Die neuen afrikanischen Kapitalisten
Mit der Idee des „Afrikapitalismus“wollen reiche Afrikaner in lokale Start-ups investieren. Hilfe von außen lehnen sie ab
Davos/Abuja – Er war einer der Sprecher beim Weltwirtschaftsforum in Davos: „Seit langer Zeit fließen viele Milliarden Dollar nach Afrika, die aber bei den Menschen nur selten ankommen. Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft den Start-ups gehört“, sagt Tony Elumelu zu den Besuchern. Es ist nicht der erste Vortrag, den der nigerianische Unternehmer auf internationaler Bühne hält: Seit Jahren tourt der Milliardär durch die Welt, hält Vorträge auf Eliteunis wie Oxford und auf internationalen Wirtschaftsgipfeln, um seine Philosophie zu verbreiten: Afrikapitalismus nennt sie Elumelu.
Die Idee dahinter: Anstatt ihre Millionen in ausländischen Steueroasen zu parken, sollen Afrikas Reiche ihr Geld in heimische Jungunternehmen stecken und damit die Wirtschaft ankurbeln. Elumelu startete dafür 2015 die gleichnamige Stiftung: Zehn Jahre lang sollen nach eigenen Anga- ben jedes Jahr tausend afrikanische Unternehmer finanziert und geschult werden, die etwa in den Bereichen Landwirtschaft oder Gesundheit tätig sind. Insgesamt sollen dafür hundert Millionen Dollar zur Verfügung stehen. Die Ziele sind hochgesteckt: Eine Million Arbeitsplätze will Elumelu damit schaffen, zehn Milliarden Dollar sollen danach in den Kontinent zurückfließen.
Elumelu ist Vorsitzender einer der größten Banken Afrikas, der United Bank for Africa, besitzt einen eigenen Investmentfonds und gehört mit seinem Vermögen zu den reichsten Personen des Kontinents. Und er kann sich freuen, denn der Kreis an potenziellen philanthropischen Milliardären in Afrika ist in den letzten Jahren noch gewachsen: 23 Milliardäre, um zwei Milliardäre mehr als noch 2017, befinden sich auf der diesjährigen Liste des amerikanischen Wirtschaftsmagazins Forbes. Zusammen kommen sie auf ein Vermögen von 75,4 Milliarden Dollar. Die Zahl der Super- reichen, die mehr als 50 Millionen Dollar in Anlagen besitzen, soll laut einer aktuellen Analyse des Immobilienunternehmens Knight Frank in Südafrika in den nächsten fünf Jahren um rund zwanzig Prozent wachsen.
Was Elumelu und seine Anhänger verbindet: Sie alle sind kritisch eingestellt gegenüber finan- zieller Unterstützung von außen durch Entwicklungszusammenarbeit, glauben nicht an die Hilfstätigkeit des Staates und der Politik, sondern setzen ihr Vertrauen zu großen Teilen in das heimische Unternehmertum. Zugute kommt ihnen, dass die politischen Machthaber in vielen afrikanischen Ländern kein gutes Image genießen – im Vergleich dazu erscheint die Idee eines „modernen Afrikas“, wie sie von erfolgreichen Unternehmern wie Elumelu formuliert wird, für die Bevölkerung um einiges attraktiver.
Tropfen auf heißen Stein
„Der Afrikapitalismus ist durchaus als eine positive Initiative zu begrüßen. Am Ende ist sie aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der deutsche Wirtschaftswissenschafter und Afrikaexperte Robert Kappel. Seiner Ansicht nach müssten die Hürden für kleine und mittlere Unternehmen beseitigt werden, etwa, was den Zugang zu Elektrizität und die Finanzierung durch Banken betrifft, um den Sprung zu den großen Betrieben zu schaffen. Auch die Regierungen seien gefragt.
Die Kritik an ausländischen Investoren sei jedenfalls berechtigt: Die Wertschöpfung bleibe selten im Land. Lässt Volkswagen beispielsweise Elektroautos in Ruanda zusammenbauen, sei kein Unternehmer aus Ruanda dabei.
Deswegen sollen die Reichen einen Teil ihres Vermögens zurückgeben, ist Elumelu überzeugt. Dass der Reichtum dabei in die unteren Schichten der Bevölkerung „durchsickert“, wie es sich Elumelu wünscht, wird von vielen Experten allerdings bezweifelt.
Und noch seien die Milliardäre von Heilbringern weit entfernt, meint Kappel: Viele würden ihre Unternehmen ins Ausland verkaufen, von den Förderungen bleibe wenig. Und auch wenn Vertreter des Afrikapitalismus vorgeben, sich von der Politik fernzuhalten, sind gerade dort die Netzwerke meist sehr verbreitet. Eben auch, wenn es darum geht, steuerliche Vorteile herauszuschlagen.