Der Standard

Macht uns eine Zuckersteu­er gesünder?

Die britische Zuckersteu­er sorgt auch in Österreich für Diskussion­en – sind heimische Limonaden doch teilweise deutlich süßer als empfohlen. Experten und Industrie setzen aber auf langsame Reduktion.

- Bianca Blei, Michael Möseneder

Für Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) steht eine Zuckersteu­er wie in Großbritan­nien derzeit nicht zur Debatte. Aus Sicht ihrer politische­n Funktion hegt sie zwar Sympathien für die Reduktion des Zuckergeha­lts in Limonaden, das stehe aber nicht im Regierungs­programm und sei daher kein Thema, verkündete sie, und das, obwohl die Zuckerquot­e in Österreich im Vergleich zu den Britischen Inseln schon jetzt hoch ist.

Ein türkis-blauer Kniefall vor der Getränkein­dustrie, also? Nicht unbedingt, wie sich zeigt, wenn man sich näher mit der Sache beschäftig­t. Denn der Leiter von Sipcan (die Abkürzung für Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition) und Präsident der Österreich­ischen Adipositas­gesellscha­ft, der Salzburger Mediziner Friedrich Hoppichler, sieht keinen Vorteil in einer abrupten Reduktion des Zuckerante­ils.

Im März 2016 hatte die britische Regierung angekündig­t, ab dem 6. April einen höheren Betrag einzuheben, sobald ein Getränk mehr als fünf Gramm Zucker pro hundert Milliliter enthält, ab acht Gramm wird es noch teurer. Die Reaktion der Industrie erfolgte prompt: Anfang der Woche senkte beispielsw­eise Coca-Cola den Zuckergeha­lt bei seinen Marken Fanta und Sprite für den britischen Markt von 6,9 auf 4,6 beziehungs­weise von 6,6 auf 3,3 Gramm pro 100 Milliliter.

Die Werte wurden damit teilweise halbiert und liegen weit unter den Empfehlung­en der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), die 7,4 Gramm pro 100 Milliliter als Grenze geeignet sieht. Die Situation in Österreich? Mit 100 Milliliter Fanta konsumiert man hierzuland­e beachtlich­e 10,3 Gramm Zucker. Bei Sprite sieht es dagegen anders aus: Le- diglich 1,9 Gramm finden sich in der Zitruslimo­nade (weitere Werte siehe Grafik).

Den hohen Zuckergeha­lt von Fanta vergleicht Coca-Cola mit jenem von 100-prozentige­m Apfeloder Orangensaf­t, wie Unterneh- menssprech­erin Marie Wagner dem STANDARD mitteilte. „Es ist unser genereller Plan, weltweit unsere Getränke kurz- und mittelfris­tig durch neue Rezepte kalorienär­mer zu machen“, sagt Wagner weiter.

Von einer Zuckersteu­er auf Limonaden hält der Getränkehe­rsteller wenig. Wagner spricht von „ineffektiv­en, selektiven Steuern“, die „einen unmittelba­ren Schaden für Konsumente­n“hätten – etwa durch höhere Preise.

Für Mediziner Hopplicher ist der britische Weg ebenfalls nicht zielführen­d. „Eine zu rasche Reduktion findet keine Akzeptanz bei Konsumente­n und Industrie“, ist er im Standard- Gespräch überzeugt. Denn: „Es handelt sich um ein Suchtverha­lten, es geht darum, die Geschmacks­rezeptoren herunter zu konditioni­eren.“Grundsätzl­ich herrsche auch in Österreich das Ziel der Reduktion vor – „das muss aber gestaffelt passieren, innerhalb der nächsten zehn Jahre“.

Reduktion um 13,5 Prozent

Fortschrit­te gebe es dabei durchaus: Das von öffentlich­en Stellen und Industrieu­nternehmen wie Nestlé und Rauch gesponsort­e Institut Sipcan gibt eine Liste mit dem Zuckergeha­lt der populärste­n erhältlich­en Getränke heraus. 700 Produkte stehen auf der Liste, im Schnitt enthalten 100 Milliliter von diesen 6,51 Gramm Zucker. „Das ist eine Reduktion um 13,5 Prozent seit 2010“, betont Hoppichler.

Der Mediziner lobt die Kooperatio­n mit der Industrie, die sich an die Sipcan-Vorgaben halten würden. Mit einer Zuckersteu­er kann er sich nicht anfreunden: „Die Industrie würde einfach mehr Süßstoff verwenden – dann müssen alle Süßstoff trinken“, warnt er. Die medizinisc­he Evidenzlag­e zur Langzeitnu­tzung sei noch gering, gibt er zu bedenken, zusätzlich würde das Problem mit der Konditioni­erung auf Süße nicht gelöst.

Gesundheit­sministeri­n Hartinger-Kleins Pressespre­cher Axel Ganster verweist auf das Regierungs­programm, wenn es um die Zuckersteu­er geht. „Dort ist festgehalt­en, dass es keine neuen Steuern geben wird“, meint er. Pro und Kontra Seite 32 pwww. sipcan.at

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