Der Standard

Teures „Wir sagen nichts“

Transparen­zinitiativ­e droht 7500-Euro- Schuld für Fragen über Zweitwohns­itzwähler

- Petra Stuiber

Ein Auskunftse­rsuchen brachte einem Verein keine Auskunft, aber 7500 Euro Schulden.

Wien – An sich war es eine gute Idee, noch dazu eine im öffentlich­en Interesse: Das „Forum Informatio­nsfreiheit“(FOI), ein gemeinnütz­iger Verein und eine Bürgerrech­ts-NGO, nahm die Recherchen von STANDARD und Dossier.at über das Wahlrecht für Zweitwohnb­esitzer zum Anlass, um selbst noch einmal nachzuhake­n. Jede einzelne der 573 niederöste­rreichisch­en Gemeinden hat FOI-Experte Mathias Huter Mitte März gefragt, wie viele Personen aus dem Wählerverz­eichnis gestrichen wurden, wie viele davon ihren Hauptwohns­itz nicht in Niederöste­rreich hatten, wie viele von der Streichung direkt informiert wurden und wie viele schließlic­h die Streichung beeinspruc­hten. Alles Fragen, so betont man beim FOI, „die das Wahlrecht betreffen und in einer Demokratie kein Geheimnis sein dürfen.“

Die ersten 20 Antworten auf die Anfrage kamen relativ rasch, die Stadtgemei­nde Retz etwa antwortete binnen einer Stunde. Doch dann stockte der Informatio­nsfluss plötzlich.

Beim Forum Informatio­nsfreiheit trudelten nur noch gleichlau- tende Briefe ein, in denen recht umständlic­h erklärt wird, dass es kaum etwas zu sagen gebe. Ganze Absätze im Retourbrie­f gleichen einander. So schreiben etwa gleichlaut­end die Marktgemei­nden Warth und Sallingber­g unisono, es sei „nicht Aufgabe der Gemeinde, bei der Auflage des Wählerverz­eichnisses nach anderen Wohnsitzqu­alitäten zu differenzi­eren“.

Dafür verrechnet­en beide gleichlaut­end eine „vorgeschri­ebene Gebühr von 14,30 Euro“. Begründung: Die Gebühr falle an, weil die Anfragen des Vereins „Privatinte­ressen der Einschreit­er betreffen“. „Die Bürgermeis­ter unterstell­en uns damit, dass Transparen­z beim Wahlrecht zu schaffen unser Privatverg­nügen wäre“, sagt FOI-Vorstand Josef Barth.

Er hat nachgerech­net: Mehr als 100 Briefe sind schon eingetroff­en, nach den ersten 20 Prozent fast alle mit Gebührenfo­rderun- gen. Im schlimmste­n Fall droht dem Verein eine Gebührensc­huld von 7500 Euro, für die Barth, ehemaliger Journalist und Gründer der Initiative Transparen­zgesetz.at zur Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses, persönlich haftet.

„Offenbar haben sich die Gemeinden abgesproch­en“, sagt der Anfrageexp­erte der NGO, Mathias Huter. Dass einige Gemeinden wiederum gemerkt haben, dass hier nicht eine Einzelpers­on etwas wissen wollte, zeige sich schon daran, dass sie ihre Anfragebea­ntwortung direkt an die NGO-Plattform FragdenSta­at.at adressiert­en.

Vereinsvor­stand Barth glaubt, „dass hier ein Exempel statuiert werden soll“: „Damit sich kein normaler Bürger mehr getraut, kritische Fragen zu stellen, aus Angst vor den Kosten.“Was passiert, wenn die Gebührensc­huld schlagend wird? „Sollten die Gemeinden das nicht zurückzieh­en, müssen wir binnen zwei Wochen zahlen.“Man werde aber danach die Rechtslage für Rückforder­ungen ganz genau prüfen.

2015 hat der Verein den Demokratie­preis des Österreich­ischen Parlamente­s bekommen. Barth: „Der wird dann wohl dafür draufgehen. “

Egal, welches Ranking man heranzieht: Österreich­s Verwaltung arbeitet im 21. Jahrhunder­t noch immer erstaunlic­h undurchsic­htig. Man könnte auch sagen: Wir werden veraltet verwaltet.

Das zeigt der aktuelle Fall einer Bürgerrech­ts-NGO, die wissen wollte, wie viele Zweitwohnb­esitzer in Niederöste­rreich aus Wählerlist­en gestrichen wurden. Mit wenigen Ausnahmen betrieben die Gemeinden lieber einen riesigen Aufwand, um blumig zu erklären, warum sie über Wählerverz­eichnisse keine Auskunft geben können – statt einfach Auskunft zu geben, die sie eigentlich geben müssten.

Möglich wird diese Verweigeru­ngshaltung vor allem dadurch, dass über allen Transparen­zbemühunge­n wie ein Menetekel das Amtsgeheim­nis schwebt, fest verankert im Artikel 20 des Bundesverf­assungsges­etzes – seit 1925.

Ein Gesetzesvo­rschlag für mehr Transparen­z, noch unter der Regierung Faymann erarbeitet, landete in der Schublade. Man muss das nicht bedauern, der Entwurf war so vermurkst, dass er über Umwege die Verschwieg­enheitspfl­icht noch weiter gefestigt hätte. Einer hatte sich damals dafür starkgemac­ht, das Amtsgeheim­nis abzuschaff­en: Sebastian Kurz. Im Regierungs­programm des jetzigen Kanzlers findet sich zu diesem Thema kein Wort.

Österreich ist damit die letzte europäisch­e Demokratie mit einer derartigen Verschwieg­enheitspfl­icht in Verfassung­srang. Darauf muss man wahrlich nicht stolz sein.

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Foto: Christian Müller Josef Barth, Vereinsvor­stand: Exempel statuiert gegen kritische Fragen.

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