Frankreichs Flaggen auf Halbmast
Frankreich erwies dem Gendarmen Arnaud Beltrame die letzte Ehre. Für politische Polemik sorgte ein am gleichen Tag organisierter Gedenkmarsch für ein jüdisches Opfer einer anderen Attacke.
Die bunten Regenschirme waren noch das Fröhlichste im Innenhof des Invalidendoms. Der vom Pantheon aus durch Paris eskortierte Sarg von Arnaud Beltrame stand in den Landesfarben einsam im Regen, während Uniformierten die Tränen über verkniffene Gesichter rannen. Selten zuvor hatte Frankreich so ergriffen und bestürzt reagiert wie nach dem Tod des Gendarmerie-Offiziers. Der 44-Jährige hatte sich am vergangenen Freitag freiwillig dazu gemeldet, in dem Supermarkt von Trèbes (Südfrankreich) gegen eine weibliche Geisel aus Carcassonne ausgetauscht zu werden. Er verbrachte drei Stunden mit dem frankomarokkanischen Terroristen, der ihm schließlich eine tödliche Schnittwunde am Hals zufügte und dreimal auf ihn schoss, worauf die Eliteeinheiten eingriffen.
Fast mehr noch als die Bilanz von fünf Toten inklusive Täter bewegte die Nation der Mut Beltrames, der schon im Irakkrieg „unter Lebensgefahr“(so die Gendarmerie) eine französische Hilfswerkvertreterin aus einer brenzligen Situation gerettet hatte. In Frankreich hingen die Flaggen am Mittwoch auf Halbmast. Die Polizeiwachen absolvierten eine Schweigeminute, die Schulen diskutierten auf Anweisung des Bildungsministeriums Themen wie „Mut, Über-sich-Hinauswachsen und Bürgersinn“.
Hunderte Trauergäste
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ehrte im InvalidenHof in einer langen Rede vor hunderten von Gästen den posthum zum Oberst beförderten Gendarm. Beltrame sei ein Vertreter des „französischen Heroismus“, er verkörpere den nationalen Widerstandswillen, der sich schon in Volksretterinnen wie Jeanne d’Arc oder Résistance-Kämpfern wie Charles de Gaulle geäußert habe, meinte der Staatschef. In seiner ersten Rede zu einem schweren Terroranschlag unterließ es Macron nicht, die „islamistische Hydra“beim Namen zu nennen.
Die ermordete jüdische Rentnerin Mireille Knoll sei Opfer „des gleichen Obskurantismus“geworden, fügte er an. Die 85-jährige, unter Parkinson leidende Frau, die 1942 in Paris nur knapp einer Polizeirazzia mit Destination Auschwitz entgangen war, wurde am vergangenen Freitag von einem langjährigen Bekannten und Nachbarn mit elf Messerstichen ermordet. Sein obdachloser Komplize will bei der Tat in Knolls Sozialwohnung den „Allahu Akbar“-Ruf gehört haben. Für Aufregung sorgte am Mittwochabend ein Gedenkmarsch für die Ermor- dete zu Knolls Wohnort. Fast alle politischen Parteien hatten ihre Präsenz angekündigt. Der Dachrat der jüdischen Institutionen Frankreichs (Crif) erklärte jedoch den rechten Front National von Marine Le Pen sowie die linken Unbeugsamen von Jean-Luc Mélenchon für „nicht willkommen“. Crif-Vorsteher Francis Kalifat begründete dies mit der „Überrepräsentation von Antisemiten“in diesen beiden Formationen. Der dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nahestehende Gemeindevertreter hatte Mélenchon schon 2017 vorgeworfen, er unterstütze den internationalen Boykottaufruf gegen Produkte aus den besetzten Gebieten.
Macrons Justizministerin Nicole Belloubet hielt dagegen, jedermann sei frei, an einer Demonstration teilzunehmen. Das erklärte auch Mireille Knolls Sohn, um anzufügen: „Der Crif betreibt Politik, ich öffne mein Herz.“Sowohl Le Pen wie Mélenchon kündigten darauf an, sie wollten an dem Gedenkmarsch auf jeden Fall teilnehmen.