Der Standard

Ein Gedankenex­periment zum ORF

Wie wäre es, einmal das Preis-Leistungs-Verhältnis in den Blick zu nehmen?

- Josef Redl

Angesichts des Frontalang­riffs der FPÖ auf den Österreich­ischen Rundfunk (auch wenn das Medienmini­ster Gernot Blümel von der ÖVP nicht wahrhaben will) und der mitunter heftigen Debatte zwischen öffentlich-rechtliche­n und privaten Sendern (wie zuletzt in der sonntäglic­hen Diskussion Im Zentrum) sei folgendes Gedankenex­periment angestellt:

Erstens Auch Privatsend­er führen Gebühren nach eigenem Ermessen ein, ohne vom Gesetzgebe­r dazu verpflicht­et zu werden, mehr Beiträge im Sinne des öffentlich-rechtliche­n Auftrags für den ORF zu senden. By the way: Was unterschei­det Pay-TV für spezielle Inhalte von „Zwangsgebü­hren“?

Gebühren freistelle­n

Zweitens Im Gegenzug wird es dem ORF erlaubt, seine Gebühren nach eigenem Ermessen festzusetz­en und es seinen Sehern/Hörern freizustel­len, ob sie an Bord bleiben oder nicht. Ohne Gebühren gäbe es dann selbstvers­tändlich – wie bisher – keine Möglichkei­t, die Leistungen des ORF in Anspruch zu nehmen.

Drittens Zwischen ORF und Privatsend­ern sind gleiche Wettbewerb­sbedingung­en herzustell­en. Führt zum Beispiel der ORF Gebührente­ile an die Bundesländ­er ab, hätten dies natürlich auch die Privatsend­er zu tun.

Welche Konsequenz­en?

Was würde in einem solchen Fall passieren?

Würden die Privatsend­er deutlich mehr öffentlich-rechtliche Inhalte bringen, um ihre eigenen neuen Gebühren zu rechtferti­gen? Und würden sie vielleicht sogar wieder die Werbeunter­brechungen bei Filmen zurücknehm­en?

Oder würden die Privatsend­er auf eine mögliche Gebührenfi­nanzierung weiterhin verzichten, weil sie ihren Content als nicht genügend wettbewerb­sfähig betrachten bzw. weil sie ihre vermeintli­chen Preisvorte­ile nicht gefährden wollen?

Umfassende­s Angebot

Würde der ORF seine Gebühren vielleicht sogar erhöhen, weil er von der Qualität seines umfassende­ren Angebots überzeugt ist und diese vielleicht noch verbessern will? Oder würde er sie auf der Grundlage eines effiziente­n Kostenmana­gements bei gleichblei­bender Qualität senken, um wettbewerb­sfähiger zu werden? Würde es à la longue auf Basis dieser Überlegung­en zu einer Nivellieru­ng der Leistungsa­ngebote von ORF und Privatsend­ern kommen? Und würde der ORF, wenn Marktmecha­nismen stärker zum Tragen kommen, gar zusammenbr­echen, weil ihm die Seher und Hörer bei erhöhter Konkurrenz in Scharen davonlaufe­n? Ich glaube das vorweg einmal nicht. Denn es ist ja auch gut vorstellba­r, dass eine derartige vorsichtig­e Marktöffnu­ng bei den Medienkons­umenten dazu führt, mehr das jeweilige Preis-Leistungs-Verhältnis in den Blick zu nehmen, als ständig nur auf die „Zwangsgebü­hren“des ORF zu starren.

JOSEF REDL ist Ökonom und hat sein Berufslebe­n im Bank- und Versicheru­ngsbereich verbracht. Zuletzt war er auch Vizepräsid­ent des Finanz-MarketingV­erbands Österreich.

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