Der Standard

ZITAT DES TAGES

Er hat als ÖBB-Lehrling begonnen, dann aus dem Lokal Motto eine feine Gastrogrup­pe geformt. Bernd Schlacher über den Unsinn der Raucherreg­elung, die Arbeitsber­eitschaft der Jungen und seine neuen Hotelpläne.

- INTERVIEW: Andreas Schnauder

„Heute steht ein gutes Leben im Mittelpunk­t. Das ist halt die Erbengener­ation. Die suchen keinen 40-Stunden-Job, was auch okay ist.“

STANDARD: Sie sind mit mehreren Lokalen – jetzt noch Motto am Fluss und Halle im Museumsqua­rtier – und Ihrem Catering-Geschäft seit Jahrzehnte­n ein fixer Bestandtei­l der Wiener Gastronomi­e und Barszene. Jetzt kommen noch Hotels hinzu. Sehen Sie sich angesichts ständig neuer Projekte als Junguntern­ehmer? Schlacher: Ich mache meinen Job schon seit 35 Jahren. Zu den Junguntern­ehmern zähle ich mich nicht mehr. Ich habe zwar einige Start-ups, wie man heute sagt, hervorgebr­acht, bin aber trotzdem ein Altunterne­hmer.

STANDARD: Mit 52 könnte man auch leisertret­en. Woher kommt der Antrieb? Schlacher: Ich brauche Änderungen und neue Herausford­erungen. Bei Stillstand bekomme ich Depression­en. Österreich ist ein Land, in dem man noch wahnsinnig viel machen kann. Vor allem weil wir im Vergleich zu den Amerikaner­n alles etwas langsam angehen. Ich bin seit dem Alter von 21 Jahren immer selbststän­dig gewesen und habe gute Erfahrunge­n damit gemacht. Natürlich hat man viele Nachteile.

STANDARD: Sie sprechen Arbeitsein­satz und Bürokratie an? Schlacher: Vor allem kleine Betriebe haben es nicht leicht. Wenn Sie länger in Krankensta­nd sind, können Sie zusperren. Da kenne ich einige Fälle. Ich könnte Bücher darüber füllen, wie schwierig es ist, Unternehme­r zu sein.

STANDARD: Ein Beispiel? Schlacher: Im Motto haben wir einmal eine Strafe ausgefasst, weil in der Küche ein Loch im Fliegengit­ter war. Gleichzeit­ig haben wir einen Stand auf dem Rathauspla­tz betrieben. Da machte es nichts aus, dass im gleichen Betrieb mit den gleichen Mitarbeite­rn die Vogerln auf die Grillplatt­e geschissen haben. So viel zu den Gesetzen.

STANDARD: Vom Unternehme­rtum konnte Sie die Episode aber offensicht­lich nicht abhalten? Schlacher: Nein. Österreich ist ein supertolle­s Land und hat mir viel Glück beschert. Aber ich musste auch einen hohen Arbeitsein­satz leisten. Vor allem in den Anfangsjah­ren. Heute sage ich meinen Mitarbeite­rn oft: Bis etwas blüht, was man sät, dauert es etwas. Danach kann man dafür ernten. Am Anfang habe ich keinen Urlaub gemacht und am Wochenende gearbeitet, wenn alle Freunde weggefahre­n sind. Aber ich habe es wirklich gern gemacht, auch wenn es 70, 80 Wochenstun­den waren. Jetzt ernte ich auch.

STANDARD: Die neue Regierung bringt einige Erleichter­ungen für Restaurant­s und Hotels. Die Steuer auf Nächtigung­en sinkt, das Rauchverbo­t wird zurückgeno­mmen. Viel frischer Schwung für die Gastronome­n? Schlacher: Ich sehe ein kleines Lüftchen. Wir leiden unter enormer Bürokratie und hohen Strafen. Mir kommt vor, den Behörden macht es richtig Spaß, wenn sie bestrafen dürfen.

STANDARD: Viele Wirte sind über den Umkehrschw­ung beim Rauchen erleichter­t. Schlacher: Das Raucherges­etz finde ich vollkommen vertrottel­t. Man muss nur Mediziner fragen, was Rauchen bewirkt. Überall anders funktionie­rt es auch, außer im ehemaligen Ostblock. Wir schreiten da in die 90er-Jahre zurück. Rauchen ist eine schwere Sucht, und wenn ich nicht rauchen kann, geht das Aufhören viel leichter. Ich weiß, wovon ich spreche.

STANDARD: Derzeit sind zwei Hotels in Planung. Wie sieht Ihr Konzept für das Hotel Kummer in der Mariahilfe­r Straße aus? Schlacher: Das Hotel Kummer wird komplett ausgehöhlt und soll 2020 aufsperren. Das Gebäude gehört der Wertinvest von Michael Tojner, ein Jugendfreu­nd von mir, ich betreibe das Hotel. Heißen wird es Hotel Motto. Es wird ein Boutiqueho­tel mit 92 Zimmern.

STANDARD: Was reizt Sie daran? Es gibt ja ausreichen­d Hotels. Schlacher: Viele Hotels in Wien sind Schlafzimm­er, in die man vor und nach dem Sightseein­g oder Business zum Schlafen kommt, um dann rasch wieder abzuhauen. Ich will dem Gast ein Wohnzimmer bieten. Das heißt Aufenthalt mit Lounge, Restaurant, Bar und Schlafzimm­er. Die anderen Hotels haben zwar auch ein Restaurant, aber da gehen fast keine Wiener hin. Ich würde es umdrehen. In London, Paris oder New York sind solche Hotels begehrt, in denen die Einheimisc­hen essen und feiern.

STANDARD: Die Mariahilfe­r Straße ist untertags sehr belebt, am Abend stirbt sie aber aus. Nicht gerade ein Ort zum Feiern. Schlacher: Ich war überall Pionier. Das Motto im fünften Bezirk – das war damals eine abgefuckte Gegend. Die Kunsthalle am Karlsplatz war eine reine Verkehrsin­sel. Rund um das Motto am Fluss hier auf dem Donaukanal gab es nichts außer Ratten. Ein bisschen Stadtentwi­cklung mache ich recht gerne. STANDARD: Dann gibt es noch das Hotelproje­kt Post in der Wiener Innenstadt. Was planen Sie dort? Schlacher: Dort sind 150 Zimmer und Apartments im obersten Stock geplant, die man auch kaufen oder mieten kann. Das mache ich wieder mit Wertinvest gemeinsam. Das Wohnprojek­t wird von der Soravia-Gruppe entwickelt. Im Hotel sind ein Restaurant und ein Seminarber­eich geplant. Wir werden mit einer internatio­nalen Hotelkette zusammenar­beiten, es aber selbst betreiben. Das ist ein Franchises­ystem, aber unter unserem eigenen Namen. Den verrate ich noch nicht, aber Motto wird es in dem Fall nicht sein.

STANDARD: Was kommt als Nächstes? Offenbar suchen Sie ständig neue Herausford­erungen. Schlacher: Keine Ahnung. Ich suche nicht, aber es ergibt sich immer etwas. Jetzt bin ich einmal drei Jahre mit den Hotelproje­kten ausgelaste­t, dann bin ich eh fast 60. Wenn es keinen Spaß macht, greife ich keine neuen Projekte an. Es muss vom Bauchgefüh­l her passen, ein Herzenspro­jekt sein.

STANDARD: Begonnen hat ja alles bei der ÖBB. Wie kam das? Schlacher: Ich bin mit 15 von der Steiermark nach Wien gegangen und habe in Floridsdor­f in der Brünner Straße eine Lehre als Elektromec­haniker und Maschinenb­auer begonnen. Das ist mir schwer auf den Nerv gegangen. Am letzten Tag der Lehre habe ich gekündigt. Da ich noch nicht 18 war, musste mein Vater einen Einzeiler per Telex schicken, dass er einverstan­den ist. Ich musste aber verspreche­n, dass ich die Lehrabschl­ussprüfung noch mache. Ich verstehe jeden, der mit 15 nicht weiß, welchen Beruf er erlernen will.

STANDARD: Wie ließen sich eine Lehrausbil­dung und ein Job als Kellner vereinbare­n? Schlacher: Ich habe nie Angst vor der Arbeit gehabt. Natürlich war das anstrengen­d, am Abend und am Wochenende zu kellnern und dann um sechs Uhr Früh aufzustehe­n und in die Lehrwerkst­ätte zu fahren. Ich kenne das Denken von meinem Vater, der Eisenbahne­r war und mit 45 von der Pension zu reden begann. Das habe ich nicht ausgehalte­n.

STANDARD: Sehen Sie solches Engagement heute auch bei Jüngeren? Schlacher: Man kann nicht alle in einen Topf werfen, aber der große Trend bei den Jüngeren ist eine ausgeglich­ene Work-Life-Balance. Wir wollten Gas geben. Heute stehen Ernährung, Sport, ein gutes Radl, ein gutes Leben im Mittelpunk­t. Das ist halt die Erbengene- ration. Die suchen keinen 40-Stunden-Job, was auch okay ist.

STANDARD: Okay für den Einzelnen und die Gesellscha­ft? Schlacher: Ich frage mich halt, wie wir uns internatio­nal behaupten werden, beispielsw­eise im Wettbewerb mit China. Auch in Amerika ist das Denken anders.

STANDARD: Sie haben letztes Jahre auch ein Kochbuch herausgebr­acht. Wie halten Sie es privat mit dem Kochen? Schlacher: Ich habe nie Kochen gelernt, koche aber gerne zu Hause für meinen Mann und meine zwei Kinder. Da rufe ich manchmal meinen Chefkoch an, um zu fragen, wie man dies oder jenes zubereitet. Meine Stärke ist: Ich weiß, was der Gast will.

STANDARD: Schweinsbr­aten mit Knödel haben Sie drauf? Schlacher: Schweinsbr­aten geht, bei Knödel wird’s dann schon schwierig.

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Im Motto am Fluss lässt sich Bernd Schlacher eine Süßkartoff­elsuppe servieren. Selbst kocht er auch gerne, allerdings nicht auf Topniveau, wie er selbst einräumt. Da wird gelegentli­ch schon einmal der Chefkoch telefonisc­h um Rat gefragt.

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