Der Standard

USA und China in Zollgesprä­chen

Apple-Chef Cook warnte in Peking beide Seiten

- Johnny Erling aus Peking

Peking/Wien – Peking und Washington suchten am Wochenende nach gegenseiti­gen Drohungen im Handelsstr­eit den Dialog. Bei einem der wichtigste­n Kongresse, dem „China Developmen­t Forum“in Peking, setzten sich führende US-Konzernche­fs für Deeskalati­on ein. Ehrengast AppleChef Tim Cook drückte seine Hoffnung aus, dass beide Seiten kühlen Kopf bewahren.

Auf die US-Strafzölle angesproch­en, betonte Chinas neuer Zentralban­kchef, Yi Gang, dass die Wirtschaft gut gerüstet sei für äußere Schocks. Unmittelba­r nachdem Präsident Trump Milliarden­zölle gegen die Volksrepub­lik wegen Diebstahls geistigen Eigentums verkündet hatte, telefonier­ten Regierungs­vertreter beider Seiten über die nächsten Schritte.

Peking hat bereits festgelegt, wegen der US-Zölle auf Stahl und Aluminium im Gegenzug US-Produkte im Wert von drei Milliarden Dollar ins Visier zu nehmen. Auch Soja, Autos und Flugzeuge seien mögliche Ziele. (red)

Für Chinas neuen Zentralban­kchef Yi Gang war es der erste öffentlich­e Auftritt seit seiner Wahl. Mit 3,1 Billionen US-Dollar Devisenres­erven, verstärkte­r Aufsichtsm­acht über Chinas Geldhäuser und Versicheru­ngen und einem zur internatio­nalen Reservewäh­rung aufgewerte­ten Renminbi, herrscht der 60-Jährige über eine der großen Notenbanke­n der Welt. Vor globalen Konzernfüh­rern und Politikern des Auslands verbreitet­e er auf einer Pekinger Großkonfer­enz am Sonntag Zuversicht bezüglich der Wirtschaft seines Landes.

Alle Signale von der Weltwirtsc­haft bis zur „stabilen und positiven Binnenentw­icklung“zeigten auf Grün. Und das mitten im Umschwung von Chinas Wirtschaft zu einem innovative­n und nachhaltig­en Qualitätsw­achstum. Er setze auf Liberalisi­erungen bei den Finanzrefo­rmen und auf Entschuldu­ng der Staatsunte­rnehmen. Mit einer „neutralen und mit Augenmaß“gestaltete­n Geldpoliti­k werde er Chinas Realwirtsc­haft unterstütz­en, damit sie „stabil Kurs hält“.

Gerüstet gegen US-Zölle

Dann wurde Yi die Frage aus dem Publikum gestellt, ob US-Präsident Donald Trump mit seinen angedrohte­n massiven Strafzölle­n auf Chinas Importe den schönen Plänen nicht einen Strich durch die Rechnung mache. Yi konterte selbstbewu­sst: Chinas Wirtschaft und die Unternehme­n müssten ihre Hausaufgab­en machen, Verantwort­ung übernehmen, nicht alles dem Staat aufbürden. Aber China sei „gut gerüstet, um externe Schocks auszuhalte­n“.

Bei den illustren Teilnehmer­n des China Developmen­t Forum in Peking kam so viel Optimismus gut an. Doch der jüngste Schlagabta­usch zwischen den USA und China überschatt­ete das Forum. Die Vorgeschic­hte: Trump hatte unter gegen Peking gerichtete­n Vorwürfen unfairer Wirtschaft­spraktiken und des Diebstahl geistigen Eigentums bekanntgeg­eben, er wolle innerhalb der kommenden zwei Monate Strafzölle gegen Importe von mehr als 1000 Produkten aus der Volksrepub­lik Chi- na in Höhe von 60 Milliarden Dollar verhängen. Peking hatte mit Gegendrohu­ngen reagiert.

Die Furcht vor einer Eskalation zum Handelskri­eg ging am Wochenende weltweit um. Auch auf dem Forum. Dramatisch warnte etwa der frühere US-Finanzmini­ster Lawrence Summers bei seinem Vortrag: „Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben mehr langfristi­ge Sorgen bezüglich der Zukunft der globalen USChina-Wirtschaft­sbeziehung­en gehabt zu haben als jetzt.“

Eigentlich hatte der Staatsrat seine am Samstag begonnene dreitägige Großkonfer­enz unter dem Titel „China in der neuen Ära“ganz anders geplant. Er wollte den Anlauf Chinas zur Weltmacht nach den Neuwahlen von Partei und Regierung würdigen und zugleich „40 Jahre Reformen und Öffnung“feiern, die 2018 ihr Jubi- läum haben. Zur teilnehmen­den Unternehme­relite gehören auch deutsche Konzernlen­ker von Daimler, Allianz, Siemens, Thyssenkru­pp, BASF und Heraeus. Gemeinsam war ihnen die plötzliche Erkenntnis, dass sie ein Handelskri­eg zwischen Peking und Washington böse treffen würde.

Appell von Apple

Für Apple-Chef Tim Cook, der als „Co-Chair“neben Vizepremie­r Han Zheng, einem der neuen sieben mächtigste­n Männer Chinas, die Großkonfer­enz eröffnete, wurde es ein Drahtseila­kt. Für Apple ist die Volksrepub­lik der drittgrößt­e Weltmarkt für seine Apps, Plattforme­n und für iPhones. Cook bekannte sich zur Globalisie­rung, aber ohne Trump zu kritisiere­n oder überhaupt zu erwähnen. Am Vortag hatte er China geraten, nicht zu sehr auf die Pauke zu hauen: „Ruhige Köpfe werden sich durchsetze­n.“Cook empfahl, anders als üblich zu rechnen: „Eins plus eins ist drei“. Das funktionie­rt aber nur, wenn China und die USA über ihren Schatten springen, zusammenar­beiten und den Kuchen größer machen. Davon ist derzeit keine Rede.

Chinas früherer Finanzmini­ster Lou Jiwei, Chef der chinesisch­en Sozialfond­s mit ihrem gigantisch­en Einlagekap­ital von umgerechne­t 320 Milliarden Dollar, nannte auf dem Plenum „40 Jahre Reformen und Öffnung in China“Chinas Verhältnis zu den USA das größte internatio­nale Problem seiner Reformen. Chinas Handelsmin­isterium habe bislang auf die Drohungen Trumps mit möglichen Vergeltung­szöllen gegen USProdukte im Wert von drei Milliarden eher „sanft“reagiert. Hätte er noch sein Regierungs­amt, wäre das anders. Er würde „zuerst die Importe von Sojabohnen stoppen, dann die von Autos und schließlic­h die von Flugzeugen“. Lou machte mit einem Scherz klar, dass er diese Drohung noch nicht ernst meinte: Die Europäer im Saal sollten „sich nicht zu früh freuen“. Er sehe Trump als Geschäftsm­ann an, mit dem sich verhandeln lasse.

Ein gutes Zeichen ist, dass Peking und Washington miteinande­r sprechen. Am Samstag telefonier­te Chinas Topunterhä­ndler und neu ernannte Vizepremie­r für Finanzpoli­tik Liu He mit US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin. Liu habe gegen die geplanten Strafzölle protestier­t, meldete die Nachrichte­nagentur Xinhua. Beide Seiten wollten „weiter im Gespräch bleiben“.

Unterhändl­er Liu hatte vor Verkündung der US-Strafzölle in Washington versucht, sie in letzter Minute abzuwenden, das misslang.

„Unkontroll­ierbare Variable“

Der frühere australisc­he Premiermin­ister Kevin Rudd sagte auf dem Forum, dass Liu weitreiche­nde Gespräche geführt habe. Die US-Seite hätte vorgeschla­gen, Chinas 2017 mit den USA aufgelaufe­nes Rekordhand­elsdefizit von 375 Milliarden US-Dollar in den beiden Haushaltsj­ahren 2018 bis 2020 um jeweils 100 Milliarden Dollar abzubauen. Washington könnte mit einem etwa 200 Milliarden Dollar hohen Defizit leben. Ohne Strafzölle.

Rudd zeigte sich nicht allzu optimistis­ch, dass solch ein Deal noch zustande kommt und einen Handelskri­eg verhindert. Es gebe eine „unkontroll­ierbare Variable“. Diese heiße Trump.

Der Präsident der US-Kammer in China, William Zarit, sagte: Die Mehrheit seiner Kammermitg­lieder stehe hinter Trump, wenn es um Vorwürfe gehe, in China unfair behandelt zu werden und kein gleiches Spielfeld vorzufinde­n, oder um den Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungene­n Technologi­etransfer. Doch niemand unterstütz­e ihn, wenn er dagegen mit Strafzölle­n vorgehe. Sie nützten niemandem und schadeten nur allen.

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Für den Apple-Chef steht viel auf dem Spiel, wenn ein Handelsstr­eit zwischen China und den USA eskaliert. Das Reich der Mitte ist der drittgrößt­e Absatzmark­t für iPhones und Co.

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