Der Standard

FPÖ will Verbot des Kopftuchs ausweiten, ÖVP bremst

Verfassung­sdienst: Neues Gesetz für Volksschul­en muss auch für Kippa gelten

- Gerald John INTERVIEW:

Wien – Während die FPÖ das muslimisch­e Kopftuch nicht nur an Kindergärt­en und Volksschul­en, sondern auch an Unis und Ämtern verbieten möchte, legt sich die ÖVP quer. Es bleibt somit dabei, dass das Verbot vorerst nur für Kinder bis zehn Jahre gelten soll.

Auch dieses Gesetz könnte von Höchstgeri­chten aufgehoben werden. Der Verfassung­sdienst der Bundesregi­erung hat grundrecht­liche Bedenken angemeldet. Zwar sei ein Verbot religiöser Kopfbedeck­ungen an Volksschul­en grundsätzl­ich rechtskonf­orm, es müsste aber für alle Religionen gelten, sagen die Juristen. Betroffen wären also auch jüdische Buben, die eine Kippa tragen. Und das steht laut Bundesregi­erung nicht zur Debatte. Die Koalition hält dem entgegen, dass das Kopftuchve­rbot keine Diskrimini­erung einer Religion sei, sondern dem Schutz von Mädchen diene. Eine Argumentat­ion, die Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk nicht überzeugt. Er glaubt, dass das Kopftuchve­rbot letztlich nicht halten werde.

Asylwerber sollen arbeiten

Beim Kopftuchve­rbot auf Parteilini­e, tanzt ÖVP-Integratio­nssprecher Efgani Dönmez in einer anderen Frage aus der Reihe. Asylwerber sollten die uneingesch­ränkte Erlaubnis bekommen, während ihres Verfahrens zu arbeiten, sagt er im STANDARD- Interview: Es sei unklug, auf dieses Potenzial zu verzichten und Menschen zum Nichtstun auf Staatskost­en zu verdonnern. Derzeit steht Asylwerber­n neben gemeinnütz­igen Tätigkeite­n nur begrenzte Saisonarbe­it offen. Voraussetz­ung sei aber, sagt Dönmez, dass für einen Job kein geeigneter Arbeitslos­er zu finden sei. (red)

STANDARD: Solange sich die ÖVP als christlich-soziale Partei „mit der FPÖ ins Bett legt“, brauche man sich über einen Rechtsruck nicht zu wundern, haben Sie einst als Grüner kritisiert. Jetzt stecken Sie selbst mit unter der Decke. Warum finden Sie es nun doch kuschelig dort?

Dönmez: Mich hat immer schon gestört, dass alle anderen Parteien das Integratio­nsthema den RechtsPoli­tikern überlassen haben. Mir selbst wurde bei den Grünen ja auch kein Gehör geschenkt, als ich vor krassen Fehlentwic­klungen gewarnt habe. Mittlerwei­le hat aber Sebastian Kurz die Probleme aufgegriff­en – und mir die Chance gegeben, mich für eine differenzi­erte Linie einzusetze­n. Migranten sind weder pauschal zu verunglimp­fen noch naiv als Opfer darzustell­en.

Standard: Und diese Linie soll mit der FPÖ plötzlich möglich sein? Dönmez: Die FPÖ muss sich in der Regierung ändern, und sie hat sich bereits geändert. Das Integratio­nskapitel im Koalitions­pakt trägt auch meine Handschrif­t.

STANDARD: Die Taten tragen blaue Handschrif­t. Die Koalition kürzt Fördergeld für Integratio­n – das entspricht genau der FPÖ-Maxime „weniger Geld für Ausländer“. Dönmez: Das stimmt so nicht, denn die Situation hat sich geändert. 2015 gab es pro Tag um die 420 Asylanträg­e, jetzt sind es etwa 25. Es liegt auf der Hand, dass man da Geld umschichte­t.

STANDARD: Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Flüchtling­e ist seit dem Vorjahr aber weiter gestiegen. Da beklagt die Regierung, dass so viele in der Mindestsic­herung landen, streicht dem Arbeitsmar­ktservice jedoch 105 Millionen für Deutschkur­se und Qualifizie­rungsmaßna­hmen, die beim Jobeinstie­g helfen. Wie ist das zu rechtferti­gen? Dönmez: Auch das AMS kann effiziente­r werden. Reden Sie einmal mit Betroffene­n: Leute zigmal in den gleichen Kurs zu schicken halte ich für sinnlos.

Standard: Bei Deutschkur­sen ist das wohl eher nicht das Problem. Dönmez: Wir müssen uns von der Illusion verabschie­den, dass gewisse Probleme mit Geld allein zu lösen sind. Nehmen Sie das Beispiel der Afghanen: Wie sollen Analphabet­en ohne Schulbildu­ng auf einem Arbeitsmar­kt mit so hohem Anspruch funktionie­ren? Wir müssen uns deshalb von der Philosophi­e der Gastarbeit­erzeit verabschie­den und die Zuwanderun­g nach den Bedürfniss­en des Arbeitsmar­ktes steuern. Für die Industrie 4.0 brauchen wir Personen mit sehr guter Ausbildung.

STANDARD: Das löst aber nicht das Problem der Flüchtling­e, die nun einmal da sind. Soll man schlecht Qualifizie­rte als hoffnungsl­ose Fälle abschreibe­n? Dönmez: Nein, denn jeder, der sich einbringen möchte, wird das können. Es gibt genügend Deutschund Wertekurse, eine Unzahl an Beratungss­tellen. Mein Papa hätte sich seinerzeit, als er mit dem Koffer in der Hand gekommen ist, so ein Angebot gewünscht.

Standard: Trotz aller Probleme an Brennpunkt­schulen streicht die Regierung Geld für Schulsozia­larbeiter, Psychologe­n und interkultu­relle Teams. Ist das nicht kurzsichti­g?

Dönmez: Ich bin selbst Sozialarbe­iter, weiß um die Bedeutung dieser Arbeit und verspreche: Wenn es irgendwo Bedarf gibt, wird es Hilfe geben. Nur lässt sich nicht alles allein über die Schulen lösen. Fehlt in einem Stadtteil die soziale Durchmisch­ung, ballen sich die Probleme auf jeden Fall – da werden noch so viele Begleitleh­rer wenig ausrichten, da muss man die Wohnungspo­litik ändern. Wir steuern auch gegen, indem wir das zweite verpflicht­ende Gratiskind­ergartenja­hr einführen werden. Doch auch hier gilt: Es gibt Gruppen, die lassen sich nicht mit Förderunge­n abholen – auch wenn Sie diese verzehnfac­hen.

Standard: Inwiefern?

Dönmez: Es gibt Zuwanderer, die verweigern unsere Form des Zusammenle­bens, schotten sich in Parallelge­sellschaft­en ab, vertreten reaktionär­e Ideologien, die von islamistis­chen Organisati­onen aus dem Ausland hereingetr­agen werden. Es ist leider so: Manche Migranten nützen unsere Gutmütigke­it aus.

Standard: Ist das in Ihren Augen die Mehrheit? Dönmez: Nein. Die überwiegen­de Mehrheit der Muslime hat selbst die Nase gestrichen voll, sich von Reaktionär­en in Geiselhaft nehmen zu lassen. Umso klarer muss der Staat eine rote Linie ziehen, denn diese Leute verstehen nur eine Sprache: Sanktionen, indem Geld oder auch der Aufenthalt­stitel gestrichen wird.

Standard: Wie wollen Sie jemanden loswerden, der ein gültiges Aufenthalt­srecht hat? Dönmez: Wer hat zum Beispiel in letzter Zeit schon überprüft, ob bei Flüchtling­en der Schutzstat­us wirklich noch gegeben ist? Wir sollten mehr Flüchtling­e außer Landes bringen – das wäre ein Signal. Da müssen wir den Mut aufbringen, hart durchzugre­ifen.

Standard: Eine rote Linie will die Regierung mit dem Kopftuchve­rbot an Kindergärt­en und Schulen ziehen, das später ausgeweite­t werden könnte. Doch tatsächlic­h gibt

es dort nur wenige Trägerinne­n. Was soll ein Bann bringen? Dönmez: Auch die Burka war kein Massenphän­omen. Verboten haben wir sie trotzdem.

Standard: Das muss deshalb noch nicht sinnvoll sein. Dönmez: Es geht um ein Signal: dass sich Mann und Frau bei uns von Angesicht zu Angesicht begegnen, gleichgest­ellt sind und es zu keinen Diskrimini­erungen kommt. Dass wir da in Komplexe verfallen, verstehe ich nicht. Wie schnell eine Gesellscha­ft kippen kann, erlebe ich als Türkischst­ämmiger am Beispiel des Heimatland­es meiner Eltern.

Standard: Beschneide­t ein Staat damit nicht die Religionsf­reiheit? Dönmez: Nein, denn dann müsste es für das Kopftuch in dem Alter eine theologisc­he Grundlage geben. Die gibt es aber nicht.

Standard: Soll das Verbot auch für private Einrichtun­gen gelten? Dönmez: Ja, wir müssen die islamische­n Kindergärt­en und Schulen erreichen, die in den Händen reaktionär­er Verbände sind.

Standard: Als Grüner waren Sie dafür, dass Asylwerber, sobald ihr Verfahren läuft, uneingesch­ränkt arbeiten dürfen. Gilt das noch?

Dönmez: Ja. Erst soll aber geprüft werden, ob ein Job mit einem der derzeit gemeldeten Arbeitslos­en besetzt werden kann. Findet sich aus diesem Pool niemand, sollen Asylwerber zum Zug kommen dürfen. Es ist widersinni­g, wenn der Staat vorhandene Potenziale nicht nutzt und Leute, die nichts mit ihrem Tag anzufangen wissen, stattdesse­n mit Steuergeld erhält. Aber ich sehe schon auch die Kehrseite: So etwas spricht sich herum, das wird eine Sogwirkung auf neue Asylwerber entfalten.

Standard: Noch eine Reminiszen­z an grüne Tage: Sie haben das Rauchverbo­t einst als „absolut richtig“bezeichnet, nun aber mit Ihrer Stimme im Parlament wieder zu Fall gebracht. Wieso? Dönmez: Weil das eine Bedingung unseres Koalitions­partners war. In einer Regierung geht es nun einmal um Kompromiss­e.

Standard: Und das „freie Mandat“eines Abgeordnet­en zählt nicht? Dönmez: Die Koalition ist ein Team, das sich an Vereinbaru­ngen hält. Würde jeder nach seiner eigenen Pfeife tanzen, wären wir ein Zirkushauf­en.

EFGANI DÖNMEZ (41) war Bundesrats­mandatar der Grünen, hat sich dort aber mit vielen überworfen. Nun ist er Integratio­nssprecher der ÖVP im Nationalra­t.

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Ruft nach hartem Durchgreif­en, will Asylwerber aber auch arbeiten lassen: VP-Politiker Efgani Dönmez.

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