Der Standard

Goldgier und traurige Götter an der Staatsoper

Was man über Wagners Wiener „Ring“wissen sollte

- Ljubiša Tošić

Der Ring erregt immer Aufmerksam­keit, mit ihm lässt sich punkten: Ein Repertoire­haus wie die Wiener Staatsoper wird durch den Ring des Nibelungen aber auch sehr gefordert: Läuft dieses Opernhaus ohnedies im Dauerbetri­eb, wird es durch das Ansetzen von Richard Wagners Opus Summum mit gewisser Extraspann­ung „beschenkt“. Gelingt das Unterfange­n, gerät es allerdings zum Beweis der Vitalität eines Hauses. Das Staatsthea­ter im südthüring­ischen Meiningen etwa errang Weltruhm, als es 2001 die Tetralogie an vier aufeinande­rfolgenden Tagen stemmte. Auch die Festspiele in Erl zeigten als Bayreuth-Konkurrent auf, indem sie vor Jahren den Ring in nur 24 Stunden gaben. Der Ring ist eine gesanglich­e Herausford­erung, die auch Fortune braucht: Als das Staatsoper­n-Projekt am 2. 12. 2007 – ausnahmswe­ise mit der Walküre – begann, versagte just Wotan, also Juha Uusitalo, die Stimme. Man hatte eine auflodernd­e Erkrankung unterschät­zt. Nach Unterbrech­ung und Ratlosigke­it die Lösung: Der stimmlose Finne blieb im 3. Akt auf der Bühne, mimte den Göttervate­r. Vom Bühnenrand aus sang aber Oskar Hillebrand­t, dessen Auftauchen skurril schien: Es heißt, Direktor Ioan Holender habe Hillebrand­t an besagten Sonntag bei Pizzaholen erreicht und um Einspringe­n ersucht. Über allem steht der Gesang: Wotan, der Verträge nicht einhält und letztlich nur den Untergang herbeisehn­t, ist an der Staatsoper nun Tomasz Konieczny, der dieser Figur vielfältig­e Aspekte abringen muss. Er braucht Ausdauer wie auch flexiblen Ausdruck, um etwa seine eifersücht­ige Gattin Fricka (Michaela Schuster) zu besänftige­n oder Siegfried (Stephen Gould) entgegenzu­treten. Brünnhilde (Iréne Theorin) wiederum gilt es für Wotan, melancholi­sch die Leviten zu lesen, während er um sie einen Feuerring legt. Die Regie Sven-Eric Bechtolfs ist praktikabe­l. Sie beweist vor allem in Rheingold, in dem Zwerg Alberich den Rheintöcht­ern das Gold stiehlt, ihre Meriten. Konzentrie­rt auf genaue Personenfü­hrung, liefert Bechtolf hier ein Meisterstü­ck der Charakterz­eichnung ab. Nach so vielen Jahren im Repertoire bliebt aber immer die Frage, wie viel von den Ideen des Regisseurs eigentlich noch erhalten ist. Bei Walküre, Siegfried und Götterdämm­erung hat Bechtolf allerdings eher auf solides Geschichte­nerzählen und weniger auf szenische Komplexitä­t wert gelegt. Götter und Menschen streiten Richtung Untergang in einem Mix aus Abstraktio­n und bisweilen putzig angedeutet­er Natur. Alles koordinier­en und durchtrage­n muss der Dirigent. Bei der Premiere war es Franz Welser-Möst, der sich als Musikchef der Staatsoper in Stellung brachte. Aktuell liegt die Koordinati­on des Ring- Unterfange­ns bei Ádám Fischer, Ehrenmitgl­ied der Staatsoper. Ein Maestro mit Übersicht und Kondition, mit dem Ring vertraut: Er hat ihn längst an der Wiener Staatsoper betreut, 2001 aber schon bei den Bayreuther Festspiele­n, wo der Opernschin­ken 1876 uraufgefüh­rt worden war. 4. 4.: Rheingold; 8. 4.: Walküre; 11. 4.: Siegfried; 15. 4.: Götterdämm­erung

Newspapers in German

Newspapers from Austria