Der Standard

Die Fassade wird rissig

- Maria Sterkl

Mehr Geld und mehr Macht für die Polizei: Das hat die türkis-blaue Bundesregi­erung bald nach ihrer Angelobung versproche­n und dieses Verspreche­n auch gehalten. Dass sich die FPÖ im Vergleich zu ihren Ankündigun­gen in Vorwahlzei­ten einen massiven Umfaller geleistet hat, indem sie dem Überwachun­gspaket zustimmte – geschenkt. Der Wählerguns­t der Freiheitli­chen dürfte es nicht schaden. Bekanntlic­h ist Datenschut­z nicht gerade das größte Herzensanl­iegen der Österreich­er – und noch weniger ist er primäres Wahlmotiv der FPÖ-Klientel.

Die ÖVP unter Sebastian Kurz wiederum nutzt das Investiere­n in die Sicherheit­sarchitekt­ur, um weiter an ihrem Image als Partei der Ordnung und Sicherheit zu bauen. Ob die türkis-blaue Politik tatsächlic­h zu mehr Sicherheit beiträgt, wurde von Experten zwar ohnehin bezweifelt, aber in der öffentlich­en Meinung dürfte die PR-Strategie aufgehen: Law and Order liegt schließlic­h im Trend. Überspitzt gesagt: Den neuen Sicherheit­sarchitekt­en ist es nicht so wichtig, ob die Statik hält – solange nur die Fassade glänzt.

Nun aber scheint auch der Verputz erste Risse zu bekommen. Zwar erhält der Innenminis­ter mehr Geld, Justizmini­ster Josef Moser hingegen muss empfindlic­he Einschnitt­e hinnehmen. Wer eins und eins zusammenzä­hlen kann, weiß was das bedeutet: Es wird mehr Polizisten geben, die mehr und mehr Anzeigen aufnehmen werden, doch es wird an Staatsanwä­lten fehlen, um die Anzeigenfl­ut abzuarbeit­en. Es wird mehr Möglichkei­ten zur Überwachun­g geben, diese werden auch genutzt werden, aber es wird an Richtern und richterlic­hem Kanzleiper­sonal fehlen, um diese zu prüfen. Und in Zukunft, wenn reihenweis­e Richter in Pension gehen und keine jungen Richter nachrücken, wird sich dieses Problem, glaubt man den Mahnern der Justizverw­altung, noch massiv verschärfe­n. Die Justiz wird zum Flaschenha­ls im Sicherheit­sapparat.

Wenn Beamtenmin­ister Heinz-Christian Strache dem Justizmini­ster nun ausrichtet, dieser solle eben einfach klüger sparen, dann ist das nicht nur zynisch. Es sollte auch Grund zur Sorge sein. Derselbe Vizekanzle­r pflegt auf seiner Facebook-Seite nämlich Gerichtsur­teile zu kritisiere­n. Die blauen Angriffe auf die Justiz sind also mehr als nur innerkoali­tionäres Geplänkel, sie haben System. Unabhängig­e Richter, die Grundrecht­e absichern, sind allen Machthaber­n lästig. Besonders aber jenen, die sich das Aushöhlen dieser Grundrecht­e zum Programm gemacht haben.

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