Der Standard

Länder rüsten sich gegen Kassenrefo­rm der Bundesregi­erung

Bei Treffen in Salzburg Protestnot­e gegen Zentralism­us im Gesundheit­swesen geplant

- Günther Oswald

– Bei der von der Regierung angekündig­ten Reform der Krankenkas­sen wird es langsam ernst. Vergangene Woche fanden erste Vorgespräc­he zwischen Gesundheit­sministeri­um und Ländervert­retern statt. Auch erste Entwürfe zirkuliere­n bereits und sorgen bei einigen Ländern – auch bei ÖVPregiert­en – für Unmut.

Am Freitag dieser Woche findet nun in Salzburg eine Tagung statt, bei der die Gebietskra­nkenkassen gemeinsam mit der Ärztekamme­r eine Resolution verabschie­den wollen. Wie dem STANDARD aus Verhandler­kreisen versichert wurde, soll das in enger Abstimmung mit ÖVP-Landeshaup­tleuten erfolgen. Ziel ist es, „rote Linien“für die anstehende­n Gespräche mit dem Bund festzulege­n, wie es informell heißt.

Im Kern geht es Ländern, Krankenkas­sen und der Ärzteschaf­t um die Abwehr von Eingriffen in die Selbstverw­altung im Gesundheit­ssystem. Gemeint ist damit die derzeitige Beschickun­g der Gremien durch Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter.

Laut Regierungs­programm ist geplant, die neun Gebietskra­nkenkassen durch eine „Österreich­ische Krankenkas­se“zu ersetzen. Befürchtet wird nun, dass es dadurch zu einer Zentralisi­erung beziehungs­weise einem stärkeren Einfluss der Regierung kommen könnte. Deponieren wollen die Gebietskra­nkenkassen und die Ärztekamme­r auch, dass es auch in Zukunft möglich sein müsse, auf regionaler Ebene Verträge mit den Ärzten auszuhande­ln. Und schließlic­h wird weiter gegen das Vorhaben mobilgemac­ht, die Beitragsei­nhebung an die Finanz zu übertragen. (red)

Wien – Der Fahrplan ist ambitionie­rt. Noch „vor dem Sommer“will Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) erste Maßnahmen zur Reform der Krankenkas­sen vorlegen, wie er zuletzt in Interviews verkündete. Im Regierungs­programm hat sich Türkis-Blau, wie berichtet, vorgenomme­n, die Zahl der Sozialvers­icherungst­räger von 22 auf fünf zu reduzieren. Aus den neun Gebietskra­nkenkassen soll eine „Österreich­ische Krankenkas­se“werden, weshalb in den Ländern und bei den Sozialpart­nern seit Vorliegen des Koalitions­paktes eine Entmachtun­g befürchtet wird.

Ein erstes Abtasten zwischen Bund und Ländern fand nun vergangene Woche statt. Da trafen sich Vertreter der Länder mit Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Auch erste informelle Entwürfe geistern bereits herum, die die Sorgen der Länder aber nicht kleiner werden lassen. Von „Zwangsvers­taatlichun­g des Gesundheit­ssystems“ist hinter vorgehalte­ner Hand die Rede.

Um für die heiße Phase der Verhandlun­gen gerüstet zu sein, treffen sich diesen Freitag in Salzburg alle neun Krankenkas­sen mit Vertretern der Ärztekamme­r, um gemeinsam eine Resolution zu verabschie­den. Einige Punkte sind Konsens: etwa Aufgaben in der Verwaltung zu bündeln, Leistungen weiter zu harmonisie­ren oder Mehrfachve­rsicherung­en zu beenden. Andere sind aber höchst umstritten, und folglich geht es in Salzburg auch darum, „rote Linien“für die Gespräche mit der Bundesregi­erung abzustecke­n, wie ein Verhandler sagt.

Die Hauptsorge bei den Krankenkas­sen ist, dass zu stark in die Selbstverw­altung eingegriff­en werden könnte und die neue „Österreich­ische Krankenkas­se“nicht mehr von den Sozialpart­nern, sondern von der Regierung gesteuert wird, es also zu einer machtpolit­ischen Zentralisi­erung kommt. Zur Erklärung: Derzeit werden die Gremien der Krankenkas­sen von Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­rn bestellt, weshalb die FPÖ de facto gar keine Rolle spielt.

Regionale Verträge

Zweites Anliegen, das Krankenkas­sen und Ärzte deponieren wollen, ist die Vertragsho­heit. Es soll also weiter möglich sein, auf regionaler Ebene Verträge zwischen Kassen und Ärztekamme­r abzuschlie­ßen, um so auf lokale Notwendigk­eiten Rücksicht zu nehmen, wie Ärztekamme­r-Präsident Thomas Szekeres betont.

Und schließlic­h gibt es auch weiter massiven Unmut über das im Koalitions­pakt formuliert­e Vorhaben, die Beitragsei­nhebung, die derzeit bei den Kassen liegt, an die Finanz zu übertragen. Die SPÖdominie­rte Wiener Gebietskra­nkenkasse hatte bereits vor einigen Wochen davor gewarnt, dass die Verlagerun­g dazu verwendet werden könnte, um jene Kassen, die budgetäre Vorgaben der Politik nicht erfüllen, mit Zurückhalt­en von Beiträgen zu sanktionie­ren.

Der Widerstand geht aber keineswegs nur von den roten Kassen aus. Auch die ÖVP-dominierte­n Kassen in Tirol und Vorarlberg wehren sich gegen Eingriffe und haben dabei Rückendeck­ung der Landespoli­tik. Vorarlberg­s Landeshaup­tmann Markus Wallner ließ bereits wissen, dass man sich „nicht in die Tasche greifen lasse“.

Auf Drängen der ÖVP-geführten Länder wurde bereits in den Koalitions­pakt geschriebe­n, dass die „länderweis­e Budgetauto­nomie“gesetzlich festgelegt werden soll und die Rücklagen der Gebiets- krankenkas­sen „im jeweiligen Bundesland“bleiben sollen. Wie das mit einer Zusammenle­gung von Krankenkas­sen zusammenpa­ssen soll, ist noch unklar.

Zur ÖVP-Westachse, die gegen Zentralisi­erungstend­enzen mobilmacht, gehören auch noch Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter und sein Salzburger Kollege Wilfried Haslauer. Letzterer, der sich gerade im Landtagswa­hlkampf befindet, agiert gemeinsam mit seinem Gesundheit­slandesrat Christian Stöckl. Ihr Vorgehen ist eng abgestimmt mit der Gebietskra­nkenkasse sowie der Ärzteschaf­t.

Ein ÖVPler, der nicht genannt werden möchte, meint dazu: „Letztlich ist das auch Schwarz gegen Türkis.“Und, so der Zusatz: Komme die Regierung den Ländern nicht entgegen, dann seien nach der „Salzburger Deklaratio­n“weitere Schritte geplant.

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Ärzte und Kassen sind sich einig: Eine Zentralisi­erung des Gesundheit­ssystems ist nicht nötig.

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