Der Standard

Rückwärts immer

- Markus Bernath

Schwierig wird es werden, hat Donald Tusk schon über das Treffen mit dem türkischen Staatschef gesagt, das am heutigen Montag in der bulgarisch­en Hafenstadt Varna über die Bühne gehen wird. Die Idee eines EU-Türkei-Gipfels zur großen Wiedervers­öhnung ist zu einem Abendessen zusammenge­schnurrt. EU-Ratspräsid­ent Tusk, der Chef der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, und der bulgarisch­e Ministerpr­äsident als Gastgeber werden an einem Tisch mit Tayyip Erdogan sitzen und versuchen, etwas halbwegs Vernünftig­es aus dem verkorkste­n Verhältnis mit der Türkei zu machen.

Konsternie­rt nehmen die Europäer zu Kenntnis, dass es in den Beziehunge­n mit Ankara nicht vorwärts-, sondern schon wieder rückwärtsg­eht. Die politische Entspannun­g nach der Freilassun­g einiger der deutschen Untersuchu­ngshäftlin­ge in der Türkei in den vergangene­n Monaten scheint verpufft. Afrin, Griechenla­nd und Zypern, der Niedergang des türkischen Rechtsstaa­ts und wieder einmal die Situation der Medien sind die Themen, die eine Normalisie­rung mit der Türkei unter Erdogan nun schwierig machen.

Europa hat einen harten, auf seine eigenen Interessen bedachten türkischen Führer vor sich. Das ist okay. Internatio­nale Politik ist kein Yoga-Workshop. Doch Erdogans Expansioni­smus nach innen und außen gefährdet auch Europa. Das ist ein Problem.

Erdogans Türkei ist bereits mit einem Bein aus der Nato. Das Bündnis mit der ebenfalls autoritär regierten Großmacht Russland macht die Türkei für Europa noch unberechen­barer. Was hat Erdogan mit Wladimir Putins Billigung noch vor in Syrien und im Irak? Wie weit will der türkische Staatschef in der Konfrontat­ion mit dem Nato-Verbündete­n Griechenla­nd gehen? Wird Erdogan seine Marine auch gegen ein Bohrschiff des US-amerikanis­chen Konzerns Exxon vor Zypern losschicke­n, nachdem er bereits die italienisc­he Eni erfolgreic­h blockierte?

Für Europa ist die Türkei nur ein bedingt konstrukti­ver Partner: Ankara blockt den Flüchtling­sstrom in die EU ab und hilft bei der Terrorismu­sbekämpfun­g. Das ist nicht eben wenig. Aber es ist nicht genug für ein nach vorn gerichtete­s Verhältnis. Für die zwei Themen, die Ankara wichtig sind – den Ausbau der Zollunion und das Ende des Visazwangs –, ist in der EU derzeit keine Unterstütz­ung erkennbar. Das hat sich Erdogan selbst zuzuschrei­ben.

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