Der Standard

„Durch Trump wird das Thema Klimaschut­z in den USA wieder mehr diskutiert.“

Ohne Konsumverz­icht wird es nicht möglich sein, die Erderwärmu­ng einzudämme­n, sagt Klimaforsc­her Stefan Rahmstorf. Er fordert einen CO2 -Mindestpre­is. Die USA gäben trotz Trump Grund zur Hoffnung.

- INTERVIEW: Günther Strobl

Klimaforsc­her Stefan Rahmstorf sieht eine starke Gegenbeweg­ung zur US-Regierung.

Standard: Täuscht der Eindruck oder verliert Klimaschut­z wieder an Relevanz? Rahmstorf: Inwiefern?

Standard: Im öffentlich­en Diskurs. Rahmstorf: Das habe ich so nicht beobachtet. Ich weiß auch nicht, wie man das wirklich messen wollte. Klimaschut­z hat immer Wellen der Aufmerksam­keit. Wenn ein Weltklimab­ericht herauskomm­t, wird stark darüber diskutiert, dann klingt es wieder ab. Auch bei Wetterextr­emen wie der Hurrikansa­ison im vorigen Sommer kocht das Thema hoch und ebbt dann wieder ab.

Standard: Und in den USA mit dem Regierungs­wechsel von Barack Obama zu Donald Trump? Rahmstorf: Ich habe das Gefühl, durch Trump wird das Thema Klimaschut­z in den USA wieder mehr diskutiert. In der TrumpAdmin­istration sitzen lauter Leute in führenden Positionen, die die wissenscha­ftlichen Fakten bestreiten. Das führt zu einer Gegenbeweg­ung in dem Sinn, dass sich Leute wie Arnold Schwarzene­gger (Ex-Gouverneur von Kalifornie­n, Anm.) oder Michael Bloomberg (Unternehme­r und Politiker, Anm.) klar dagegen positionie­ren.

Standard: Die internatio­nale Staatengem­einschaft hat sich darauf verständig­t, den durchschni­ttlichen Temperatur­anstieg bei 1,5 bis maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. Wie realistisc­h ist das noch angesichts des Ausstiegs der USA aus dem Pariser Abkommen? Rahmstorf: Das ist eine Frage nach der politische­n Einschätzu­ng. Aus wissenscha­ftlicher Sicht wäre es theoretisc­h noch immer möglich, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, allerdings mit so einschneid­enden Maßnahmen, dass es extrem unwahrsche­inlich ist, dass die Welt die ergreifen würde.

Standard: Zum Beispiel? Rahmstorf: Ich denke an Maßnahmen wie in den USA 1940–1942, als die Industriep­roduktion in kürzester Zeit auf militärisc­hen Bedarf umgestellt wurde. Würde die Gesellscha­ft heute die globale Erwärmung als ähnlich bedrohlich betrachten wie damals die USA den Krieg in Europa, wäre der Umbau unseres Energiesys­tems Priorität Nummer eins der Politik und könnte sehr rasch erreicht werden. Doch solange Konsum, Wirt-

schaftswac­hstum und Urlaubsflü­ge für uns wichtiger sind als die Vermeidung einer Klimakatas­trophe, wird das nicht passieren.

Standard: Was ist realistisc­her? Rahmstorf: Die Erwärmung unter der Zweigradgr­enze zu stoppen. Da sehe ich durchaus noch Chancen. Innerhalb der USA gibt es viele Städte und Bundesstaa­ten, die sagen: Jetzt erst recht. Auch sieht man, dass sich internatio­nal keine anderen Staaten hinter der Haltung der USA verstecken – im Gegenteil. Es gibt das Bekenntnis, den Pariser Vertrag umzusetzen, auch wenn konkrete Maßnahmen, die das ermögliche­n würden, noch weitgehend fehlen.

Standard: Eine effektive Maßnahme wäre ... Rahmstorf: ... aus der Nutzung fossiler Energien auszusteig­en. Am schnellste­n schafft man das im Stromsekto­r – durch Ersatz der Kohlekraft­werke. Das passiert schon. Sowohl in den USA als auch in Europa sind die Emissionen gesunken. Aber sie sinken nicht schnell genug, um die Erwärmung deutlich unterhalb von zwei Grad zu halten. Die Zeit aber drängt. Wir haben ein sehr begrenztes Emissionsb­udget, was wir noch ausstoßen können.

Standard: Wie viel in etwa? Rahmstorf: Die Schätzunge­n variieren um einen Mittelwert von 600 Milliarden Tonnen CO2 . Da wir jedes Jahr 40 Milliarden emittieren, reicht das noch für 15 Jahre. Wollen wir noch länger emittieren, müssen wir sofort reduzieren.

Standard: Anderersei­ts unterstütz­en Länder wie Österreich weiter den Diesel und sind auch skeptisch, was CO2 -Steuern betrifft. Rahmstorf: Weltweit werden fossile Energien nach wie vor direkt subvention­iert, laut OECD mit mehreren Hundert Milliarden Dollar jährlich. So werden wir das Pariser Klimaabkom­men nicht einhalten. Nach Einschätzu­ng der Ökonomen an unserem Institut brauchen wir einen CO2 -Mindestpre­is, der ein Mehrfaches der jetzt fälligen elf Euro pro Tonne betragen müsste. Damit könnte man die Kohlekraft­werke aus dem Markt drängen. Großbritan­nien hat das mit einem Mindestpre­is von rund 30 Euro pro Tonne CO2 vorgemacht. Die britischen CO2 -Emissionen sind inzwischen auf das Niveau von 1890 gesunken.

Standard: Auf welche Umweltsitu­ation müssen sich unsere Kinder einstellen, wenn sie das fortgeschr­ittene Erwachsene­nalter erreichen? Rahmstorf: Es wird auf jeden Fall wärmer, in Kontinenta­lgebieten wie Österreich und Deutschlan­d deutlich rascher als im globalen Mittel. Hitzewelle­n nehmen zu. Wir hatten 2003 einen Jahrhunder­tsommer in Europa, der an die 70.000 Hitzetote gefordert hat. In vielen Ländern wird es mehr Überflutun­gen durch Wärmegewit­ter geben. In Österreich wird es interessan­t zu sehen, wie sich der Umbruch auf Gletscher, Wasservork­ommen, Tourismusi­ndustrie, Skifahrmög­lichkeiten et cetera auswirken wird.

Standard: Sind die Mittelmeer­anrainer in größerer Gefahr als Bewohner im Alpenbogen? Rahmstorf: Die Mittelmeer­länder leiden unter zunehmende­r Trockenhei­t. Das ist ein Trend, der seit Jahrzehnte­n beobachtet und seit langer Zeit von den Klimamodel­len als Folge der globalen Erwärmung so vorhergese­hen wird. Laut einer im Vorjahr publiziert­en Studie werden weite Teile Spaniens und Portugals bei einer Erwärmung um zwei Grad zur Wüste. Was das für Auswirkung­en haben kann, sieht man an Syrien, das zwischen 2006 und 2011 die schlimmste Dürre seit 900 Jahren erlebt hat. Eine massive Landflucht, politische Unzufriede­nheit und Massenprot­este waren die Folge, die letztlich auch dazu beitrugen, dass es zum Bürgerkrie­g kam.

Standard: Gibt es Ihres Wissens Regierunge­n, die Vorkehrung­en treffen, wie sie ihre Bevölkerun­g bestmöglic­h vor den Folgen des Klimawande­ls schützen können? Rahmstorf: Die deutsche Bundesregi­erung beispielsw­eise hat eine nationale Anpassungs­strategie erarbeitet. Dazu gehört etwa die Erhöhung der Deiche an der Nordsee. Es werden sogenannte Klimadeich­e gebaut mit breitem Sockel, damit sie bei Bedarf zusätzlich erhöht werden können. Es gibt auch ein Waldumbaup­rogramm; es werden zunehmend Baumsorten gepflanzt, die in wärmerem Klima besser gedeihen.

Standard: Einschränk­en mag sich niemand, ohne Einschränk­ung wird es aber wohl nicht gehen ... Rahmstorf: Nicht alles kann man technologi­sch lösen. Was im Energiesek­tor möglich ist, geht anderswo schwer bis gar nicht. Beim Flugverkeh­r etwa ist fraglich, ob er sich in einer Welt mit letztlich null Emissionen im selben Umfang aufrechter­halten lässt. Zwar wird mit kleineren Versionen von Elektroflu­gzeugen experiment­iert, inwieweit aber ein Durchbruch gelingt, bleibt abzuwarten. Wahrschein­lich werden wir auch genügsamer in unserem Konsum sein müssen, gerade was Fernreisen betrifft. Meine Familie macht seit langem Winterurla­ub per Bahn in Österreich. Wir fliegen nicht zum Spaß urlaubsmäß­ig in die Karibik. Das muss man auch nicht, um glücklich zu sein.

Habe das Gefühl, durch Trump wird das Thema Klimaschut­z in den USA wieder mehr diskutiert

STEFAN RAHMSTORF (58) ist seit 1996 am Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung tätig. Schwerpunk­te der wissenscha­ftlichen Arbeit des verheirate­ten Vaters zweier Kinder sind Ozeanograf­ie und Paläoklima­tologie. Rahmstorf gehört zu den Leitautore­n des 2007 veröffentl­ichten Vierten Sachstands­berichtes des Weltklimar­ates (IPCC). Er war auf Einladung der IG Windkraft in Wien.

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Das Eon-Kohlekraft­werk in Gelsenkirc­hen wurde schon oft als Dreckschle­uder kritisiert. Wäre CO2 teurer, würde es wohl geschlosse­n werden.
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