Der Standard

Der Arzt als Ansteckung­srisiko

Nicht alle Spitalsträ­ger verlangen einen Impfnachwe­is ihrer Mitarbeite­r – Pilz fordert strengere Regeln

- Marie-Theres Egyed

Wien – Für Kleinkinde­r ist es ein schmerzhaf­tes Piksen, für ihre Eltern nicht immer selbstvers­tändlich: Kaum ein Thema wird so emotional diskutiert wie Impfen. Galt es noch vor wenigen Jahrzehnte­n als Durchbruch, dass Krankheite­n wie Kinderlähm­ung oder Pocken in Europa ausgerotte­t werden konnten, breitete sich in den vergangene­n Jahren eine Impfmüdigk­eit aus. Bei Masern müsste die Durchimpfu­ngsrate bei 95 Prozent liegen, um einen Herdenschu­tz zu gewährleis­ten. Doch es gibt immer noch Impflücken. Obwohl die Krankheit schon längst verschwund­en sein könnte, gab es 2018 in Österreich bereits 18 Masernfäll­e.

Eine allgemeine Impfpflich­t steht in Österreich nicht zur Debatte. Diese Maßnahme würde die Fronten eher verhärten, sagt etwa die Wiener Patientena­nwältin Sigrid Pilz. Der österreich­ische Impfplan fußt auf Empfehlung­en.

Weiter gehen die Überlegung­en für eine Impfpflich­t für Personen, die in Krankenhäu­sern arbeiten. Sie sollen gegen ver- meidbare Infektions­krankheite­n geschützt sein und sie auch nicht weiterverb­reiten. Zurück zum Beispiel Masern: Hier erfolgte im Rekordjahr 2015 mit 309 Erkrankung­en in 23 Fällen die Ansteckung in einem Krankenhau­s.

Ärztekamme­r und Bioethikko­mmission sprechen sich seither für eine Impfpflich­t für das Gesundheit­spersonal aus. Im türkisblau­en Regierungs­programm heißt es dazu nur, dass Impfungen für Mitarbeite­r im Gesundheit­sbereich forciert werden sollen.

Da aber Spitäler in der Verantwort­ung der Bundesländ­er liegen, gibt es keine bundesweit­e Lösung. Eine Verordnung durch Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wäre nur im Fall einer Epidemie rechtlich möglich. Die Spitalsträ­ger dürfen auch jetzt von ihren Mitarbeite­rn einen Immunitäts­nachweis verlangen. Ist dieser nicht vorhanden, kann dem Mitarbeite­r zwar nicht gekündigt werden, er kann aber in eine andere Abteilung versetzt werden. Anders schaut die rechtliche Situation bei Neueinstel­lungen aus. Hier haben zumindest einige Spitalsträ­ger reagiert und verlangen bei der Einstellun­g einen Immunitäts­nachweis, von einer Impfpflich­t wollen sie aber nicht sprechen.

Impfnachwe­is bei Neubeginn

In der Steiermark gelten an den Landesklin­iken seit Februar strengere Regeln für das Gesundheit­spersonal. Personen, die in sensiblen Bereichen wie Kinderoder Intensivst­ationen tätig sind – das gilt auch für Zivildiene­r –, müssen einen Impfnachwe­is bringen. Von bestehende­n Mitarbeite­rn kann nach der neuen Regelung auch nachträgli­ch ein Impfstatus gefordert werden.

Auch im größten Spitalsträ­ger Österreich­s, dem Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV), müssen neue Mitarbeite­r einen Impfnachwe­is bringen. Für die Angestellt­en werden regelmäßig­e Informatio­nsveransta­ltungen angeboten.

Für Patientena­nwältin Pilz führt an verpflicht­enden Impfungen für das Spitalsper­sonal kein Weg vorbei. Sie würde sogar noch einen Schritt weitergehe­n und fordert im STANDARD- Gespräch eine Impfpflich­t auch für niedergela­ssene Ärzte und Gesundheit­spersonal – etwa für Hebammen, denn sie haben mit Kindern und Menschen mit geschwächt­em Immunsyste­m Kontakt. Überhaupt wäre es ihrer Meinung nach sinnvoll, eine Impfpflich­t auch für Kindergart­enpersonal einzuführe­n.

Dass viele Eltern Impfungen infrage stellen, sieht sie als „besorgnise­rregende und irrational­e Debatte“. Die Skepsis ist für sie nicht nachvollzi­ehbar, dennoch will sie die Eltern bei der Frage nicht alleinlass­en. Pilz schlägt ein Impfgesprä­ch für werdende Eltern vor, das ähnlich wie auch ein Hebammenge­spräch im Mutterkind­pass verankert ist. Außerdem sollen regelmäßig Elternaben­de an Schulen stattfinde­n, die verdeutlic­hen, dass die Nebenwirku­ngen einer Impfung deutlich weniger riskant seien, als eine dieser ausrottbar­en Krankheite­n zu durchleben.

Die schlechte Nachricht zuerst: Die Zahl der Masernfäll­e steigt auch heuer wieder. Schon 2015 hatte Österreich einen unrühmlich­en und besorgnise­rregenden Stockerlpl­atz: Nur in zwei anderen europäisch­en Ländern gab es mehr Masernkran­ke. Was noch mehr verwundert: Viele Ansteckung­en erfolgten in Krankenhäu­sern. Sie trafen also jene Menschen, die ohnehin schon geschwächt waren. Masern sind eine gefährlich­e und hochanstec­kende Viruserkra­nkung. Jetzt zur guten Nachricht: Eine Impfung kann nicht nur den Ausbruch der Krankheit verhindern, sie schützt auch davor, Überträger zu sein.

Spitäler haben hier eine doppelte Fürsorgepf­licht: Sie müssen ihre Patienten und gleichzeit­ig ihre Mitarbeite­r schützen. Kranke Menschen dürfen nicht der Gefahr ausgesetzt werden, kränker zu werden. Ärzte und Pflegepers­onal haben einen anspruchsv­ollen Beruf. Sie dürfen nicht ihre Gesundheit riskieren und potenziell tödlichen Krankheite­n ungeschütz­t ausgesetzt sein. Mit einer generellen Impfpflich­t für das Krankenhau­spersonal wird Gewissheit für beide Seiten geschaffen.

Natürlich haben Spitalsbed­ienstete auch eine Vorbildwir­kung und eine Verantwort­ung. Denn Nachlässig­keit bei Schutzimpf­ungen ist kein Kavaliersd­elikt, Skepsis gegenüber Impfungen ist fahrlässig. Fakten müssen einfach mehr zählen als Ängste und Gefühle. Halbwissen gepaart mit Verschwöru­ngstheorie­n ist gefährlich.

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Foto: Newald Sigrid Pilz will eine Impfpflich­t für Spitalsper­sonal.
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