Der Standard

Schuldenab­bau ist nicht rechts

Budgetüber­schüsse bei guter Konjunktur sind Investitio­nen in die Zukunft

- Eric Frey

Nulldefizi­t, nicht schon wieder ein Nulldefizi­t! 18 Jahre nach dem letzten Anlauf macht sich eine VP-FP-Regierung wieder daran, einen ausgeglich­enen Haushalt zu erstellen. Diesmal soll es – anders als das später als Schummelwe­rk enttarnte „sanierte Budget“von Karl-Heinz Grasser – eine echte schwarze Null, sogar ein kleiner Überschuss werden. Und während die Regierung dies als Triumph feiert, schreien Opposition und andere Kritiker auf: Wie kann man eine Zahl zum Fetisch machen, dafür wichtige staatliche Programme streichen – und so den sozialen Zusammenha­lt im Land gefährden?

Wieder einmal wird die Budgetpoli­tik zu einer Rechts-links-Debatte, in der hartherzig­e Sanierer auf sorglose Geldversch­wender stoßen. Dabei hat die Frage, ob und wie viel Schulden die Republik macht, wenig mit Ideologie zu tun und mehr mit Ökonomie und Hausversta­nd. Beides spricht für viel größere Budgetüber­schüsse, als sie Finanzmini­ster Hartwig Löger am Mittwoch wohl verkünden wird.

Wer die Arbeiten von John Maynard Keynes, auf denen moderne Fiskalpoli­tik beruht, richtig liest, weiß, dass Keynes Budgetdefi­zite nur bei einer Rezession empfiehlt, in Zeiten starker Konjunktur sollten die Schulden wieder abgebaut werden. Dank hoher Steuereinn­ahmen und geringer Arbeitslos­enhilfe fällt das in solchen Phasen auch gar nicht schwer. och diesen Rat haben Regierunge­n in Wien seit den 1970erJahr­en ignoriert. In schlechten Zeiten gab es große, in guten kleine Löcher im Haushalt, denn Geld zu verteilen ist populärer als zu sparen. Deshalb sind die Staatsschu­lden als Anteil des Bruttoinla­ndsprodukt­s ständig gestiegen – seit 2008 auf weit über 80 Prozent. Das ist zu hoch.

Stärker als heuer kann Österreich­s Wirtschaft kaum wachsen. Wenn jetzt kein ordentlich­er Überschuss zustande kommt, wann dann? Wie Experten betonen, müsste Löger dafür gar nicht sparen. Er dürfte nur nicht neue Steuerzuck­erln wie den Familienbo­nus plus oder die Senkung der Umsatzsteu­er für Hoteliers vergeben.

Befürworte­r einer Budgetsani­erung, wie zuletzt auch Kardinal Christoph Schönborn, argumentie­ren gern mit der Generation­engerechti­gkeit. Kritiker antworten darauf, dass der Staat produktive Investitio­nen in Bildung,

DForschung oder Infrastruk­tur sehr wohl mit Schulden finanziere­n kann, denn davon profitiere­n die Kinder. Das mag für ein Entwicklun­gsland stimmen. Doch Österreich investiert seit 70 Jahren ständig in sein physisches und humanes Kapital. Die wirtschaft­lichen Renditen daraus sollten für die Zukunft eigentlich reichen.

Der Hinweis, dass sich die Republik heute dank der Nullzinsen der EZB fast kostenlos verschulde­n kann, ist richtig. Aber irgendwann werden die Zinsen wieder steigen, und dann wächst die Belastung für Altschulde­n schnell an. Der italienisc­he Staat muss jedes Jahr viel mehr an Steuern einheben, als er für Leistungen ausgeben darf. Diesen Primärüber­schuss braucht er, um die gigantisch­en Schulden der 1970er-Jahre zu bedienen.

Das stärkste Argument für Schuldenab­bau ist ein pragmatisc­hes: Er schafft den Spielraum, zukünftige Rezessione­n mit Defiziten wirksam zu bekämpfen. Doch dafür müssen nicht zwingend Sozialprog­ramme gekürzt werden; es geht auch über das Streichen von Förderunge­n, Sparen in der Verwaltung oder Erbschafts­steuern. Vernünftig­e Budgetpoli­tik trägt weder ein linkes noch ein rechtes Etikett.

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