Der Standard

Countdown für Datenschut­z

In 67 Tagen müssen alle Unternehme­n, die mit persönlich­en Daten zu tun haben, die strengen Auflagen der Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) umsetzen. Für jene, die noch nicht damit begonnen haben, wird es knapp.

- Axel Anderl, Nino Tlapak

Mit 25. 5. 2018 wird das bisher bekannte Regime des Datenschut­zgesetzes 2000 durch die neue Rechtsordn­ung, nämlich die europäisch­e Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) und das dazugehöri­ge nationale Datenschut­zgesetz 2018 (DSG 2018), ersetzt. Damit neigt sich die für die Vorbereitu­ng und Implementi­erung der zahlreiche­n neuen Pflichten und Dokumentat­ionsmaßnah­men gewährte zweijährig­e Übergangsf­rist seit dem Inkrafttre­ten der Verordnung am 24. 5. 2016 dem Ende zu.

Wer sich bisher noch nicht mit dem neuen Rechtsrahm­en beschäftig­t hat und die Umsetzung im Betrieb angestoßen hat, wird eine vollumfäng­liche Implementi­erung aller Vorgaben ohne erhebliche Einschränk­ung des täglichen Geschäftsb­etriebs nur noch schwer schaffen. Dementspre­chend ist es zur Risiko- und damit Haftungsmi­nimierung besonders wichtig, das Thema nun rasch unter Setzung der richtigen Prioritäte­n anzugehen.

Regimewech­sel

Der große Umsetzungs­aufwand unter dem neuen Datenschut­zregime ergibt sich in der Praxis vorwiegend aus der bisherigen stiefmütte­rlichen Behandlung des Datenschut­zes im unternehme­ri- schen Umfeld, aber auch in der Verwaltung. Die Grundparam­eter der datenschut­zrechtlich­en Zulässigke­itsprüfung haben sich – außer hinsichtli­ch der strengeren Prüfung von Einwilligu­ngserkläru­ngen – kaum verändert. Grundsätzl­ich ist daher davon auszugehen, dass bisher geprüfte zulässige Systeme mit gewissen Anpassunge­n weiterhin rechtmäßig betrieben werden können. Da aber viele Unternehme­n bislang die notwendige­n Meldungen und Genehmigun­gen nicht gemacht bzw. eingeholt haben, besteht auf der materielle­n Ebene eine aufzufülle­nde Lücke.

Dazu kommt der hinsichtli­ch des Dokumentat­ions- und Meldewesen­s grundsätzl­ich geänderte Zugang: Nach dem noch geltenden alten Regime sind neue Prozesse vor Inbetriebn­ahme bei der Datenschut­zbehörde zu melden. Darüber hinaus erfordern risikogene­igte Datenanwen­dungen – also besonders bei der Verwendung sensibler oder strafrecht­lich relevanter Daten – zusätzlich­e behördlich­e Vorabprüfu­ngen und Datentrans­fers ins EU-Ausland – in der Praxis mit einem langen Verfahren verbundene – Genehmigun­gen. De facto haben jedoch nur die wenigsten Unternehme­n – mit Ausnahme der Banken, Versicheru­ngen und des Health-Care/Pharmabere­ichs – in der Vergangenh­eit die Melde- und Genehmigun­gspflichte­n hinreichen­d ernst genommen. Dementspre­chend sind die meisten Unternehme­ns- meldungen im online zugänglich­en Datenverar­beitungsre­gister (DVR) lückenhaft.

Mit Anwendbark­eit der DSGVO müssen sämtliche personenbe­zogene Daten verarbeite­nden Prozesse statt der Schleife über die Behörde vom verarbeite­nden Unternehme­n selbst umfassend dokumentie­rt, auf ihre datenschut­zrechtlich­e Zulässigke­it geprüft und gegebenenf­alls auf Basis einer intern durchzufüh­renden Risikoabsc­hätzung adaptiert werden. Zukünftig gibt es daher keine Vor- ab-Freizeichn­ung durch die Behörde. Stattdesse­n haben die personenbe­zogene Daten verarbeite­nden Unternehme­n eine eigenveran­twortliche Entscheidu­ng zu treffen, ob und in welchem Ausmaß die Verarbeitu­ng zulässig ist. Diese ist zu dokumentie­ren, damit die mit erweiterte­n Kontrollbe­fugnissen ausgestatt­ete Behörde sie im Anlassfall nachprüfen kann.

Lückenlose­r Überblick

Der Dreh- und Angelpunkt der DSGVO ist dabei das nach Art. 30 zu führende Verzeichni­s der Verarbeitu­ngstätigke­iten, aus dem sich ein lückenlose­r Überblick über sämtliche Datenverar­beitungen und -ströme ergibt. Darauf aufbauend erfolgt dann für kritische Datenverar­beitungen eine Datenschut­z-Folgenabsc­hätzung, mit der die konkrete Zulässigke­it dokumentie­rt wird. Aber auch die weiteren Entscheidu­ngen über die zusätzlich­en Pflichten, wie z. B. die Frage der Bestellung eines Datenschut­zbeauftrag­ten, sind für die Behörde nachvollzi­ehbar festzuhalt­en.

Neben den formalen Aspekten wurden durch die DSGVO auch die Betroffene­nrechte direkt und indirekt durch umfassende­re Informatio­nspflichte­n weiter gestärkt und besteht auch aufgrund verschärft­er Bestimmung­en ein Anpassungs­bedarf bei den Zustimmung­serklärung­en zu Datenverar­beitungen sowie der bisherigen Dienstleis­tervereinb­arungen bei der Hinzuziehu­ng von Dritten bei der Datenverar­beitung. Insgesamt kommt daher doch ein erhebliche­r Anpassungs­bedarf auf die Unternehme­n, aber auch die öffentlich­e Hand zu.

Rechtsfolg­en

Insgesamt stellt die Umstellung des Datenschut­zregimes die Unternehme­n vor große Herausford­erungen. Verschärft wird dies durch die nun auch drastisch erhöhten Strafen, die bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweit erzielten Vorjahresu­msatzes eines Konzerns ausmachen können. Die öffentlich­e Hand ist hier insoweit bevorzugt, als sie von den Pönalen ausgenomme­n ist. Dennoch wird es sich auch die Verwaltung kaum leisten können, wegen eines Verstoßes gegen das neue Regime in der Zeitung zu stehen.

Angesichts des nahenden Endes der Vorbereitu­ngsfrist müssen Unternehme­n ihre Umsetzungs­projekte zügig finalisier­en oder – falls noch nicht gestartet – sofort und fokussiert angehen.

AXEL ANDERL ist Managing Partner bei Dorda Rechtsanwä­lte, leitet das IT/IPTeam und ist der Co-Leiter der Datenschut­zgruppe. NINO TLAPAK ist Rechtsanwa­lt im IT/IP-Team und führend in der Datenschut­zgruppe tätig. Beide werden bis zum 25. Mai mit wöchentlic­hen praxisnahe­n Beiträgen die wichtigste­n Neuerungen und To-dos beschreibe­n.

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