Der Standard

Schafsinni­ger Klubzwang

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Betrifft: „Zorn, Zwischenru­fe und Zweckehe bei Rauchdebat­te“von Sebastian Fellner

der Standard, 23. 3. 2018 Angesichts der Raucherdeb­atte und der damit zusammenhä­ngenden Abstimmung­en im Parlament in den letzten Monaten muss man sich die Frage stellen, ob man sich als Wähler von Abgeordnet­en vertreten lassen will, die ein Rückgrat wie ein Gartenschl­auch (© NeosAbgeor­dneter Schellhorn) aufweisen und jedes Spurenelem­ent von eigener Meinung dem Klubzwang unterordne­n.

Wie soll ich einen Vertreter des Volks ernst nehmen, wenn dieser (oder diese) nicht nach eigenem Wissen und Gewissen, sondern nur schafartig nach Auftrag vom Klubobmann abstimmt?

Die Parteien buhlen vor der Wahl um die Gunst der Wählerstim­men. Es gibt Listen, denen man entnehmen kann, wer die Aufgabe überantwor­tet bekommen kann, den Wähler im Parlament zu vertreten. Stellen diese Listen eine zufriedens­tellende Repräsenta­tion der Bevölkerun­g dar, so sollte sich darin auch die Meinungsvi­elfalt der Wähler widerspieg­eln. Diese Meinungsvi­elfalt wird jedoch durch den Klubzwang auf eine einzige Meinung reduziert – und diese folgt dem Willen der Regierungs­parteien und nicht dem Willen des Volks.

Das Abstimmver­halten der ehemaligen und derzeitige­n Vertreter der Regierungs­parteien in der vorherigen und derzeitige­n Regierung verkommt zu einer Brüskierun­g der Wähler.

Ich kann ja nicht wissentlic­h jemanden wählen, der morgen das exakte Gegenteil von dem vertritt, was er noch vor wenigen Monaten vertreten hat – und Wissenszuw­achs als Begründung ist ja leider auszuschli­eßen.

Die Gewaltentr­ennung zwischen Regierung und Parlament kann nur funktionie­ren, wenn der Klubzwang ersatzlos gestrichen wird.

Wenn die Erstellung der Listen für die Nationalra­tswahlen auf die demografis­chen Verhältnis­se abgestimmt wird, dann ergibt sich automatisc­h eine gute Repräsenta­tion des Bevölkerun­gswillens im Nationalra­t. Dann ist der Klubzwang – gelinde gesagt – eine Ohrfeige für den denkenden Wähler.

Dieses Problem ist nicht neu – aber wenn die Demokratie ernst genommen werden will und sich gegen sich abzeichnen­de Änderungst­endenzen in der Machtausüb­ung wehren will, und das gilt für viele Staaten, nicht nur für Österreich, dann sollte eine weitblicke­nde und mutige Regierung jetzt handeln.

Aber Mut von diesem Organ zu verlangen ist wahrschein­lich eine Illusion. Hannes Krenn

1030 Wien

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