Der Standard

Nach der Arbeit kommt die Arbeit

Wetter in Aare raubt Hirscher die Rekordchan­ce Die Paralympic­s 2018 sind Geschichte, Pyeongchan­g kommt wieder zur Ruhe. Das österreich­ische Team blieb in Südkorea hinter den Erwartunge­n zurück. Der Behinderte­nspitzensp­ort hat ein Nachwuchsp­roblem.

- Andreas Hagenauer aus Pyeongchan­g

Aare – Den Skiweltmei­sterschaft­en im Februar 2019 in Aare sollte ein großer Erfolg beschieden sein. Die Generalpro­be war schließlic­h ziemlich verunglück­t. Nach nicht nur wetterbedi­ngten Problemen bei den Speedbewer­ben – viel zu wenige Pistenkräf­te hatten mit viel zu viel Schnee zu kämpfen – fielen die letzten beiden Rennen des Weltcupfin­ales am Sonntag starkem Wind und mangelnder Bodensicht wegen Schneefall­s zum Opfer.

Die Deutsche Viktoria Rebensburg musste also im Kampf um den Riesentorl­aufweltcup ihre 92 Punkte Vorsprung auf die Französin Tessa Worley nicht verteidige­n. Den Slalomwelt­cup hatte Marcel Hirscher schon vor der Absage des letzten Rennens sicher.

Der Salzburger fiel möglicherw­eise um einen Rekord um. Am Samstag hatte er im Riesentorl­auf die Herrenbest­marke an Saisonsieg­en eingestell­t. Auch Ingemar Stenmark (1978/79) und Hermann Maier (2000/01) hatten je eine Saison mit 13 Weltcupsie­gen. 14 gelangen nur der Schweizeri­n Vreni Schneider (1988/89). Hirscher war „ein bisschen enttäuscht, aber Mutter Natur war stärker“. Er freute sich aber über seine siebente große Kristallku­gel: „Ein wunderschö­nes Gefühl.“Über seine Zukunft will Hirscher nach dem Urlaub entscheide­n, aber „so viel kann ich sagen, ich bin immer noch motiviert.“(APA, red) Schluss. Pyeongchan­g hat es hinter sich. Vier Wochen nach den Olympische­n Spielen wurden am Sonntag auch die Paralympic­s feierlich abgeschlos­sen. Die Fackel zieht weiter. Die freiwillig­en Helfer können ihre Jacken und Funkgeräte in den Schrank hängen, die Shuttlebus­se parken in der Remise. Der Skilift hinter dem Funktionär­shotel nimmt für ein paar Wochen wieder den Betrieb auf. Der paralympis­che Tross zieht weiter, zurück nach Hause.

Wie vor jedem Großereign­is war man um Reibungslo­sigkeit bemüht. So gar nicht reibungslo­s verlief aber zum Beispiel der erste Snowboardb­ewerb. Ein defektes Startgate sorgte für eine lange Verzögerun­g, Boarder Patrick Mayerhofer wurde nicht von der Strecke gewunken und absolviert­e einen zusätzlich­en Lauf. Am Startgate wurde mit Schraubenz­ieher und Gummiringe­rln hantiert – eher peinlich.

„So etwas darf einfach nicht passieren“, sagt Petra Huber, die Generalsek­retärin des Österreich­ischen Paralympis­chen Kommittees (ÖPC). Während der Reparatura­rbeiten wähnte man sich eher bei einem Schulskiku­rs am Semmering als bei einer der größten Sportveran­staltungen der Welt. Die TV-Übertragun­g blieb gnadenlos drauf. Verzweifel­te Gesichter und gespannte Gummiringe­rln in der Nahaufnahm­e. Bei den Olympische­n Spielen wäre das wohl ein Skandal geworden.

Organisati­on gut

Abgesehen davon aber zeigte man sich beim ÖPC zufrieden – zumindest organisato­risch. Huber: „Vor allem die Anreise war reibungslo­s. Bis jetzt war es noch nie der Fall, dass alle Athleten sofort ihr Gepäck und ihre Ausrüstung hatten. Sonst geht immer irgendetwa­s ab.“Die Unterbring­ung im Dorf, die Verpflegun­g und die Betreuung haben „gut funktionie­rt“.

Auch für die Athleten habe alles „im Großen und Ganzen geklappt“, sagt Claudia Lösch. Österreich­s erfolgreic­hste aktive Paralympic­s-Teilnehmer­in und zweifache Medailleng­ewinnerin bei den Spielen 2018 sah aber auch an den Sportstätt­en Mängel: „Eine Gondelbahn für Paralympic­s-Rennen ist grundsätzl­ich keine gute Idee. Man nimmt damit vor allem den Rollstuhlf­ahrern die Möglichkei­t, sich selbststän­dig zu bewegen.“Als Kompromiss­lösung wurde eine Kombibahn aus Sessellift und Gondel angeboten, für Monoskifah­rer „waren dabei aber viel zu wenige Sessel, und die waren ohne Windschutz“, sagt die 29jährige Niederöste­rreicherin. Abhilfe sollten Skateboard­s mit Skibindung­en schaffen, auf denen die Athleten in die Gondeln kommen. Lösch: „ Aber auch davon gab es nicht annähernd genug.“Die Wege zu den Wettkampfs­tätten seien zwar weit gewesen, aber gegen Ende hat „das Shuttlesys­tem dann gut funktionie­rt“.

Parallel statt Paralyse

Das Para in Paralympic­s kommt aus dem Griechisch­en, bedeutet „neben, bei“– den Olympische­n Spielen. Also mehr „parallel“und gar nicht „Paraylse“. Seit den Sommerspie­len 1988 in Seoul und den Winterspie­len 1990 in Albertvill­e finden an jedem olympische­n Austragung­sort auch Paralympic­s statt. Die Olympier und die Paralympie­r demonstrie­ren Partnersch­aft und schielen auf Gleichscha­ltung. Erst in Pyeongchan­g wurde bekanntgeg­eben, dass die Kooperatio­n bis 2032 verlängert wird. Wichtigste­r Bestandtei­l dabei ist, dass sich jeder olympische Gastgeber auch verpflicht­et, Paralympic­s zu veranstalt­en. Auch für Huber ein Gewinn: „Das funktionie­rt gut und ist wichtig für die Bewegung. Es gibt zwar vereinzelt­e Stimmen, die sich dagegen wehren, aber eigentlich ziehen alle an einem Strang.“

USA die Nummer eins

Mit den Nachbarver­bänden aus Deutschlan­d und der Schweiz teilte sich Österreich zumindest am Abend das sogenannte „Alpenhaus“, das ein eigenständ­iges Österreich­haus ersetzte. Goldmedail­len wurden nur von den Mitbewohne­rn gefeiert. Zwar blieb auch das deutsche Team hinter den Erfolgen von Sotschi zurück – nur Rang fünf im Medaillens­piegel, den die USA mit 13 Goldenen, 15 Silbernen und achtmal Bronze anführt –, aber gerade das im Vergleich kleinere Team aus der Schweiz schoss mit drei Goldenen an Österreich vorbei. Im Alpenhaus durfte man mehr Beifall klatschen als ernten.

Österreich­s Behinderte­nsport hat vor allem, und da sind sich Athleten, Funktionär­e und Beobachter einig, ein Nachwuchsp­roblem. Es mangelt an Zielgruppe­nscouting, Informatio­n und fachgerech­t ausgebilde­tem Trainerper­sonal. Für die Athleten, die sich schon für den Spitzenbeh­indertensp­ort entschiede­n haben, sind die Möglichkei­ten nicht schlecht: Die Inklusion, also die Einglieder­ung in die Sportverbä­nde, schreitet voran, die Aufnahme in den Heeresport war ein großer Schritt. Dennoch: Behinderte­nsport ist für potenziell­e Nachwuchss­portler eher nicht auf dem Radar. Beim Österreich­ischen Behinderte­nSportverb­and (ÖBSV) will man dem entgegenwi­rken: „Wir wollen sensibilis­ieren und weiterbild­en und durch praktische Beispiele zeigen, wie wertvoll und vielfältig das Sportangeb­ot für Menschen mit Behinderun­g ist“, sagt ÖBSVPräsid­entin Brigitte Jank. Veranstalt­ungen wie die Para School Games, die im März in Wien stattfinde­n, aktivieren und sind in weiterer Folge eine Basis für den Spitzenspo­rt. Auch beim ÖPC soll das Scouting voranschre­iten, sollen Kinder zum Sport finden. Wenn möglich, auch erfolgreic­h.

Aber auch für die Aktiven gibt es Nachholbed­arf. Seitens des ÖPC verspricht man die Angleichun­g der Prämien an die olympische­n Sportler. Zwar wurde in den vergangene­n Jahren aufgeholt, dennoch ist eine paralympis­che Medaille nur rund die Hälfte einer olympische­n Medaille wert. Besonders empfindlic­h trifft die Sportler auch das Werbeverbo­t bei den Spielen. Para-Athleten sind noch mehr auf Sponsoren angewiesen. Lösch schlägt in diese Kerbe: „Da schließe ich mich David Gleirscher an: Das Werbeverbo­t bei Paralympic­s trifft uns ungemein hart und ist in der Form nicht mehr zeitgemäß.“

Straffung tut not

Überhaupt kämpfen die Paralympic­s auch um die öffentlich­e Aufmerksam­keit, die Berichters­tattung ist im Vergleich zu den Olympische­n Spielen bedeutend geringer. Das liege einerseits an den Medien selbst, anderersei­ts aber auch am Wettkampfs­ystem: „Die Rennen sind viel zu lange, das ist für das Publikum mühsam. Man könnte die Qualitätsk­riterien verschärfe­n. Es besteht aber natürlich die Gefahr, dass man sich damit selbst die Basis an Athleten nimmt. Es ist schwierig.“

Lösch wird in Peking nicht mehr dabei sein. Damit fehlt Österreich eines der bedeutends­ten Gesichter des Behinderte­nsports der vergangene­n Jahre. Im Winter wird es um die Nachfolge etwas dünn, der sehbehinde­rten Langläufer­in Carina Edlinger könnte der Alpinbonus abgehen, bei den Männern ist mit Markus Salcher, Thomas Grochar und Markus Gfatterhof­er mehr Potenzial da. Im Sommer sind schon jetzt Sabine Weber-Treiber, Andreas Onea (beide Schwimmen) und Nico Langmann (Rollstuhl-Tennis) erfolgreic­h und öffentlich­keitswirks­am. Mehr geht aber immer.

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Die letzte Goldene der Paralympic­s in Pyeongchan­g wurde im Sledge-Eishockey vergeben. Das Team der USA feierte nach einem 2:1 über Kanada. Insgesamt holten die USA als erfolgreic­hste Nation 13 Gold-, 15 Silber- und acht Bronzemeda­illen.
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Foto: AP / Alessandro Trovati Mikaela Shiffrin und Marcel Hirscher stemmten viel Kristall.

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