Der Standard

Nicht die Rumänen vom Dienst

Am Sonntag ist die Buchmesse in Leipzig, die 271.000 Besucher zählte, zu Ende gegangen. Die Debatte über rechte Verlage verlief ohne Zwischenfä­lle. Was bleibt vom Gastland Rumänien? Und folgt bald Österreich?

- Michael Wurmitzer aus Leipzig

2007 trat Rumänien der Europäisch­en Union bei. Was ist seither weitergega­ngen? Viel, aber auch vieles nicht. Etwa sei Rumänien nach wie vor nicht auf der mentalen Landkarte Europa verzeichne­t, vernahm man bei Gesprächen auf der am Sonntag zu Ende gegangenen Leipziger Buchmesse wiederholt. Dabei sei es früher in Europa prominente­r vertreten gewesen. Jahrhunder­telang war die Region etwa für Durchreise­nde nach Konstantin­opel wichtig.

Der Historiker Gheorghe Iacob hat gerade bei New Academic Press Rumänien in der Epoche der Modernisie­rung (1859–1939) veröffentl­icht und beleuchtet darin historisch unter anderem die wirtschaft­lichen Beziehunge­n Rumäniens zu Mitteleuro­pa.

Dieser Tage wurden jedenfalls Bücher gehandelt. Inzwischen ist die kleine Messebühne mit der runden Sitzarena des Gastlandes wieder abgebaut. Literatur wirkte aber bereits, als der Kommunismu­s in Osteuropa herrschte, über die Grenzen hinweg. Da trieb der Austausch gar wundersame Blüten: Vieles, was in der DDR nicht gedruckt werden durfte, rutschte in rumäniende­utschen Zeitschrif­ten und Büchern durch die Zensur und per Export in die DDR, so Übersetzer Gerhardt Csejka.

Was die rumänisch-schweizeri­sche Autorin Dana Grigorcea im Gespräch mit Csejka am Samstag anmerkte, sind die Erwartunge­n des Lesers an Texte aus anderen Kulturkrei­sen. Dieser erwarte von ihnen oft bestimmte, klischeeha­fte Themen. Aber ein Autor, so Grigorcea, wolle universell sein, „nicht der Rumäne vom Dienst“. Gewiss auch dem soll jeder Auftritt als Gastland entgegenwi­rken. Das Zitat beschreibt aber die Funktionsw­eise jeder guten Literatur.

Was sonst geschah? Man sprach über die steigende Zahl von Literaturp­reisen und -festivals trotz sinkender Leserzahle­n. Lösung: eine Verlagerun­g von der stillen Einzelbesc­häftigung Lesen zum sozialen und zeitökonom­ischen Event. Ex-HanserChef Michael Krüger zeigte angesichts von 90 Prozent Büchern, die einander so ähnlich seien, dass man meine, man möchte nie wieder eines lesen, Verständni­s für die „erschöpfte­n Gesichter“mancher Messebesuc­her.

Verhandlun­g mit Österreich

Kommendes Jahr ist Tschechien Gastland, für 2021 gibt es eine Absichtser­klärung mit Portugal – mehr als 200 Millionen Menschen weltweit sprechen Portugiesi­sch. Für 2020 ist die Entscheidu­ng hingegen noch ganz offen, auch mit Österreich laufen Verhandlun­gen. Auf den deutschen Bestseller­listen steht man bereits, deutsche Buchpreise gewinnt man auch. Übersetzun­gen von Mundartged­ichten würden wohl nicht angefertig­t. Was würde aus dieser Entscheidu­ng wachsen?

Dass es stets ein Gastland geben müsse, findet Buchmessen­direktor Oliver Zille nicht. Ein politische­r Schwerpunk­t sei ebenso denkbar. „Sich vom Rätsel des anderen wachhalten lassen“, auch dieser schöne Satz ließ sich nämlich in Leipzig aufschnapp­en.

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Beim Diskussion­sforum an einem der rechten Stände blieb man friedlich, doch einig wurde man nicht.

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