Der Standard

Demos für Puigdemont

Carles Puigdemont ist in Deutschlan­d verhaftet worden. Zuvor hatte der frühere katalanisc­he Regierungs­chef eine Tour durch mehrere europäisch­e Staaten angetreten, um die „Internatio­nalisierun­g des Konflikts“zu erreichen.

- Reiner Wandler aus Madrid

In Katalonien wurde gegen die Verhaftung von Ex-Regionalpr­äsident Carles Puigdemont in Deutschlan­d demonstrie­rt.

Die Flucht des ehemaligen katalanisc­hen Ministerpr­äsidenten Carles Puigdemont vor der spanischen Polizei ist am Sonntag um 11.19 Uhr vorerst jäh zu Ende gegangen. Der nach seiner Absetzung durch Madrid Ende Oktober nach Brüssel geflohene 55-jährige Politiker ist kurz nach der Querung der dänisch-deutschen Grenzen unweit der Bundesauto­bahn A7 bei Schleswig festgenomm­en worden. Da Grenzkontr­ollen von Dänemark nach Deutschlan­d unüblich sind, muss davon ausgegange­n werden, dass die deutsche Polizei einen Tipp erhalten hatte – eine Version der Ereignisse, die am Sonntag auch mehrere spanische Medien verbreitet­en.

Puigdemont wird von Spanien nach der Abhaltung eines Referendum­s über die Unabhängig­keit der nordostspa­nischen Region Katalonien am 1. Oktober und einer einstigen Unabhängig­keitserklä­rung am 27. Oktober per europäisch­em Haftbefehl gesucht. Die spanische Justiz hat gegen weitere fünf katalanisc­he Politiker internatio­nale Haftbefehl­e erlas- sen. In Spanien selbst sitzen sieben Politiker und zwei separatist­ische Aktivisten wegen der gleichen Anklagepun­kte in U-Haft. Dagegen fanden am Wochenende Demonstrat­ionen in Katalonien statt, die mit der Festnahme Puigdemont­s neuen Stoff erhielten.

Rätsel um verpassten Flug

Puigdemont befand sich auf einer Reise mit dem Vorhaben, „den katalanisc­hen Konflikt zu internatio­nalisieren“. Nach einem Besuch in Genf war er in die finnische Hauptstadt Helsinki gereist, wo er am Freitag auf Ein- ladung einer Gruppe von Parlamenta­riern einen Vortrag an der Universitä­t hielt. Zum eigentlich geplanten Rückflug nach Belgien am Samstag erschien er nicht – wieso, war nicht unmittelba­r klar.

Offenbar zog es Puigdemont wohl vor, bereits am Freitag im Pkw abzureisen, als es immer wahrschein­licher wurde, dass Ermittlung­srichter Pablo Llarena am Obersten Gerichtsho­f in Madrid den europäisch­en Haftbefehl gegen ihn wieder in Kraft setzen würde, der vor einigen Wochen ruhend gestellt worden war. Das geschah dann tatsächlic­h nach Bekanntgab­e der Ermittlung­sergebniss­e. Gegen 13 Politiker und Aktivisten, darunter Puigdemont, geht Llarena seither wieder wegen Rebellion und Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder vor, gegen zehn weitere wegen Ungehorsam­s und teilweise auch wegen Veruntreuu­ng. Auf Rebellion stehen bis zu 30 Jahre Haft; auf Veruntreuu­ng bis zu acht; Ungehorsam kann mit Entzug der Bürgerrech­te bestraft werden.

Llarena schickte noch am Freitagabe­nd fünf katalanisc­he Politiker in U-Haft. Darunter ist auch der ehemalige Präsidenti­alamts- minister Jordi Turull, der am Samstag vom katalanisc­hen Parlament im zweiten Wahlgang zum neuen Regierungs­chef gewählt werden sollte. Parlaments­präsident Roger Torrent sagte daraufhin die Abstimmung ab. Er nannte Spanien einen „autoritäre­n Staat“und verlangte von den politische­n Kräften „eine Front zur Verteidigu­ng der Demokratie“.

Ungünstige Lage

Llarena hatte bereit im November von Brüssel die Auslieferu­ng Puigdemont­s und vier seiner ExMinister verlangt. Als sich abzeichnet­e, dass die Justiz Rebellion als Straftatbe­stand nicht anerkennen würde, zog Llarena den Haftbefehl erst einmal zurück.

Da es ohne Gewalt wohl kaum Rebellion geben kann, wirft Llarena den Angeklagte­n jetzt vor, versucht zu haben, den „gewalttäti­gen Fanatismus ihrer Anhänger zu entfesseln“. Als Beleg dient das Referendum vom 1. Oktober: Dabei seien 60 Polizeibea­mte verletzt worden. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigen anderes. Die Polizisten, die über 900 Verletzte hinterließ­en, stießen überwiegen­d auf gewaltfrei­en Widerstand.

Die Verhaftung in Deutschlan­d bringt Puigdemont eine Menge Probleme. Mit europäisch­em Haftbefehl ist eine Auslieferu­ng weitgehend Formsache und findet binnen zehn bis 60 Tagen statt. Dabei vertraut die örtliche Justiz meist auf die Anklagepun­kte des Landes, das die Auslieferu­ng beantragt. Nur Belgien behält sich vor, Einzelfäll­e zu prüfen. Der Fall Puigdemont liegt nun bei der Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig.

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Carles Puigdemont­s Parlaments­sitz ist schon lang leer. Auch Jordi Turull (Bild) ist seit Samstag in Haft.

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