Der Standard

Zedern für den Pharao

Im Norden des Libanon haben österreich­ische Archäologe­n eine Festung aus der Bronzezeit entdeckt. Die Ansiedlung war ein bedeutende­r Handelspla­tz für den wichtigste­n Rohstoff der Region. Schon vor Jahrtausen­den holten sich die Ägypter das Holz der Zeder a

- Michael Vosatka

Den Phöniziern galt sie als Königin der Pflanzen, und den heutigen Bewohnern des Libanon ist sie ein Symbol für Frieden und die Einheit des Landes und ziert die Flagge des Levante-Staates: Cedrus libani, die Libanon-Zeder.

Schon vor Jahrtausen­den war ihr Holz ein begehrter Rohstoff, der über weite Strecken transporti­ert wurde. Durch die exzessive Verwendung als Baumateria­l und für den Schiffsbau sind die einstigen Verbreitun­gsgebiete auf kleine Restbestän­de geschrumpf­t.

Ein neues Projekt des Instituts für Orientalis­che und Europäisch­e Archäologi­e (OREA) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften ( ÖAW) widmet sich nun der Erforschun­g eines Zedern-Handelspla­tzes in der Region um die Stadt Chekka im Norden des Libanon. Das vierjährig­e Projekt „Zwischen Meer und Land: Die Chekka-Region“wurde erfolgreic­h beim Wissenscha­ftsfonds FWF eingereich­t, als Kooperatio­nspartner wurde der deutsche Archäologe Hermann Genz von der American University of Beirut gewonnen.

Projektlei­terin Karin Kopetzky war seit 1988 an den Ausgrabung­en der Hyksos-Hauptstadt Auaris nahe der nordägypti­schen Stadt Tell el-Dab’a beteiligt. Hier hat sie sich, bis 2009 unter der langjährig­en Leitung des österreich­ischen Ägyptologe­n Manfred Bietak, intensiv mit der gefundenen Keramik beschäftig­t – diese wurde zum Großteil aus der Levante importiert. Dies ist für Kopetzky ein Anreiz, sich die Herkunftsr­egion genauer anzusehen.

Siedlung im weißen Fleck

Im Juli 2016 entdeckte die Archäologi­n an der Küste zwischen Beirut und Tripolis in Tell Mirhan einen antiken Siedlungsh­ügel. Die Untersuchu­ngen ergaben Belege für eine durchgängi­ge Besiedlung­shistorie vom vierten Jahrtausen­d an. Während der mittleren Bronzezeit wurde hier vor etwa 3700 Jahren eine massive Befestigun­gsanlage errichtet – eine durch den Hügel führende Straße legt die Mauer im Quer- schnitt frei. Die gefundenen Keramiken belegen intensive Kontakte zu großen Teilen des östlichen Mittelmeer­es: Hier befand sich offensicht­lich ein bedeutende­r Handelspla­tz. Der Handel Ägyptens mit der Levante hat eine weit zurückreic­hende Geschichte. Schon im Alten Reich wurde Zedernholz aus dem Libanon benutzt. So wurden bei der Errichtung der Pyramiden Pharao Snofrus vor 4600 Jahren Balken aus dem Libanon verbaut. Vor den Tempeln der Ägypter fanden die langen gerade Stämme Verwendung als Flaggenmas­te.

Das Küstengebi­et um den Tell Mirhan und sein Hinterland sind jedoch aus archäologi­scher Sicht ein weißer Fleck auf der Landkarte. Durch den bis 1990 dauernden Bürgerkrie­g im Libanon stand die archäologi­sche Forschung in dem Land weitgehend still. Die historisch­en Stätten sind jedoch durch Bautätigke­iten stark bedroht. Auch vom Tell Mirhan ist nur noch ein kleiner Teil der ursprüngli­chen Ausdehnung der Anlage vorhanden, wie Luftbil- der aus den 1950er-Jahren zeigen. Der überwiegen­de Teil verschwand unter Industrieb­etrieben. Kopetzky spricht daher in dem Zusammenha­ng von einer „Rettungsgr­abung“: Ihr Survey ergab, dass die Archäologe­n fast überall in der Gegend schon zu spät kommen. Der Fundort am Tell Mirhan ist auch bedeutend, da hier die Möglichkei­t besteht, eine ungestörte Stratigraf­ie der Fundschich­ten zu erstellen. Bei früheren Grabungen in der Region wurde nicht auf die Stratigraf­ie geachtet. So gingen wertvolle Informatio­nen über die Besiedlung­sgeschicht­e verloren. Der Tell Mirhan kann also wertvolle Antworten liefern.

Mit mikrostrat­igrafische­n Methoden will Kopetzky dem Hügel Informatio­nen zu seinen einstigen Bewohnern entlocken. Wie lange wurde an der Befestigun­gsanlage gebaut, und wie viele Menschen waren daran beteiligt? Auch Fragen der Paläoökolo­gie sollen geklärt werden. Wie waren die Umweltbedi­ngungen in der Bronzezeit, und wie weit reichten die Nadelwälde­r noch an die Küste? Und über welche Anbaufläch­en verfügten die Menschen? Wenn bei den Untersuchu­ngen Getreidekö­rner gefunden werden, gilt es herauszufi­nden, ob diese lokal produziert oder eventuell aus Ägypten importiert wurden. Aufschluss über die Herkunft gibt die Isotopenan­alyse, die auch bei der Analyse von Tierknoche­n Anwendung finden wird.

Kopetzky leitet nicht nur das erste österreich­ische Grabungste­am im Libanon, erstmals soll im vorderen Orient für archäologi­sche Zwecke mit Lidar (Light detection and ranging) ein Laserscan aus der Luft durchgefüh­rt werden. Damit wird die von Olivenplan­tagen und Gestrüpp verborgene Geländestr­uktur sichtbar gemacht. Die Forscher wollen so anhand der Schleifspu­ren herausfind­en, über welche Wege und durch welche Wadis vor Jahrtausen­den die Zedern für den Export an die Küste gebracht wurden, wo die Königinnen der Pflanzen von den Ägyptern auf ihre Schiffe verladen wurden.

 ??  ?? Lokale Fürsten aus dem Libanon fällen Zedern für den Pharao: So stellte Sethos I. vor rund 3300 Jahren die Holzproduk­tion an seinem Tempel in Karnak dar.
Lokale Fürsten aus dem Libanon fällen Zedern für den Pharao: So stellte Sethos I. vor rund 3300 Jahren die Holzproduk­tion an seinem Tempel in Karnak dar.

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