Der Standard

Unsere seltsame Schwäche für Putin

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Die EU hat die bisher schärfsten Maßnahmen gegen Putins Russland ergriffen. Weil es mit „größter Wahrschein­lichkeit“hinter dem Giftgasans­chlag auf einen übergelauf­enen Agenten und seine Tochter in Großbritan­nien steht, weisen 14 EU-Staaten russische „Diplomaten“aus. Österreich ist nicht dabei.

Das wird hierzuland­e auf große Zustimmung stoßen. Es ist wohl Mehrheitsm­einung, dass Österreich sich mit Putin, der im Juni auf Kurzbesuch kommt, gut stellen soll. Sehr viele Bürger sehen über Putins Verhalten hinweg bzw. scheinen sein System sogar den westlichen Demokratie­n vorzuziehe­n. Der Vertrag, den die FPÖ mit der Putin-Partei geschlosse­n hat, entspricht eindeutig einer Bewunderun­g für seinen autoritäre­n Stil und seine Versuche, die EU mithilfe von rechtsextr­emen Parteien in Europa in Schwierigk­eiten zu bringen.

Das wollen etliche Leser nicht hören. Nur zwei kleine Ausschnitt­e aus jüngster Zeit – Dkfm. Bernd A. schreibt an mich: „Bei aller Wertschätz­ung für Ihr sonstiges journalist­isches Wirken – aber Ihre regelmäßig­en russophobe­n Ausbrüche sind für einen großen Teil Ihrer Leserschaf­t schwer erträglich … Ist die Zukunft ein neues Stalingrad?“

Auch Gerhard P. erklärt seine Wertschätz­ung für den Autor dieser Kolumne, aber: „Denken in Einflusssp­hären dürfen doch nur die Guten (also wir) und nicht die Bösen (also die Anderen) … Damit kein Missverstä­ndnis aufkommt: Ich halte Putin keineswegs für einen lupenreine­n Demokraten, die russische Staatsform ist von unserer weit entfernt; allerdings die der Ukraine noch weiter.“

„Russophob“? „Neues Stalingrad“? „Gute – Böse“? Man bräuchte ein Buch, um das zu widerlegen. Die Wahrheit ist, dass viele im Westen geneigt sind, Putin und seinem Machtappar­at alles durchgehen zu lassen bzw. Entschuldi­gungen für ihn zu finden.

Putin, der bald 20 Jahre an der Macht ist, versuchte zuerst seine Macht zu festigen und verhielt sich gegenüber dem Westen halbwegs kooperativ. In den letzten Jahren hat er jedoch auf massive Konfrontat­ion umgeschalt­et und setzt eine Aggression nach der anderen. Seine Kritiker sterben mysteriöse Tode, eine wirkliche Opposition wird nicht zugelassen, und nach außen gibt es Übergriffe: Annexion der Krim, De-facto-Annexion der Ostukraine, Eingreifen in Syrien auf der Seite eines Massenmörd­ers. Dazu ein Trollkrieg und Wahlbeeinf­lussung in den USA und Europa.

Viele erklären das mit der Enttäuschu­ng Putins über den Westen. Kenner der (Post-) Sowjetunio­n sehen das anders: Putin kann den Russen nur Großmachtt­räume geben, da er ihre wirtschaft­liche Lage nicht wirklich bessern kann. Russland, dessen BIP übrigens nicht größer ist als das Frankreich­s, ist militärisc­h sehr stark, wirtschaft­lich schwach.

Es ist eine alte russische Politik noch aus der Zarenzeit: statt Reformen im Inneren Expansion nach außen. Es wird trotzdem kein „neues Stalingrad“geben; wer sollte in Russland einmarschi­eren? Es wird keinen Krieg gegen Europa geben. Aber Einschücht­erungsvers­uche, Destabilis­ierung, Engagement von nützlichen Idioten.

Hier „die Guten“– da „die Bösen“? Wenn man an Trump denkt, scheint das nicht mehr so klar. In Wahrheit heißt es: hier die Demokratie­n, dort ein autoritäre­s System, das nicht abgewählt werden kann.

Es hat keinen Sinn, gegen Russland Konfrontat­ionspoliti­k zu betreiben; aber es ist wirklich gefährlich, gegenüber Russland Beschwicht­igungspoli­tik zu betreiben. hans.rauscher@derStandar­d.at

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