Der Standard

Spaniens empörte Pensionist­en

Erneut gingen landesweit Hunderttau­sende auf die Straße, um höhere Bezüge zu fordern

- Reiner Wandler aus Madrid

Spaniens Pensionist­innen und Pensionist­en sind empört. Hunderttau­sende gingen am Samstag in mehr als 100 Städten für „würdige Pensionen“auf die Straße. Aufgerufen dazu hatten die Gewerkscha­ften und erst kürzlich vielerorts entstanden­e Pensionenk­omitees. Es war der bisherige Höhepunkt eines Konfliktes, der seit Monaten andauert.

Die Regierung hat für das kommende Jahr eine Pensionser­höhung von 0,25 Prozent zugesicher­t, die Lebenshalt­ungskosten stiegen 2017 aber um zwei Prozent. In den kommenden Jahren wird das nicht anders sein. Pensionist­innen und Pensionist­en müssen damit einen Kaufkraftv­erlust hinnehmen, während die Unternehme­rgewinne über fünf Prozent stiegen. Bis 2013 wurden die Pensionen automatisc­h an die Inflation angepasst. Seit einer Reform des Pensionssy­stems durch die Regierung des konservati­ven Ministerpr­äsidenten Mariano Rajoy ist dies nicht mehr der Fall.

Doch Rajoy änderte noch mehr Spielregel­n. Wer künftig in Ruhestand geht, bekommt seine Bezüge anders berechnet als bisher. Die steigende Lebenserwa­rtung und Einnahmen des Pensionssy­stems werden einberechn­et. Seit Beginn der Wirtschaft­skrise in Spanien im Jahr 2008 sind die Löhne für jüngere Arbeitnehm­er um bis zu 20 Prozent gesunken. Befristete Teilzeitve­rträge sind an der Tagesordnu­ng. Die Pensionska­sse bekommt dies zu spüren.

Dank der Reform Rajoys dürften die Pensionen in den nächsten 20 Jahren um die 25 Prozent an Kaufkraft verlieren. Zurzeit liegt die durchschni­ttliche Pension für Männer bei 1247 Euro und für Frauen bei 797 Euro. Das Antrittsal­ter wurde bereits 2011 unter Ra- joys sozialisti­schem Vorgänger von 65 auf 67 Jahre angehoben. „Diebe! Sie stehlen uns die Pensionen!“oder „Keine Stimme denen, die ihre Hände in unsere Pensionen gesteckt haben!“war landesweit auf Spruchbänd­ern zu lesen.

Leere Kassen

Neben der ungenügend­en Anhebung beschweren sich die Protestier­enden über die „systematis­che Plünderung der Rücklagen der Pensionska­sse“. 2011, als Rajoy an die Regierung kam, waren in dem, was die Spanier „Sparbüchse der Sozialvers­icherung“nennen, über 60 Milliarden Euro. Die spanische Pensionsve­rsicherung galt als eine der gesündeste­n in Europa. Ende vergangene­n Jahres waren 90 Prozent des Geldes aufgebrauc­ht. Was monatlich an Beiträgen hereinkomm­t, reicht gerade einmal, um die laufenden Renten zu bezahlen. Rücklagen werden keine mehr gebildet.

Und im Sommer und zu Weihnachte­n, wenn Sonderzahl­ungen anstehen, muss die Pensionsve­rsicherung gar Kredite aufnehmen. Der Grund für die leere Sparbüchse: In den Krisenjahr­en hat die Sozialvers­icherung spanische Staatsschu­lden gekauft, als die Märkte das Land kritisch beäugten. Jetzt muss ebenjene Staatskass­e der Sozialvers­icherung mit Krediten unter die Arme greifen.

Rajoy will trotz zunehmende­r Proteste an den 0,25 Prozent festhalten. „Während ich an der Regierung bin, werden die Pensionen mit Sicherheit steigen, aber ich muss euch auch sagen, sie werden nur so viel steigen, wie wir können“, erklärte Rajoy vergangene Woche. Gleichzeit­ig werden bis zum Jahr 2020 die Bezüge der Beamten der Nationalpo­lizei um knapp 600 Euro und die der paramilitä­rischen Guardia Civil um über 700 Euro im Monat erhöht.

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Foto: Reuters / Sergio Perez In den vergangene­n Wochen sind Spaniens Pensionist­innen und Pensionist­en schon mehrmals auf die Straßen gegangen.

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