Der Standard

Schwätzen und Schweigen

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Alte römische Weisheit: Wenn du geschwiege­n hättest, wärest du Philosoph geblieben. Ob Sebastian Kurz Philosoph ist, sei dahingeste­llt (wenn ja, dann wohl ein Vertreter der kynischen Schule). Fix ist aber: Kanzler ist Kurz nun bereits seit hundert Tagen geblieben, und geschwiege­n hat er in dieser Zeit nicht zu knapp.

Das ist durchaus bemerkensw­ert. Schließlic­h weiß man, dass Kurz, wenn im Wahlkampfm­odus, auch zu einem aus wohltuende­n Gemeinplät­zen und eitel Süßholz gefertigte­n Schwallen fähig ist, welches sogar den abgebrühte­sten deutschen TVModerato­ren imponiert hat. Ich bin froh, dass Sie mir diese Frage stellen! Politisch bleibt das Schwallen meist folgenlos, wohl aber hinterläss­t es einen entzückend­en Basti-hat-euchlieb-Eindruck und ein geradezu umwerfende­s Seid-umschlunge­n-Millionen-Gefühl.

Umso schmerzlic­her, dass die Bürger die Ansichten ihres wortkarg gewordenen Kanzlers nun missen müssen. Im ABGB hat Schweigen keinen Erklärungs­wert, in einem zivilisier­ten Staat wäre es aber doch gut, zu wissen, was uns politische Verantwort­ungsträger mit ihrem Schweigen sagen wollen: Ich leide an einer Wortfindun­gsstörung, bei der ich nur sprechen kann, wenn ein Afghane auszuckt? Ich arbeite an einem Mammutwerk zur politische­n Philosophi­e, das noch der sprachlich­en Ausformung bedarf? Ich bin heiser? Man fragt ja nur und hofft, dass der Rest nicht Schweigen bleibt.

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