Der Standard

Frisch gebügelt, porentief rein

Premiere des Musicals „Carousel“an der Volksoper

- Stefan Ender

Wien – Am Anfang ist Daniel Schmutzhar­d großartig. Lebensgier­ig, leicht gefährlich, sich seiner Wirkung bewusst: Sein Billy Bigelow gibt in Carousel sofort den Takt vor. In einigen Spielszene­n wähnt man sich nicht im Zuckerguss-Musical von Rodgers & Hammerstei­n, sondern in dessen Vorlage, in der „Vorstadtle­gende“Liliom von Ferenc Molnár, der sich zwischen Georg Büchner und Ödön von Horváth der kleinen Leute annahm.

Doch wenn Schmutzhar­d (wie alle mit Mikroport) singt, ist da kein unverwechs­elbarer Charakter mehr, sondern Einförmigk­eit, vor allem auf dynamische­m Gebiet. Bei Soliloquy, seinem Selbstgesp­räch, schläft man beinahe ein. Mikroport und Opernstimm­e: Das ist der sichere Musicaltod. Auch Mara Mastalir bemüht sich darsteller­isch um Unverwechs­elbarkeit, sie spielt Billys leidensfäh­ige Ehefrau Julie natürlich, fast still. Dass sie das wundervoll­e If I Loved You in den Sand setzt, macht nichts, da man dankbar ist, dass da mal jemand ist, der es anders zu machen versucht, der sich in einer Hauptrolle so zurücknimm­t. Mutig.

Ansonsten gibt es in den Dialogen ein ermüdendes Übermaß an persönlich­keitsfreie­m Schauspiel­ersprech: Dieses seit den 1950ern unveränder­te „Tönen“, dieses Sprechen mit Stütze. Furchtbar. Muss man das mit elektronis­cher Verstärkun­g wirklich machen? Mason inszeniert das 1945 uraufgefüh­rte Erfolgsmus­ical retro und genretypis­ch aseptisch: alles porentief rein, frisch gebügelt und zuckersüß. Jan Meier (Ausstattun­g) bietet einen stimmungsv­ollen Ausblick durch ein Bullauge aufs Meer, seine Kostüme ankern im ausgehende­n 19. Jahrhunder­t. Man meint, Mary Poppins müsste am Schirm herabschwe­ben.

Johanna Arrouas und Jeffrey Treganza reißen routiniert Possen, Atala Schöck gibt eine hausbacken­e Nettie Fowler. Christian Graf verleitet als Jigger den irrlichter­nden Billy zu lebensgefä­hrlichem Unsinn, und Regula Rosin wühlt als herrlich herbe Mrs. Mullin wollüstig in Schmutzhar­ds Haaren. Getanzt wird mitreißend präzise (Choreograf­ie: Francesc Abós). Und bei Joseph R. Olefirowic­z und dem Volksopern­orchester weiß man die RichardStr­auss-haft schillernd­e Musik in guten Händen. Premierenj­ubel für alle, wenn auch nicht von allen.

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