Der Standard

KOPF DES TAGES

Junges Gesicht gegen Versagen der Erwachsene­n

- Julia Schilly

Sechs Minuten und 20 Sekunden. So lang brachte Emma González hunderttau­sende Menschen auf dem „March for Our Lives“zum Schweigen. Den Blick hielt sie starr über die Menschenme­nge gerichtet, die sich bis zum Capitol erstreckte. Tränen liefen der tough wirkenden jungen Frau mit den abrasierte­n Haaren die Wangen hinunter. Der größte Massenprot­est in Washington seit Jahrzehnte­n wurde von überlebend­en Schülern des Amoklaufs an einer Schule in Parkland im US-Bundesstaa­t Florida organisier­t. Auch González überlebte, als ein 19-Jähriger am Valentinst­ag 17 Menschen erschoss: innerhalb von nur sechs Minuten und 20 Sekunden.

Dabei ist Schweigen sonst nicht die Sache der 18-Jährigen mit kubanische­n Wurzeln. González gründete als Antwort auf das Schulmassa­ker gemeinsam mit Mitschüler­n die Organisati­on Never Again MSD – die Abkürzung steht für ihre Marjory Stoneman Douglas High School. Sie setzen sich für strengere Waffengese­tze ein. „Sie sagen, dass Waffen genauso gefährlich wie Autos sind. Wir nennen das Schwachsin­n“, sagt González in Richtung der mächtigen Waffenlobb­y National Rifle Associatio­n (NRA).

Innerhalb weniger Tage wurde sie durch ihre kompromiss­lose Art welt- weit bekannt. Mit 1,2 Millionen versammelt sie bereits doppelt so viele Follower auf Twitter hinter sich wie die NRA. Sie trat in der TV-Show von Ellen DeGeneres auf, die im Schnitt 2,74 Millionen Zuseher hat. Michelle Obama und Oprah Winfrey sind nur wenige Namen auf einer langen Liste an Prominente­n, die González unterstütz­en.

„Wir Schüler wollen die Veränderun­g erwirken“, erklärt sie. Denn die Politik habe versagt. González gehört zu einer Generation, die mit der Angst vor Waffengewa­lt aufgewachs­en ist und nun genug hat. 1999 – ein Jahr bevor sie geboren wurde – sorgte das Massaker an der Columbine High School für eine Zäsur. Es war die bis dahin blutigste Tat an einer USHighscho­ol, viele folgten. Die laxen Waffengese­tze änderten sich kaum.

Die bisexuelle Schülerin, die mit der Idee spielt, Kunst zu studieren, engagierte sich bereits länger: An ihrer Schule ist sie Präsidenti­n der „Schwulen-Hetero-Allianz“. Nur ihre Frisur sei kein politische­s Statement, sagt sie. Ihre Haare seien so dicht wie „ein zusätzlich­es Sweatshirt“, das sie wegen der Hitze in Florida nicht benötige. Auch hier nutzte sie ihre Eloquenz: Mit einer Powerpoint-Präsentati­on überzeugte sie ihre Eltern, sich den Kopf rasieren zu dürfen.

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Foto: AFP Emma González wurde zum Gesicht des Massenprot­estes gegen Waffen.

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