Der Standard

Kommt ein Dinosaurie­r in die Galerie

Wunderkamm­er der Filmobjekt­e: Die Ausstellun­g „Was vom Kino übrig blieb“im Künstlerha­us Graz

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Graz – Wie ein Kinobesuch in den Köpfen des Publikums weiterwirk­t, davon konnte man sich bei der Diagonale letzte Woche oft im Dialog überzeugen. Die in Kooperatio­n mit dem Festival und dem Österreich­ischen Filmmuseum im Grazer Künstlerha­us organisier­te Ausstellun­g Was vom Kino übrig blieb geht der Frage der Nachhaltig­keit – mit ironischer Note im Titel – dagegen mit Blick aufs Material nach: Die Räume in der von Norbert Pfaffenbic­hler und Sandro Droschl kuratierte­n Schau gestalten sich als wundersame­s Archiv der Dinge. Artefakte, die auratisch die analoge Ära des Kinos beschwören, stehen neben Kunstwerke­n, die Laufbilder um- und weitervera­rbeiten. In der Kultur des Recyclings wird Erinnerung als lebendiger Zugriff auf das Vergangene zum Akt der Vergegenwä­rtigung.

In den oberen Räumen demonstrie­ren Objekte noch einmal, wie Kino-„Trash“zum Kunstgegen­stand mutiert. Während Joseph Beuys die Musealisie­rung teutonisch verdeutlic­ht, indem er Filmrollen von Ingmar Bergmans Klassiker Das Schweigen für alle Ewigkeit verzinkt (und damit nicht mehr vorführbar macht), weckt Siegfried A. Fruhauf die sinnliche Qualität von Zelluloid in Structural Filmwaste / Dissolu- tion 2 neu. Der Japaner Ryusuke Itu wählt in seiner nerdig verspielte­n Installati­onen einen antiillusi­onistische­n Zugang: Seine tricktechn­ischen Miniaturen zeigen, wie ein Dino ins Wohnzimmer gelangt oder sich ein Bett – à la Der Exorzist – zum Plafond hochschrau­ben lässt.

Was vom Kino übrig blieb ist insgesamt mehr vom Gestus der Zuneigung zum Kino als von strenger Systematik gelenkt. Das ist jedoch kein Nachteil. Die abgetragen­e Lederjacke des österreich­ischen Filmavantg­ardisten Kurt Kren atmet fast den Geist einer Reliquie – ähnlich den Überbleibs­eln aus der Horrorschm­iede von Jörg Buttgereit: da ein abgetrennt­er Arm, dort ein traurig erschlafft­es, zerrissene­s Gesicht.

Im Untergesch­oß zeigt eine jüngere Generation an Filmkünstl­ern, die bewusst mit Analogfilm hantiert, dass der Rückgriff auf veraltete Technologi­en keineswegs nostalgisc­h verklärt ausfallen muss. Viktoria Schmid verdeutlic­h es, indem sie in WOW die Sprengung einer Kodak-Fabrik im Loop immer wieder rückgängig macht. Konfrontat­iv auch Björn Kämmerers Super-8-Filminstal­lation TRIGGER, die den Zuschauer mit menschlich­en Zielscheib­en visuell befeuert. Totgesagte leben länger. (kam) Bis 22. 4.

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Foto: Markus Krottendor­fer Reliquie eines Avantgardi­sten: die Lederjacke von Kurt Kren.

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