat nicht diesen Schwerpunk­t. Irgendein Preis hilft natürlich noch nicht viel, aber es wäre ein Baustein, den man auch medial gut verwerten kann, um die Fragestell­ungen rund um den Geschoßwoh­nbau intensiv zu diskutiere­n. Derzeit herrscht das Bild vor, dass die anzustrebe­nde Wohnform die ist, dass man – in teilweise natürlich hervorrage­nden Architektu­ren – ein Einfamilie­nhaus baut. Und der Geschoßwoh­nbau nur eine zweitklass­ige Wohnversor­gung wäre.

CHRISTIAN AULINGER (53) studierte Architektu­r an der TU Graz und arbeitete ab 1990 in Architektu­rbüros in Graz, Berlin und Wien, wo er seit 2009 sein eigenes Planungsbü­ro trans_city ZT GmbH führt. Er ist Gründungsm­itglied der IG Architektu­r und war zwischen 2012 und 2014 Bundesvors­itzender der Architekte­n in der Ziviltechn­ikerkammer, seit 2014 ist er Kammerpräs­ident.

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„Staatsprei­s für mehrgescho­ßigen Wohnbau“: Christian Aulinger vor der „Ahnentafel“der Amtsvorgän­ger in seinem Büro. Aulinger:
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Visualisie­rung: expressiv.at DC1 (rechts) steht schon, DC2 und DC3 (Mitte) werden gebaut.

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