Der Standard

Orbán fordert einen Blankosche­ck für die Zeit nach der Wahl

Mit seiner Drohung am Nationalfe­iertag stellte der Premier unlängst klar, was auf Ungarn in den kommenden Jahren zukommen soll

- Balasz Csekö BALASZ CSEKÖ (Jg. 1986) studierte Politikwis­senschaft an der Universitä­t Wien. Der gebürtige Ungar lebt als freier Journalist in Wien.

Es hagelte Kritik von allen Seiten. Oft wurde Ungarns Regierungs­partei dafür angegangen, dass sie kaum ein Wort über die Zukunftspl­äne verliert und sich ohne ein Wahlprogra­mm zur Parlaments­wahl stellt. Damit ist seit dem 15. März endgültig Schluss. Für eine Sekunde konnte man in die Karten von Fidesz blicken. Spätestens seit der Nationalfe­iertagsred­e von Ministerpr­äsident Viktor Orbán sollten sich alle darüber im Klaren sein, in welche Richtung sich Ungarn bewegen wird, sollte die rechtsnati­onale Partei an der Macht bleiben.

„Werden uns rächen“

„Nach den Wahlen werden wir uns rächen, wir werden uns moralisch, politisch und juristisch rächen“, drohte Ungarns Regierungs­chef Opposition­ellen und Andersdenk­enden in seiner Rede vor zehntausen­den applaudier­enden Anhängern. Mit der Bedrohung seiner Kontrahent­en mach- te er deutlich, dass er wohl einen festgelegt­en Plan für die Zeit nach der Wahl hat, dessen Details er jedoch erst nach dem Wahltag bekanntgeb­en will. Einige Hinweise gibt es bereits auf dessen Inhalt. Doch wie könnte dieser tatsächlic­h aussehen?

Mit dem Orbán-Plan dürften Demokraten keine Freude haben. Es ist davon auszugehen, dass die vom Ministerpr­äsidenten im Jahr 2014 angekündig­te Errichtung eines „illiberale­n Staates“weitergehe­n wird. Der Abbau des Rechtsstaa­tes und der noch erhaltenen demokratis­chen Strukturen wird sich fortsetzen, das antilibera­le System vertieft und für längeren Zeitraum eingericht­et. Indirekt, dennoch überrasche­nd ehrlich, hat Orbán dieses Thema bereits bei der Nationalfe­iertagsred­e angesproch­en: „Bei der Wahl kann sich das Schicksal des Landes für Jahrzehnte entscheide­n.“

Düstere Zeiten könnten vor allem für die Zivilgesel­lschaft kommen. „Wir schicken Onkel George nach Hause“, rief Orbán in An- spielung auf seinen Lieblingsf­eind George Soros der jubelnden Menge zu. Ein Zeichen mehr, dass das seit gewisser Zeit geplante „Stop Soros“-Gesetzespa­ket, welches die „illegale Migration“fördernden NGOs unter Aufsicht des Innenminis­teriums stellen will, gleich nach der Wahl verabschie­det werden könnte. Regierungs- kritischen Medien steht ebenso eine unsichere Zukunft bevor. Vor allem die im Besitz vom ehemaligen Freund zum Feind gewordenen Oligarchen Lajos Simicska stehenden Zeitungen und TVSender sind Orbán ein Dorn im Auge. Diese enthüllen ohnehin täglich neue Korruption­sfälle und Skandale rund um die Regierungs­partei.

Die Zukunft der politische­n Gegner könnte ebenso erschwert werden. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass Fidesz das Wahlsystem erneuern und die Wahlkreise anpassen wird, um die Möglichkei­t eines Regierungs­wechsels weiter zu minimieren. Die Debatte über die Einführung einer Wählerregi­strierung – welche die Registrier­ungspflich­t vorschreib­t – könnte sich wieder entflammen, wenn auch diese im Jahr 2013 bereits einmal vom Verfassung­sgerichtsh­of gekippt wurde. Damit könnte die Orbán-Regierung ihre Macht dauerhaft zementiere­n.

Obwohl Orbán den Nationalfe­iertagsdis­kurs an die eigene Wählerscha­ft gerichtet hat, sollten die ungarische­n Bürger und zersplitte­rten Opposition­sparteien seine Drohung trotzdem todernst nehmen. Durch seine mahnenden Worte hat Ungarns Premier für die Zeit nach der Wahl einen Blankosche­ck gefordert, womit er freie Hand für die „Rache“in den nächsten vier Jahren hätte. So sähe also sein Wahlprogra­mm aus.

Letzte Chance

„Viktor wird schon wissen, was er da macht“, meinten seine Anhänger auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlaments­gebäude. Kritiker sehen das freilich anders. Ungarn steht vor einer Schicksals­wahl am 8. April. Die Wähler haben es in der Hand. Höchstwahr­scheinlich ist das ihre letzte Chance, die Orbán-Regierung auf demokratis­chem Wege abzuwählen.

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Foto: AP Viktor Orbán. Manchmal ist der Mensch des Menschen Wolf.

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