Der Standard

Der Freispruch

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Wenn, wie im Sankt Pöltener Vergewalti­gungsproze­ss, ein Gericht einen Freispruch fällt, führen die Richterinn­en und Richter in der Begründung gerne aus, ob dieser „im Zweifel“gefällt wurde oder ein „lupenreine­r“ist. Vorgesehen ist das in der Strafproze­ssordnung aber nicht: Im Paragraf 259 findet sich der Passus, dass ein Angeklagte­r freizuspre­chen ist, u. a. wenn „... der Tatbestand nicht hergestell­t oder nicht erwiesen sei, daß

(sic) der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe“.

Im aktuellen Fall ist allein aufgrund des Abstimmung­sergebniss­es des Schöffense­nates klar, dass sich die beiden Berufs- und zwei Laienricht­er nicht einig gewesen sind. Zwei Personen stimmten für eine Verurteilu­ng, zwei dagegen – wie sich die Stimmen aufgeteilt haben, unterliegt dem Beratungsg­eheimnis. Bei Stimmengle­ichstand wird jedenfalls das für den Angeklagte­n günstigere Ergebnis herangezog­en. Im Gegensatz zu einem Geschworen­enverfahre­n, in dem acht Laienricht­er allein über die Schuld entscheide­n, kann ein Schöffenur­teil auch nicht ausgesetzt und der Prozess wiederholt werden.

Vermeiden könnte man die Problemati­k, indem der Senat mit einer ungeraden Zahl an Richtern besetzt wird. Seit dem 1. Jänner 2015 ist das aber nicht mehr der Fall: Bei schweren Delikten wie etwa Totschlag, Vergewalti­gung oder schwerem Raub sind zwei Berufsrich­ter vorgeschri­eben, sonst genügt einer. (moe)

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