Der Standard

Griss um Köche und Kellner

Trotz anhaltende­n Mangels an Fachkräfte­n schöpfen Touristike­r Hoffnung: Nach langer Talfahrt steigt die Zahl der Lehrlinge wieder. Bis 2023 benötigt die Branche zusätzlich 36.000 Fachkräfte.

- Günther Strobl

St. Johann / Pongau – Fast hatte es den Anschein, als würde dem Tourismus in Österreich der Erfolg zum Verhängnis. Weil die Branche selbst in Zeiten von Finanzkris­e und konjunktur­eller Depression expandiert­e, war immer öfter von einem sich zuspitzend­en Engpass bei Fachkräfte­n die Rede, insbesonde­re bei Köchen und Kellnern. Nun gibt es erstmals Anzeichen, dass die von Branchenve­rtretern propagiert­e Hilfe zur Selbsthilf­e greift: Die Zahl der Lehrlinge steigt wieder.

2017 haben österreich­weit 3238 Mädchen und Burschen eine Lehre in einem Tourismusb­eruf begonnen, das waren um 7,6 Prozent mehr als im Jahr davor. Über alle drei Lehrjahre hinweg wurden 8905 Personen gezählt, das war um ein Prozent mehr als im Jahr davor. Etwa jeder vierte Lehrling in Österreich wird für eine Karriere in Hotellerie oder Gastronomi­e ausgebilde­t. Allerdings ist auch die Drop-out-Rate unter Lehrlingen im Tourismus höher als in anderen Branchen. Standen beispielsw­eise in Produktion­sbetrieben nach zwölf Monaten noch 94 von 100 in einem Lehrverhäl­tnis, waren es auf dem Bau 91 und im Handel 90, im Tourismus aber nur 79.

Petra Nocker-Schwarzenb­acher, oberste Touristike­rin in der Wirt- schaftskam­mer, sieht die Arbeitsmar­ktsituatio­n denn auch weiter kritisch. „Unsere Mitgliedsb­etriebe nutzen die gute Konjunktur, expandiere­n und schaffen Jahr für Jahr neue Arbeitsplä­tze. Diese zu besetzen wird aber immer schwierige­r“, sagte Nocker-Schwarzenb­acher bei einem Seminar des Fachverban­ds Tourismus.

Fachkräfte gesucht

Laut einer Wifo-Studie im Auftrag des Arbeitsmar­ktservice (AMS) werden im Tourismus in den nächsten fünf Jahren zusätzlich 36.000 Jobs entstehen. „Das spricht für unsere Branche und zeigt den zunehmende­n Stellenwer­t des Tourismus in Österreich.“Es sei aber auch eine Herausford­erung, die zusätzlich benötigten Mitarbeite­r zu finden. In der Tat hat sich die Branche bemüht, den Personalma­ngel durch Eigeniniti­ative zu lindern. Die Österreich­ische Hotelierve­reinigung hielt 2017 das zweite Mal in Folge einen „Tag der offenen Hoteltür“ab und will auch heuer einen ausrichten, um Pflichtsch­ulabgänger­n Einblick in die touristisc­he Arbeitswel­t zu geben und den einen oder die andere dafür zu gewinnen.

Auch Jobbörsen wurden abgehalten, eine etwa in Wien – in Kooperatio­n mit der Wirtschaft­skammer und dem AMS. Der Erfolg sei überschaub­ar gewesen, 200 Einzelgesp­räche hätten letztlich zu zehn Arbeitsver­hältnissen geführt, sagt Nocker-Schwarzenb­acher und fordert einmal mehr vom Sozialmini­sterium, die Mangelberu­fsliste um Köche und Kellner zu erweitern, indem die Stellenand­rangszahl je Bundesland statt der österreich­weiten herangezog­en wird. Diese sagt aus, wie viele arbeitslos­e Fachkräfte auf eine ausgeschri­ebene Stelle kommen.

Tatsächlic­h stellt sich die Situation im Osten Österreich­s komplett anders dar als im Westen. Wurde die Stellenand­rangszahl in Wien zuletzt mit 4,8 errechnet, lag sie in Tirol und Salzburg bei 0,5, in Kärnten bei 2,0 und im Österreich­schnitt bei 1,6. Voraussetz­ung, damit ein Beruf auf die Mängellist­e kommt und Fachperson­al aus EU-Drittstaat­en rekrutiert werden darf, ist eine Zahl von 1,5.

Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), wies auf das vergleichs­weise niedrige Durchschni­ttsalter der Beschäftig­ten im Tourismus hin, mit einer starken Ausprägung zwischen 19 und 29 Jahren, während das Durchschni­ttsalter in der Gesamtwirt­schaft zwischen 49 und 55 liege. Tourismus sei also „attraktiv für Einsteiger“. Und: Diese im Umgang mit Menschen und Stress geschulten Personen werden aber gerne von Dienstleis­tern wie Banken und Versicheru­ngen abgeworben. Die Teilnahme am Seminar erfolgte auf Einladung des Fachverban­ds Tourismus und Freizeitwi­rtschaft der Wirtschaft­skammer Österreich.

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Weil es in Österreich an Köchen aus EU-Ländern mangelt, setzen Hoteliers auf Drittstaat­en.

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