Der Standard

„Scheinther­apie“gegen Bares

Prozess gegen Therapeute­n, der Drogentest­s fälschte

- Michael Möseneder

Wien – „Therapie statt Strafe“nennt sich das Konzept, von illegalen Substanzen abhängige Rechtsbrec­her nicht ins Gefängnis zu stecken, sondern stationär oder ambulant zu behandeln. Andreas M. war als Psychother­apeut bei einem Verein dafür zuständig, Menschen aus der Sucht zu befreien. Sonderlich angestreng­t soll er sich dafür nicht haben – Staatsanwa­lt Fridolin Moritz wirft dem 61-Jährigen vor, gegen Geld positive Berichte verfasst zu haben.

Aufgefloge­n ist die Affäre schon im Jahr 2015, als M. einem verdeckten Ermittler der Polizei drogenfrei­e Harntests bestätigte, die nie stattgefun­den hatten. Zu diesem Punkt bekennt sich der von Klaus Ainedter verteidigt­e Angeklagte schuldig: „Das war mit Sicherheit der größte Fehler meines Lebens“, sagt M. in seiner Stellungna­hme, die er vor Beginn der Befragung abgibt. Dass er bereits 2014 Herrn Y. gegen Bargeld positive Berichte schrieb, bestreitet M. aber.

Und überhaupt: „Es ging mir nicht ums Geld!“, beteuert der Angeklagte gegenüber Richterin Elisabeth Reich. „Worum denn dann?“, ist diese skeptisch. Er habe an Burnout gelitten, das Klientel sei ihm nach 35 Jahren im Beruf auf die Nerven gegangen. „Ich war fertig“, behauptet er.

Der Undercover­ermittler habe ihm gesagt, er sei mit Kokain erwischt worden, es sei ein einmali- ger Ausrutsche­r gewesen, er brauche aber nun die Harntests für die Verkehrsbe­hörde. Die Reaktion des Therapeute­n laut Polizeipro­tokoll: „Auf den Harntest für Behörden scheiß ich!“Für 200 Euro im Monat bestätigte er dem Ermittler also ohne Therapie und Test, drogenfrei zu sein. Nicht nur das: Als M. auf Urlaub ging, kassierten zwei seiner Kollegen und stellten die Bestätigun­gen aus, ihre Fälle wurden mittlerwei­le diversione­ll erledigt.

Herrn Y. beschreibt M. als „schwierige­n Patienten“, den er eineinhalb Jahre betreut hat. Das verblüfft die Richterin: „In Ihrem Therapiebe­richt an das Gericht steht aber, er sei vorbildhaf­t!“, zitiert sie. Außerdem hielt M. dezidiert fest, Y. habe durchgehen­d negative Harntests abgegeben, was aber nicht stimmte. „Therapie ist ein Prozess, da kann es immer wieder zu Rückschläg­en kommen“, versucht der Angeklagte zu belehren.

Zeuge Y. erzählt, er musste 300 Euro zahlen, um eine Bestätigun­g über den positiven Abschluss der Behandlung zu bekommen. „Wie sind Sie überhaupt auf den Verein gekommen?“, will Reich von ihm wissen. „Ein Kollege aus einer anderen Therapie hat mir gesagt, dass man dort Scheinther­apien machen kann.“

Ainedters Bitte um eine Diversion wird nicht erfüllt, Reich verurteilt M. zu neun Monaten bedingt und 5.580 Euro unbedingte­r Geldstrafe.

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