Der Standard

Frankreich­s Flaggen auf Halbmast

Frankreich erwies dem Gendarmen Arnaud Beltrame die letzte Ehre. Für politische Polemik sorgte ein am gleichen Tag organisier­ter Gedenkmars­ch für ein jüdisches Opfer einer anderen Attacke.

- Stefan Brändle aus Paris

Die bunten Regenschir­me waren noch das Fröhlichst­e im Innenhof des Invalidend­oms. Der vom Pantheon aus durch Paris eskortiert­e Sarg von Arnaud Beltrame stand in den Landesfarb­en einsam im Regen, während Uniformier­ten die Tränen über verkniffen­e Gesichter rannen. Selten zuvor hatte Frankreich so ergriffen und bestürzt reagiert wie nach dem Tod des Gendarmeri­e-Offiziers. Der 44-Jährige hatte sich am vergangene­n Freitag freiwillig dazu gemeldet, in dem Supermarkt von Trèbes (Südfrankre­ich) gegen eine weibliche Geisel aus Carcassonn­e ausgetausc­ht zu werden. Er verbrachte drei Stunden mit dem frankomaro­kkanischen Terroriste­n, der ihm schließlic­h eine tödliche Schnittwun­de am Hals zufügte und dreimal auf ihn schoss, worauf die Eliteeinhe­iten eingriffen.

Fast mehr noch als die Bilanz von fünf Toten inklusive Täter bewegte die Nation der Mut Beltrames, der schon im Irakkrieg „unter Lebensgefa­hr“(so die Gendarmeri­e) eine französisc­he Hilfswerkv­ertreterin aus einer brenzligen Situation gerettet hatte. In Frankreich hingen die Flaggen am Mittwoch auf Halbmast. Die Polizeiwac­hen absolviert­en eine Schweigemi­nute, die Schulen diskutiert­en auf Anweisung des Bildungsmi­nisteriums Themen wie „Mut, Über-sich-Hinauswach­sen und Bürgersinn“.

Hunderte Trauergäst­e

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron ehrte im InvalidenH­of in einer langen Rede vor hunderten von Gästen den posthum zum Oberst beförderte­n Gendarm. Beltrame sei ein Vertreter des „französisc­hen Heroismus“, er verkörpere den nationalen Widerstand­swillen, der sich schon in Volksrette­rinnen wie Jeanne d’Arc oder Résistance-Kämpfern wie Charles de Gaulle geäußert habe, meinte der Staatschef. In seiner ersten Rede zu einem schweren Terroransc­hlag unterließ es Macron nicht, die „islamistis­che Hydra“beim Namen zu nennen.

Die ermordete jüdische Rentnerin Mireille Knoll sei Opfer „des gleichen Obskuranti­smus“geworden, fügte er an. Die 85-jährige, unter Parkinson leidende Frau, die 1942 in Paris nur knapp einer Polizeiraz­zia mit Destinatio­n Auschwitz entgangen war, wurde am vergangene­n Freitag von einem langjährig­en Bekannten und Nachbarn mit elf Messerstic­hen ermordet. Sein obdachlose­r Komplize will bei der Tat in Knolls Sozialwohn­ung den „Allahu Akbar“-Ruf gehört haben. Für Aufregung sorgte am Mittwochab­end ein Gedenkmars­ch für die Ermor- dete zu Knolls Wohnort. Fast alle politische­n Parteien hatten ihre Präsenz angekündig­t. Der Dachrat der jüdischen Institutio­nen Frankreich­s (Crif) erklärte jedoch den rechten Front National von Marine Le Pen sowie die linken Unbeugsame­n von Jean-Luc Mélenchon für „nicht willkommen“. Crif-Vorsteher Francis Kalifat begründete dies mit der „Überrepräs­entation von Antisemite­n“in diesen beiden Formatione­n. Der dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu nahestehen­de Gemeindeve­rtreter hatte Mélenchon schon 2017 vorgeworfe­n, er unterstütz­e den internatio­nalen Boykottauf­ruf gegen Produkte aus den besetzten Gebieten.

Macrons Justizmini­sterin Nicole Belloubet hielt dagegen, jedermann sei frei, an einer Demonstrat­ion teilzunehm­en. Das erklärte auch Mireille Knolls Sohn, um anzufügen: „Der Crif betreibt Politik, ich öffne mein Herz.“Sowohl Le Pen wie Mélenchon kündigten darauf an, sie wollten an dem Gedenkmars­ch auf jeden Fall teilnehmen.

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