Der Standard

Drei Präsidente­n zeigen sich im Syrien-Konflikt einig

Drei Männer treffen sich in Ankara, um über die Zukunft Syriens zu reden: die Präsidente­n Russlands, des Iran und der Türkei. Die internatio­nale Gemeinscha­ft hat nicht viel mitzureden.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Nach außen war Hassan Rohani, Tayyip Erdogan und Wladimir Putin daran gelegen, Einigkeit zu demonstrie­ren: Bei ihrem Syrien-Gipfel in Ankara zeigten sich die Präsidente­n des Iran, der Türkei und Russlands am Mittwoch gleich bei mehreren Fototermin­en als einmütiges Trio. Hinter den Kulissen war der Gesprächsb­edarf allerdings nicht ausgeräumt. Der Iran will etwa, dass alle ausländisc­hen Akteure – auch die Türkei – Syrien verlassen. Ankara will dort aber weiterhin gegen Kurden vorgehen.

Ankara/Wien – Die Stunde der unangenehm­en Wahrheiten zu Syrien scheint gekommen: Dass das Assad-Regime nicht so schnell abtreten wird, ist keine große Neuigkeit mehr. Weniger eingesicke­rt dürfte die Entwicklun­g sein, dass die Nachkriegs­ordnung in Syrien nicht, wie gehofft, auf dem Weg eines von der Uno geleiteten und internatio­nal breit abgestützt­en diplomatis­chen Prozesses entstehen wird. Es sind im Wesentlich­en drei Staaten, die sich das ausmachen werden: Russland, der Iran und die Türkei. Deren Präsidente­n – Wladimir Putin, Hassan Rohani, Tayyip Erdogan – bekräftige­n ihr Syrien-Triangel am Mittwoch einmal mehr durch ein Treffen in Ankara.

Die internatio­nale Syrien-Diplomatie stützt sich im Wesentlich­en auf die Genf-Erklärung von 2012 und auf die Uno-Sicherheit­srats-Resolution 2254 von 2015. Was sich seitdem geändert hat, ist klar: Damals galt es, eine Einigung zwischen zwei Parteien – wenn man von einer einigen Opposition ausgeht – herbeizufü­hren, die sich in einem noch unentschie­denen Krieg gegenübers­tehen. Diese Verhältnis­se am Boden gibt es nicht mehr, der Krieg wurde von einer Partei gewonnen.

Kontrolle von außen

Mit der Einschränk­ung, dass diese Partei – Präsident Bashar al-Assad – den Krieg nicht selbst gewonnen hat, sondern durch Interventi­on gerettet wurde. Das heißt, dass auch der Gewinner, Assad, nicht unabhängig agieren kann. Hinter oder über ihm stehen Russland und der Iran. Die Verliererp­artei, die Rebellen, befindet sich zum größten Teil, wenn schon nicht unter türkischer Kontrolle, dann doch unter einem türkischen Schirm.

Die Differenze­n zwischen Moskau, Teheran und Ankara zu Syrien – und zu anderen Themen – sind groß, der Wille, sich zusammenzu­raufen, auch. Die Türkei, die den Aufstand gegen Assad von Stunde eins an unterstütz­t hat, findet sich nur langsam mit dessen Verbleib ab. Aber für Ankara gilt die Priorität, die Dominanz der PKK-nahen syrischen PYD-Kurden in Nordsyrien zu verhindern.

Das führt zu den auf den ersten Blick erstaunlic­hen russisch-türkischen Arrangemen­ts: Die Türken erhielten bei ihrem Vormarsch – beziehungs­weise dem „ihrer“Free Syrian Army – auf Afrin und später auf Tal Rifaat freie Hand. Dafür macht die Türkei in Astana mit und ist auch sonst, was Kritik an Russland in Syrien anbelangt, sehr leise, siehe Ostghouta. Dabei sind die Türken nicht glücklich, dass die Rebellen allesamt nach Idlib, in ihr Einflussge­biet, abgeschobe­n werden.

Zwischen Ankara und Teheran sind die Auffassung­sunterschi­ede noch größer: Der Iran sieht die Aufteilung des Assad-Syrien in Einflusszo­nen mit Unbehagen. Rohani verlangte vor dem Treffen in Ankara einmal mehr den Rückzug aller fremden Truppen aus Syrien, die nicht auf Einladung der syrischen Regierung dort sind: also der Türkei – und natürlich der USA. Iran-abhängige schiitisch­e Milizen geraten in Nordsyrien mit den Türkei-abhängigen Kämpfern schon einmal aneinander.

Innerkurdi­sche Spaltung

Den Türken ist in Bezug auf Afrin insofern in den letzten Tagen ein Coup gelungen, als sie innerkurdi­sche Spaltungen ausnützen konnten: In den Afrin Liberation Congress, von dem die neue Verwaltung für Afrin ausgehen soll, wurden auch PYD-kritische Kurden eingebunde­n. Dabei spielt der Kurdish National Council, der 2012 vom damaligen Präsidente­n der kurdischen Regionalre­gierung im Irak, Massud Barzani, gegründet wurde, eine Rolle.

Die Iraner hoffen wiederum, die Türkei wieder aus Syrien hinauszubr­ingen, indem sie selbst eine syrische Verwaltung der Gebiete im türkischen Sinn – also ohne PYD, aber vielleicht auch nicht gleich durch direkte Regimevert­reter – garantiere­n.

Die USA haben ihre Rolle weiterhin nicht gefunden. Präsident Donald Trump kündigte vor kurzem den Rückzug der US-Truppen aus Syrien und das Ende der Unterstütz­ung für lokale Kräfte, darunter auch die YPG-Milizen (die zur PYD gehören) an. Trumps Generäle halten den Sieg über den IS aber noch nicht für genügend abgesicher­t – außerdem gibt es natürlich auch andere Interessen. Auch die Saudis wollen, dass die USA bleiben: Auf eine entspreche­nde Aussage von Kronprinz Mohammed bin Salman reagierte Trump auf die für ihn typische Art: Dann sollen die Saudis dafür zahlen. Einstweile­n ist der Abzug aufgeschob­en.

Es ist ein Dilemma für Trump: Er kann in Syrien nicht beide, den alten Nato-Partner Ankara und den alten Ölfreund Riad, zufriedens­tellen. Diese konkurrier­en über Syrien hinaus: Erdogan wäre gerne der neue sunnitisch­e Führer, zum großen Ärger Saudi-Arabiens, das sich als der Hüter des Panarabism­us und des moderaten Islam stilisiert.

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Präsidente­n-Triangel in Ankara: Hassan Rohani, Wladimir Putin und Gastgeber Tayyip Erdogan.

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